Eva B. Ottillinger (Hg.): Küchen/Möbel. Design und Geschichte#
Eva B. Ottillinger (Hg.): Küchen/Möbel. Design und Geschichte. Band 32 der Publikationsreihe der Museen des Mobiliendepots. Böhlau Verlag Wien 2015, 165 S., ill., € 29.90
"Am Anfang war das Feuer", mit diesem Filmtitel (1981) beginnt Isebill Barta den 32. Band der von ihr edierten Publikationsreihe der Museen des Mobiliendepots (MMD). Diesmal ist die Küche das Thema. Mit deren Design und Geschichte beschäftigt sich bis Juli 2015 eine Ausstellung des Möbelmuseums. Das reich illustrierte Buch geht weit über einen konventionellen Katalog hinaus. Die Ausstellungskuratorin und Bandherausgeberin Eva B. Ottillinger hat, auch mit Hilfe von Gastbeiträgen, eine Kulturgeschichte der Nahrungszubereitung und der dazu nötigen Räume und Geräte geschaffen.
Das Herzstück bildet ihr mehr als 50-seitiger Artikel "Küchenmöbel - Kochräume". Der Untertitel "Von der Feuerstelle zur Designerküche" verspricht nicht zu viel. Die ältesten Exponate stammen aus der Steinzeit. Prähistorische Vorrichtungen zum Getreidemahlen, Feuersteine und Keramiktöpfe illustrieren in der Ausstellung die Anfänge des Kochens. Das Begleitbuch führt über die Jäger und Sammler der Altsteinzeit: "Sie waren in der Lage, mit Hilfe von Steinen Feuer zu schlagen oder mit Hilfe von Holzstäben Feuer zu reiben. Beutetiere wurden mit steinernen Pfeilspitzen erlegt und danach mit Steinmessern zerteilt. Allerdings gab es noch keine wasserdichten Gefäße zum Kochen." Die "jungsteinzeitliche Revolution" brachte tiefgreifende Veränderungen. Nach und nach wurden die Menschen sesshaft, sie begannen mit Ackerbau und Viehzucht. Sie bauten Häuser mit Feuerstellen als Kochplatz, Licht- und Wärmequelle, deren Rauch die ganze Behausung erfüllte. Das "verrauchte Haus" findet man auch bei den mittelalterlichen alpinen Rauchstubenhäusern. Weitere Stationen auf dem Entwicklungsweg sind die "Küche für das 'Ganze Haus'", deren imperiale Ausprägung die Hofküche in der Wiener Hofburg war, rauchfreie Küchen, Reformküchen. Die 1926 von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky entwickelte "Frankfurter Küche" ist das bekannteste Beispiel dafür. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Einbauküchen für breite Bevölkerungsschichten zur Selbstverständlichkeit. Ab den 1970er Jahren suchten Designer nach neuen Küchenkonzepten. Derzeit sieht es so aus, dass der Herd wieder in den Mittelpunkt des Wohnraums rückt. Es ist eine faszinierende Geschichte, die hier von der Zubereitung der Speisen, Herden, Kühlschränken, Vorratshaltung, sozialen und kulinarischen Veränderungen erzählt wird. Spiegelbilder der Realität in der Ausstellung (und abgebildet im Buch) sind Puppenhäuser und Weihnachtskrippen, in denen die Kücheneinrichtung bis ins Detail minutiös nachgebildet wurde.
Interessant ist auch das Beispiel der Wiener Hofküche. Ein Tisch mit Laden fand in ganz ähnlicher Weise in einem Entwurf von Josef Hoffmann Fortsetzung, ebenso im aktuellen Katalog eines internationalen Möbelhauses. Die Historikerin Ingrid Haslinger forscht seit langem über die Küchen der Habsburger. Hier stellt sie jene in der Hofburg, in Schönbrunn, Budapest, Schlosshof, Niederweiden und Ischl vor. Dazu kommen Informationen über Wiener Herdfabrikanten, Arbeitsteilung, Küchenutensilien und Hygiene.
Allein die Entwicklung der Herde würde Bände füllen. Roswitha Muttenthaler, Kustodin im Technischen Museum Wien, erläutert die Technisierung des Herdes. Ein Jahrhundert hindurch, etwa von 1850 bis 1950 beherrschten die Brennmaterial (Holz, Kohle) sparenden "Sparherde" die Küchen, die zum Kochen, Backen, Warmwasserbereitung und Heizen dienten. Diese Funktionen trennten sich mit der Einführung von Gas und Elektrizität, dazu kamen Petroleum- und Spirituskocher als Zusatzgeräte. Seit den 1950er Jahren sind elektrische Schnellkochplatten, seit den 1970ern Glaskeramikplatten und Mikrowellenherde verbreitet.
Im Zusammenhang mit Fertignahrung folgten völlig neue Speisen und Essgewohnheiten. Damit beschäftigt sich Julia König, und macht eine Reihe von Zusammenhängen bewusst: Hungersnöte und Agrarrevolution, Fabrikarbeit und mitgenommenes kaltes Essen, Eigenversorgung und Konserven und schließlich die neue, arbeitssparende "Bequemlichkeitskost" (Convenience food).
Immer wieder stößt man auch auf Ideologie, die mit der Küche verbunden war. Sei es die Rolle der idealtypischen Hausfrau, aber auch die hohe Politik. "Zur Zeit des 'Kalten Krieges' kam es bei der im Sommer1958 in Moskau gezeigten 'American International Exhibition' vor einer solchen Ausstellungsküche sogar zu einer politisch brisanten Debatte, nachdem der amerikanische Vizepräsident Richard Nixon dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow vorgeschlagen hatte, einander künftig nicht mehr mit Raketen, sondern mit modernen Haushaltsgeräten Konkurrenz zu machen", schreibt Eva B. Ottillinger.