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Carl Wenzel Zajicek - Walter Öhlinger (Hg.): Rundpanorama von Wien#

Bild 'Panorama'

Carl Wenzel Zajicek - Walter Öhlinger (Hg.): Rundpanorama von Wien. Ansicht der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien vor Beginn der Stadterweiterung und Demolierung der Basteien im Jahr 1858. Edition Winkler-Hermaden, Schleinbach 2015. 13 Seiten Leporellos, 16-seitiges Textheft (Format des Leporellos offen: 386 x 21 cm. geschlossen: 29,7 x 21 cm). € 29,90.

2015 feierte Wien das 150-Jahr-Jubiläum der Eröffnung der Ringstraße. Etliche Autoren würdigten das Ereignis mit repräsentativen und aufschlussreichen Büchern. Die vorliegende Edition geht noch einen Schritt weiter zurück. Sie dokumentiert die von den Befestigungsanlagen umgebene Stadt in einer fast 4 Meter langen Rundansicht. Als diese entstand, war die Stadtmauer längst Geschichte. Carl Wenzel Zajicek (1860-1923), Sohn eines Hofuhrmachers und ausgebildeter Maler, hatte ein prominentes Vorbild, das Panorama von Emil Hütter (1835-1886). Dieser hatte die Anlagen kurz vor dem Abbruch in großformatigen Aquarellen dokumentiert, die zu den Schätzen der Österreichischen Nationalbibliothek gehören. Zajiceks Darstellungen befinden sich im Wien Museum, in dem Mag. Walter Öhlinger als Kurator für Stadtgeschichte wirkt. Er verfasste den aufschlussreichen Textteil, der das 1896 entstandene Werk erst verständlich macht.

Er schreibt über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Bildfolgen: "Zajicek folgte im wesentlichen Hütters Ansicht, doch brachten seine feinere Pinselführung und seine präzisere Technik viele Details stärker zur Geltung. Konzentrierte sich Hütter auf die Innenstadt und die sie umschließenden Mauern, widmete Zajicek seine Aufmerksamkeit in stärkerem Maße auch dem Umfeld. … das Glacis ist mit weit mehr Staffagefiguren und Fuhrwerken belebt und auch die von Hütter am rechten Rand weggelassene Leopoldstadt findet sich in Zajiceks Ansicht wieder."

Die im Lauf von eineinhalb Jahrzehnten demolierten, massiven Befestigungsanlagen Wiens gingen auf die erste Türkenbelagerung der Stadt 1529 zurück. Nach diesem Ereignis hatte man nach und nach anstelle der ursprünglichen, mittelalterlichen Stadtmauer eine verbesserte Befestigungsanlage errichtet, die 1672 fertig gestellt wurde. Die Befestigung nach italienischer Art war eine Abfolge von Basteien, die aus dem Mauergürtel vorragten, und Kurtinen, wie man die 300 bis 400 Meter voneinaner entfernten, bis 30 Meter hohen Wälle nannte. Im 17. Jahrhundert errichtete man elf niedrigere Vorbauten (Ravelins) und baute den Stadtgraben aus. Er umgab die Mauern, 20 Meter breit und sieben bis acht Meter tief, bei der Donau war er mit Wasser gefüllt. Vor den Verteidigungswerken herrschte Bauverbot. Das Glacis, das die Vorstädte von der Stadt trennte, wurde sukzessive breiter und erreichte schließlich 600 Meter. Kaiser Joseph II. ließ diese unwirtliche Zone als Erholungsraum ausbauen, die Bevölkerung zeigte sich begeistert. Eine Chaussee war geplant, die Staubwüste mit Grassamen besät, 2650 Bäume gepflanzt und für Beleuchtungskörper gesorgt. Gehwege und erste Gebäude, wie die spätere Albertina, entstanden. Napoleon ließ einen Teil der Befestigung in Nähe der Hofburg sprengen - Burgplatz, Burggarten und Volksgarten entstanden an ihrer Stelle. Um 1810 wurden neue Stadttore eröffnet. Doch die Beschaulichkeit währte nicht lange. Als Bollwerke gegen den "inneren Feind", das vorstädtische Proletariat, wurden große militärische Anlagen errichtet: Arsenal, Franz-Josephs-Kaserne (ehemals auf der Dominikanerbastei) und Rossauer Kaserne.

Der Künstler Franz Zajicek und der kompetente Herausgeber Walter Öhlinger laden zum Rundgang um die Innenstadt ein: Von der Biberbastei zum Fischertor, vom Neutor zur Löwelbastei, zur Hofburg, von der Augustinerbastei zur Seilerstätte und vom Karolinentor zu Franz-Josephs-Kaserne. Es war der Wille Kaiser Franz Josephs, dass 1858 mit dem Abbruch der Basteien begonnen wurde. Den Anfang machte die Schleifung der Fortifikationen an der Südostseite der Stadt, als Letzte fielen 1875 die Reste der Löwelbastei. 200 bis 1100 Taglöhner arbeiteten gleichzeitig mit Spitzhacke, Schaufel und Scheibtruhe. Sie bewegten 685.000 m³ Erde und 228.000 m³ Mauerwerk. Der Mühe Lohn waren für einen Mann umgerechnet 9 Euro pro Arbeitstag, der von 6 bis 18 oder 21 Uhr dauerte. Frauen verdienten die Hälfte. Ein Viertel der Abbruchkosten von 1,3 Mio. Gulden (ca. 10 Mio. Euro) kam durch Materialverkauf wieder herein. Die Meinung der Zeitgenossen über die einschneidendste Baumaßnahme der Stadtgeschichte war ambivalent: "Es schwärmten die Freunde des Fortschrittes von bezaubernden Idealen, sahen Paläste zu hunderten aus der Erde steigen und malten sich überirdisch schöne Gärten auf den Quais und eine neue unterirdische Welt im überwölbten Stadtgraben aus," zitiert Walter Öhlinger, "während Anhänger des Bestehenden darin den Umsturz ihrer althergebrachten liebgewordenen Gewohnheiten und ihrer Lebensordnungen sahen, finsteren Blickes über die Basteien schritten und auf den Sandwüsten des Glacis mit banger Brust wie zum wehmütigen Abschied herumirrten."