Ilona Mayer-Zach: Döbling. Geschichten und Anekdoten#
Ilona Mayer-Zach: Döbling. Geschichten und Anekdoten. Ruckerlbahn, Reben und Rekorde. Wartberg Verlag Gudensberg-Gleichen 2014. 80 Seiten, ill., € 12,50
Die Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin Ilona Mayer-Zach ist vor allem als Krimi-Autorin bekannt. Ihre erste Kriminalgeschichte schrieb sie mit 12 Jahren. Während ihrer Zeit als Gerichtsjournalistin und in den Jahren danach entstanden die ersten Kurzromane. Seit 2009 verfasst Ilona Mayer-Zach Rätselkrimis für "Die Presse am Sonntag", in denen die Serienfigur Paula Ender mitunter skurrile Fälle lösen muss und die Leser zu Ermittlern werden. Auch mehrere Jahrgangsbände und Auftragswerke stammen aus ihrer Feder.
Nun hat die aus Graz gebürtige Wahl-Döblingerin dem 19. Wiener Gemeindebezirk ein Bändchen mit Geschichten und Anekdoten gewidmet. Ihre Zeitreise in vergangene Jahrzehnte führt zu lustigen und ernsten Begebenheiten, die ihr ältere Bezirksbewohner erzählt haben. So entsteht ein bunter Mix aus mehr als zwei Dutzend Erinnerungen, die sich mit Menschen und Orten verbinden. Zahlreich sind die Persönlichkeiten, die mit Döbling zu tun haben, beispielsweise Sigmund Freud, der im - zuletzt als Erholungsheim genützten - Schloss Bellevue als Arzt wirkte. Ein Gedenkstein auf der Bellevuewiese erinnert daran, dass sich ihm hier "das Geheimnis des Traumes" enthüllte. Richard Kuh, 1938 Nobelpreisträger für Chemie, und Wolfgang Pauli, Nobelpreisträger 1945 für Physik, maturierten 1918 im k.k. Staatsgymnasium in der Gymnasiumstraße. Paula von Preradovic wohnte als Gattin des Historikers und Journalisten Ernst Molden in der Osterleitengasse, als sie dr damalige Unterrichtsminister bat, den Text zur österreichischen Bundeshymne zu schreiben. Zuvor hatte man einen Wettbewerb ausgeschrieben, der zwar 1800 Einsendungen, aber kein überzeugendes Ergebnis brachte. Der Zitherspieler und spätere Heurigenbesitzer Anton Karas komponierte das „Harry-Lime-Thema" (benannt nach der Hauptfigur des Films "Der dritte Mann) und gelangte mit dieser Melodie zu Weltruhm und Wohlstand.
Einige erfolgreiche Geschäftsleute werden vorgestellt: Die Gebrüder Gräf, die ab 1904 ihr Werk in die Weinberggasse verlegten, wo als berühmtestes Automobil jenes hergestellt wurde, in dem der Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau 1914 dem verhängnisvollen Attentat zum Opfer fielen. Die Familie Zacherl ist untrennbar mit der "Zacherlfabrik" in der Nusswaldgasse verbunden, wo sie in der Monarchie das Insektenvernichtungsmittel "Zacherlin" produzierten. Weil der Rohstoff, Pyrethrum-Blüten, aus dem Orient kam, ließen sie das Werk mit seiner charakteristischen Kuppel in maurisch-persischen Stil erbauen und mit glasierten farbigen Fliesen verkleiden. Johann Kattus belieferte Kaiser Franz Joseph eigenhändig mit Kaviar und Sekt aus seiner Kellerei in der Billrothstraße. Ebenfalls Hoflieferant und Branchenkollege war die Firma Schlumberger in der Heiligenstädter Straße. Die 300 Jahre alten, 2 km umfassenden Keller wurden vom Architekten der Semmeringbahn, Karl Ritter von Ghega umgestaltet. Mit einem anderen Unternehmer, Janos Kotányi aus Szeged in Ungarn, kam der Gewürzpaprika nach Döbling. Auch seine Firma in der Billrothstraße 4 durfte sich zu den Hoflieferanten zählen.
Geschichten und Anekdoten sind mit bekannten Plätzen im Bezirk verknüpft. Auf dem Cobenzl wirkte der Erfinder Karl Reichenbach. Er widmete sich aber nicht nur nützlichen Erkenntnissen, wie der Verbesserung von Hochöfen, sondern auch den Grenzwissenschaften. So soll er nach der Überlieferung für seine Experimente nächtens Leichen vom Grinzinger Friedhof geholt haben. Ein späterer Besitzer des Schlosses Cobenzl, Johann Karl Sothen, war übel beleumundet. Mit Betrügereien reich geworden, wurde er 1881 von einem seiner Jagdgehilfen erschossen. In der Frühzeit des Automobilismus war das zu einem Hotel ausgebaute Schloss Cobenzl ein bevorzugtes Ausflugsziel.
Vieles weiß Ilona Mayer-Zach sonst noch zu erzählen, vom Währinger jüdischen Friedhof, vom Stickatelier der Schwestern vom armen Kinde Jesus, den Filmstudios auf der Hohen Warte, der Gans Lilli … und alles mit zeitgenössischen Fotos illustriert.