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Volker Plass: Stadtschriften#

Bild 'Plass'

Volker Plass: Stadtschriften. Was über Geschäften einstgeschrieben stand. Metro-Verlag Wien 2014. Was über Geschäften einst geschrieben stand 160 S., ill., € 19,90

"Stadtschrift" nennt sich der "Verein zur Sammlung, Bewahrung und Dokumentation historischer Fassadenbeschriftungen", "Stadtschriften" nennt sichdas Buch, das in Bildern erzählt "was über Geschäften einst geschrieben stand". Sein Autor, Volker Plass, Grafik-Designer und Fotograf aus Wien, versteht die "Handschrift der Stadt" zu lesen. Doch sie verblasst, oft bis zur Unkenntlichkeit. Buchstaben und Leuchtreklamen, die in den 1950er bis 1980er Jahren alltäglich waren, sind selten geworden.

Der Autor hat die rar gewordenen Zeugnisse der Alltagskultur ab 2010 mit der Kamera festgehalten. Seine Dokumentation umfasst inzwischen 13.000 Fotos, 235 hat er für den Bildband ausgewählt und professionell präsentiert. Dabei musste er feststellen, dass etliche der abgebildeten Aufschriften heute leider nicht mehr existieren. Einziges Manko des schönen Buches: Es verrät den Standort der Geschäfte nicht. Mit Absicht wird nur das Bundesland oder Land (es sind auch Beispiele aus Deutschland und Tschechien darunter) genannt.

Meist im Viererblock angeordnet, erscheinen die Beispiele nach Branchen, darunter viele, die selbst schon Seltenheitswert haben, wie Fenster- und Zimmerputzer, Geschäfte für Obst und Gemüse, Milch, Blumen, Damenwäsche, Kindermoden, Spielwarenhandlung, Eissalon, Likörstube, Handschuhmacher, Bürstenbinder. Ein gelernter Schildermaler wusste - wie ein guter Buchdrucker - welche Schrift zu welcher Branche passte. Coiffeure oder Blumenhandlungen hätten mit klobigen Lettern wohl wenig Freude gehabt, die waren eher bei der Technik - Radio, Elektro, Garage oder - inzwischen zu musealen Ehren gekommen - beim Südbahnhof am Platz. Überhaupt galten schwungvolle Schreibschriften, vorzugsweise mit Neonröhren, als besonders elegant und werbewirksam. Die Frakturschrit wiederum sollte, vor allem im gastronomichen Bereich, althergebrachte Qualität eines Produktes oder einen Traditionsbetrieb kennzeichnen.

Zu Recht spricht der Autor von "liebevoll aus Metall, Glas und Neonröhren gestalteten typographischen Wunderwerken". Nicht nur der Niedergang der kleinstrukturierten Nahversorgung und Renovierungen verursachten das Verschwinden der alten Firmenaufschriften. Den meisten Geschäftsbetreibern fehle es an typographischem Bewusstsein, schreibt Volker Plass. Wahrscheinlich mangelt es aber auch an den Spezialisten. Das Wiener Telefonbuch nennt nur noch zwei Schildermaler und sechs Firmen für Neonanlagen.

Die leichte Verfügbarkeit von Grafik-Software habe dazu geführt "dass Altes nicht erhalten, sondern oft heruntergerissen und durch selbst gestaltete Klebebeschriftungen, billige Plastikbuchstaben oder schnell aufgespannte Transparente ersetzt wird." Ein eindrucksvolles Foto beim Vorwort unterstreicht die Aussage. An einem Geschäftsportal sind gerade noch die Umrisse der zarten ersten Buchstaben von "Bäckerei" zu erkennen. Daneben verweist ein Transparent mit massiven weißen Buchstaben auf rotem Grund auf den neuen Mieter, ein Sport-Outlet.

Schon seit Jahren haben Experten bemängelt, dass die Denkmalpflege (so überhaupt vorhanden) im ersten Stock beginnt. Die Erdgeschoßzone liegt, so Plass, "ganz jenseits des Wahrnehmungshorizontes unseres Denkmalschutzes". Richtete sich die Kritik zunächst auf die Portalgestaltung mit unmaßstäblich großen Schaufenstern, so rücken nun, wenn man erst einmal dafür sensibilisiert ist, die alten Geschäftsaufschriften ins Bewusstsein. Wer sich schon dafür interessiert hat, wird nach der Lektüre dieses Bilder-Buches noch aufmerksamer durch Wien flanieren. Viele werden aber wohl erst dadurch motiviert, ihre Stadt mit anderen Augen zu sehen. Wahrnehmungen sehenswerter alter Aufschriften (mit Fotos) sind erbeten an den Autor oder an den Verein Stadtschrift.