Peter Ryborz: Unter Wien 2#
Peter Ryborz: Unter Wien 2. Keller, Grüfte und G'scherte. BoD Verlag Norderstedt 2015. 240 S., ill., € 37,-
Seit fast zwei Jahrzehnten beschäftigt sich Peter Ryborz in seinem Kreativ-Büro mit der Wiener "Unterstadt". Vor 15 Jahren hat er gemeinsam mit dem Historiker Marcello La Speranza und dem Journalisten Alexander Glück den beeindruckenden Bild-Text-Band "Unter Wien" geschrieben. In gleicher Ausstattung hatte der deutsche Ch. Links-Verlag auch Bücher über die dunklen Welten Berlins und den Untergrund von Paris ediert. Doch anders als diese Städte kann Wien nicht nur mit Bunkern, Gewölben oder Schmugglern aufwarten. Die Leser sollten sich "auf den Spuren des Dritten Mannes durch Kanäle, Grüfte und Kasematten" begeben.
Jetzt ist im BoD-Verlag (Books on Demand) "Unter Wien 2" erschienen, größer und dicker als die Erstausgabe. Der Umfang ist fast um die Hälfte angewachsen und umfasst nun auch die Entwicklungen der letzten eineinhalb Jahrzehnte. Der Text wurde zudem mit QR-Codes versehen, so findet man nun Farbbilder und Videos durch App's mittels Handy.
Einem "phantastischen Einstieg" folgt der Blick in die historisch ältesten Schichten, das römische Legionslager Vindobona, sowie Sagen und Fakten über die osmanischen Belagerungen 1529 und 1683. Auch Luftschutzbunker sind hier ein Thema. Weiter geht es zu Kulträumen, Grüften und Katakomben. Bevor der Stephansdom im Jahr 2000 eine Fußbodenheizung erhielt, untersuchten Archäologen und Zoologen das Terrain. Diese entdeckten in der subterranen Tierwelt ein bisher unbekanntes flügelloses Insekt, das sie nach dem Fundort "Megalothora Sanctistephani" nannten. "Keller und Archive" ist das nächste Kapitel übertitelt, das u. a. in das Depot der Gipsmodelle von Ringstraßen-Denkmälern unter der Hofburg, Tiefspeicher, zu Waschküchen und Toiletten führt. Apropos Hygiene: In der Folge lernt man Teile der unterirdischen Infrastruktur Wiens, wie Wasserleitungen, Kanalisation und Betriebsanlagen kennen. Gruselig gestaltet sich das "Leben unter der Stadt" für alle, die damit nichts zu tun haben (wollen). Vom "sozialen Bodensatz" oder der "Unterwelt im Untergrund" ist da die Rede. Wie sich Kommunikations- und Verkehrseinrichtungen, Rohrpost und U-Bahn, unter der Erde abspielen, schildert der folgende Abschnitt, ehe man in "imaginäre Unterwelten" gerät. Hier findet nun der Dritte Mann seine ausführliche Würdigung. Was aus den "Zukunftsperspektiven für die Unterstadt" wurde, ist Inhalt des zweiten Teils.
Seit der Jahrtausendwende hat die Entwicklung der U-Bahn konkrete Formen angenommen. Ihre 3., 4. und 5. Ausbaustufe sind teils realisiert, teils bis 2023 geplant. Die Stadtverwaltung sieht die Zukunft des Massenverkehrsmittels im vollautomatischen Betrieb. In "Unter Wien 2" gibt es viele "verkannte Perspektiven". Sie sind das eigentliche Thema von Peter Ryborz. 1996 begann er mit seinen Fackeltouren durch die Unterwelt mit Begleitung von Dudelsack und Trommeln im Wienflusstunnel. 100.000 Besucher nahmen an rund 500 Touren teil, die durch den Bau des Wienfluss-Hauptsammelkanals endeten. Doch der Kreativkünstler erfand andere Attraktionen: Film- und Theaterproduktionen, Wiener Unterwelten-Ball, Pyronimus, die Fackelratte als Maskottchen des Underground Club Vienna und vieles andere. Ein unerfreuliches Kapitel sind die ständigen Meinungsverschiedenheiten des Autors mit den Magistratsabteilungen, die er ausführlich dokumentiert. Dem gegenüber stehen "erlebte Anekdoten", Presseberichte und Zeugnisse von Teilnehmern der atemberaubenden Touren. Jetzt plant Peter van der Unterwelt ein Musical, die "West-River-Story" und schreibt abschließend: "Weiterhin bin ich der Ansicht, dass diese Stadt auf einem symbolischen Schatz sitzt, der noch lange nicht gehoben wurde … "