Karin Schlott (Hg.): Brot und Spiele#
Karin Schlott (Hg.): Brot und Spiele. Alltag im Alten Rom. Franz Steiner Verlag Stuttgart 2014. 148 S., ill., € 19,80
"Schon die alten Römer …" und "Es geht zu wie im Alten Rom …", sprichwörtlich markieren die beiden Redensarten die Spannung zwischen bewunderter Hochkultur und unmoralischem Lebenswandel im Römischen Reich. Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung unter Kaiser Trajan um die erste nachchristliche Jahrhundertwende erstreckte es sich auf drei Kontinenten im Mittelmeerraum: Von Gallien und Britanniens bis zum Schwarzen Meer. Wie sich dort das Alltagsleben gestaltete, blieb eher unbeachtet. Diesem Manko will das vorliegende Buch abhelfen. Historiker, Archäologen und Wissenschaftsjournalisten berichten, was archäologische Funde und Schriftzeugnisse über den Alltag der einfachen Beamten, Händler und Sklaven verraten.
Schon das Titelbild lässt einiges ahnen. Das römische Mosaik aus dem Kunsthistorischen Museum Wien stellt eine "Szene im Frauengemach" aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. dar. Im Katalog der Sammlung wird die "Liebesszene" so beschrieben: " Den Mittelpunkt bildet … eine junge Frau, die sich in halb liegender Stellung auf ein Kissen stützt und zu einem Mann aufblickt … Die Statue des Gottes Dionysos und ein Baum, an dem ein Schutzdach befestigt ist, deuten an, dass die Szene im Freien spielt." Die Anbahnung von Liebschaften, Ehe und Bordelle sind einige der Themen, denen sich das Buch widmet. Dabei verbinden die akademischen Autoren wissenschaftliche Erkenntnisse und unterhaltsame Darstellung. Informationsbedürfnis und Lesevergnügen werden durch kurze "Kasten" und zahlreiche Illustrationen - teils antik, teils aktuell und in Art der Computeranimationen - weiter geweckt.
Die rund zwei Dutzend Kapitel geben Einblick in das Leben des Volkes, das sich, so eine Kritik aus dem 2. Jahrhundert, für nicht anderes interessierte als "Panem et circenses", Getreidespenden und Zirkusspektakel. Das Buch "Brot und Spiele" beginnt mit einem "Ende mit Schrecken" - dem Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. Eine meterdicke Bims- und Ascheschicht begrub die Stadt und ihre Menschen, von den 20.000 Bewohnern wurden bisher 2.000 ausgegraben. Die makabre Momentaufnahme des Alltags ist seit dem 19. Jahrhundert ein Ziel des Massentourismus. Das letzte Kapitel des Buches beschäftigt sich mit den Touristen der Antike. Bildungsreisende kamen am liebsten nach Griechenland, in die heutige Türkei zum mythologischen Troja oder nach Ägypten. Wer eine Vergnügungsreise bevorzugte, besuchte lieber den luxuriösen Kurort Baiae am Golf von Neapel.
Bei Bau und Ausstattung der Thermen waren die alten Römer Spezialisten. Wie Bäder und sonstige Infrastruktureinrichtungen - Wasserleitungen, Straßen und Tunnel - konstruiert wurden und funktionierten, erfährt man in diesen lesenswerten Beiträgen. Andere sind den Produkten der Handwerker, wie Glasgefäße und Öllampen, gewidmet, erläutern Medizin und Inschriften. Einen großen Teil machen Freizeitvergnügen aus, wie Kapitel über Schauspieler und Theater, Würfelspiele und Sport oder die Saturnalien, die Tage der "verkehrten Welt", wie man sie von unseren Faschingsbräuchen kennt. Auf der anderen Seite steht der von der Arbeit bestimmte Alltag, wobei die Reichen den demonstrativen Müßiggang pflegten und den Sklaven die Mühsal überließen.
Dies war auch auf den landwirtschaftlichen Gütern der Fall, denen die römische Oberschicht ihren Wohlstand verdankte. Dabei erwies sich die Landtechnik - im Gegensatz zur früheren Forschungsmeinung - als hochstehend und innovativ. Neuere Funde widerlegten die Ansicht, dass die Römer keine Wassermühlen verwendet hätten. Pferdegeschirre und andere landwirtschaftliche Geräte lassen auf deren Herstellung durch Spezialisten schließen. Auf den Latifundien Galliens standen große Erntemaschinen in Gebrauch. Die wichtigsten Getreidearten waren Emmer und Dinkel. Die römischen Essgewohnheiten haben ihre Spuren an den Skeletten hinterlassen. Funde lassen auf eine "ausgefeilte Kochkunst und verfeinerte Zubereitung der Gerichte" schließen, Süßspeisen verursachten Karies. Zur Zahnpflege war Kaugummi aus Mastixharz bekannt. Trotzdem blieb vielen der Gang zum Dentisten nicht erspart, was dem schmerzhaften Verlust von Zähnen gleichkam.
"Sie werden sehen: In seinem Alltag rückt uns die fremde Welt des Alten Rom erstaunlich nahe", versprechen die Autoren, die ihre Beiträge für die Magazine von "Spektrum der Wissenschaft" geschrieben haben. Sie versprechen nicht zu viel.