Peter Wegenstein: Wege aus Eisen in den Straßen von Wien #
Peter Wegenstein: Wege aus Eisen in den Straßen von Wien. Zur Geschichte der Wiener Straßenbahnen. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 128 S., ill., € 19,90
Seit 153 Jahren verkehren Straßenbahnen in Wien. Ihre Geschichte begann 1865 mit der Pferdetramway vom Schottentor nach Dornbach. Initiator war der Privatbetrieb der Genfer Firma Carl Schaeck-Jaquet & Co. Zwei Pferde zogen einen mit 36 Personen besetzten Waggon mit Metallrädern auf Schienen. Die Tagesleistung eines Pferdes lag bei knapp 25 km. Diese Antriebsart bestand bis 1903, doch suchte man schon früher Alternativen. 1883 bis 1922 waren Dampfstraßenbahnen im Einsatz. Die erste elektrische Linie in Wien wurde - einige Jahre nach Mödling, Gmunden und Baden - 1897 eröffnet. Damals versahen fast 4700 Tramwaypferde in der Hauptstadt ihren Dienst.
Nach einleitenden Grundsatzkapiteln konzentriert sich Peter Wegenstein auf die "Elektrische“. Nach der Elektrifizierung und dem Ausbau des Netzes lösten Ziffern und Buchstaben die Bezeichnung der Linien mit Symbolen ab. Die Ring-Rund-Linien erhielten die ersten Nummern. Die Tramway fuhr vom heutigen Julius-Raab-Platz über den Kai bis zur Schottengasse, 1869 mit 2 PS, seit der Jahrhundertwende elektrisch. Auf der Lastenstraße, parallel zum Ring, verlief die Zweierlinie. Sie wurde in den 1960er Jahren als "Ustraba" tiefer gelegt und 1980 zur U-Bahn-Strecke umgebaut.
Die Straßenbahnlinie 5 folgt bis heute ihrem ursprünglichen Verlauf. Als Pferdebahn nahm die "nördliche Transversallinie" im Weltausstellungsjahr 1873 vom Praterstern bis zur Nussdorfer Straße den Betrieb auf, Verlängerungen folgten bis Mariahilf. Fünfmal mussten wegen der Steigungen zusätzliche Pferde vorgespannt werden. Daher hat die Tramwaygesellschaft diese Strecke als erste elektrifiziert. Die "südliche Transversallinie" entspricht dem heutigen Sechser, neuerdings durch einen eigenen Gleiskörper aufgewertet. Hingegen sind die "Gürtellinien" 7, 8 und 18 nicht mehr in Betrieb. Außerdem legte man um 1900 "Rundlinien" an und nannte sie 9, 10 und 11.
Die Ziffern ab 21 waren für die zwischen 1907 und 1991 eingerichteten "Radiallinien" vorgesehen. Viele existieren nicht mehr, wie seit 2017 der 58-er vom Westbahnhof nach Unter St. Veit. Zahlreiche Fotos aus dem Archiv des Autors und anderer passionierter Eisenbahnfotografen illustrieren die detailreichen Texte. Bei den nördlichen Radiallinien zeigen sie beispielweise die Belastungsprobe der Notbrücke zum Ersatz der 1976 eingestürzten Reichsbrücke mit mehreren Zügen. Ganz aktuell präsentiert sich eine moderne Garnitur der Linie 26 zur Seestadt. Sie hät beim ehemaligen Aufnahmsgebäude der Dampftramway, dem jetzigen Bezirksmuseum Donaustadt. Weitere ausführliche Kapitel sind den Straßenbahnen in Richtung Nordwesten, Südwesten und Süden, Favoriten, Südosten sowie Osten gewidmet.
Die als Vollbahn gebaute Stadtbahn nahm zwischen 1898 und 1901 den Betrieb auf. Im Ersten Weltkrieg kam es zu Einschränkungen und schließlich zur Einstellung der mit Dampf betriebenen Stadtbahn. In den 1920er Jahren übernahm die Stadt Wien drei Linien und elektrifizierte sie. 1968 beschloss der Gemeinderat den Bau der U-Bahnen U1 und U2 und den Umbau der Wiental- und Donaukanallinie als U4. Die zunächst als Stadtbahn weiter betriebene Gürtellinie wandelte sich in den 1990er Jahren zur U6.
Bei der Stadtbahn gab es eine Besonderheit. Normalerweise bestanden die Fahrscheine aus Papier, bedruckt mit Feldern für die Stationen. Man kaufte sie beim Schaffner, der sie mit einer Lochzange entwertete. Bei der Stadtbahn bestanden eigene Fahrkartenschalter. Dort stellte der Kassier mit einer handbetriebenen Druckmaschine die Karte aus, die der Schaffner beim Bahnsteigzugang kontrollierte. Peter Wegenstein, der bei den Österreichischen Bundesbahnen beschäftigt war und etliche Eisenbahnbücher geschrieben hat, konnte das Kapitel "Fahrkarten" aus eigenen Beständen illustrieren. Darunter Ersatzfahrscheine für Schwarzfahrer oder Münzen, mit denen man bei Automaten für Kurzstrecken zahlen konnte. Es gab grüne Fahrscheine für Kinder bis 1,50 m. Wer größer war, durfte diese bis zum 14. Lebensjahr nur mit einem Kinderausweis verwenden. Nostalgie weckt ein Vorverkaufsschein aus dem Jahr 1963. Eine Kurzstreckenfahrt kostete damals einen Schilling. 2018 begann die Auslieferung der neuesten Generation von Straßenbahnwagen. Das letzte ganzseitige Foto zeigt eine Probefahrt auf dem Europaplatz.