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Notiz 054: Weshalb Lyrik?#

(Zum Lyrikwettbewerb von Fokus Freiberg)#

von Martin Krusche

Wenn eine Kulturplattform wie Fokus Freiberg einen Lyrikwettbewerb schultert, wenn das vom Bürgermeister vor Ort mitgetragen wird, bündeln sich darin Intentionen und Interessen mit einer kulturpolitischen Gewichtung, die näher betrachtet werden sollte.

Unternehmer Ewald Ulrich (Fokus Freiberg) und Bürgermeister Peter Moser (Ludersdorf-Wilfersdorf) spielen im Gemeinwesen ganz unterschiedliche Rollen, die sich in einigen Punkten gut mit den Parts anderer Kulturschaffender verknüpfen lassen.

Der mazedonische Künstler Milan Mijalkovic. (Foto: Martin Krusche)
Der mazedonische Künstler Milan Mijalkovic. (Foto: Martin Krusche)

Lyrik ist eine ausreichend knappe literarische Form, an der sich auch ungeübte Menschen mühelos versuchen können. Sie haben dabei eine gut Chance, interessante Ergebnisse zu erzielen. Man braucht keinen langen Atem. Eine Komposition kann in der knappen Form zügig gelingen oder offenbart sich schon nach kurzer Zeit als mißlungen, ohne Wochen an Arbeitszeit gefressen zu haben.

In einem Spiel mit Inhalt und Form wird das eigene Sprachvermögen leicht um Experimente erweitert, die man im Alltagsleben eher nicht versuchen würde. Das betont auf jeden Fall den Dialog mit sich selbst. Habe ich Worte für das, was in mir vorgeht?

Der gelingende Dialog mit sich selbst zählt zu den unverzichtbaren Grundlagen einer gedeihlichen Kommunikation mit anderen Menschen. Ergründen, was einen bewegt, sich ausdrücken und folglich auch sich mitteilen können.

Dialogfähigkeit#

Der gelingende Dialog mit sich selbst und mit anderen. Wer wüßte besser, welche Problemlagen hochgehen können, falls das mißlingt, als ein Unternehmer gegenüber seiner Belegschaft oder ein Bürgermeister gegenüber seiner Gemeinde? Aber im Grunde hängt jede Beziehung in ihrem Gedeihen - unter anderem - von diesem Gelingen ab; und sei es bloß die Beziehung zwischen zwei Leuten oder jene mit sich selbst.

Ein Lyrikwettbewerb ist daher die recht elegante Aufforderung, solche Aspekte an sich selbst zu überprüfen und auf ein Feld zu tragen, das sich relativ konfliktfrei gestalten läßt, weil es klare Regeln gibt. Zum Beispiel ein Kulturprojekt.

Dazu kommt ein besonders wichtiger Punkt des regionalen Kulturgeschehens. Die Frage: Konsumation oder Partizipation? Wir möchten alle gelegentlich unterhalten werden. Gut. Aber da gibt es vom Circus Maximus der Antike bis zur Unterhaltungsindustrie der Gegenwart auch Tendenzen des herrschaftlichen Zugriffs auf Menschen, den wir kritikwürdig finden. Konsumation kann nicht alles gewesen sein.

Was folgt daraus? Wir kennen die Wirkungen des „elektronischen Lagerfeuers“, um das herum ein ganzes Volk Abend für Abend hockt. Doch diese TV-Kultur ist längst in einer Medienkonvergenz aufgegangen, die uns derzeit noch tief irritiert. Das Internet hat unseren Alltag und unser aller Kommunikationsverhalten völlig verändert.

Aber die Lyrik#

Lyrik bietet einen geistreichen Schritt zurück in eine überschaubarere Kommunikations-Situation: der Dialog mit mir selbst. Mein individueller Ausdruck, bei dem ich mir wünsche, daß ich ganz persönlich wahrgenommen werde; jenseits aller Beliebigkeit. Die Achtsamkeit, weil Lyrik eine Form außerhalb unserer Alltagssituationen ist.

Was mir an dieser literarischen Form aber besonders zusagt, ist das dichte Bündeln unserer Denkmöglichkeiten. Wir denken in Worten, Bildern und in Emotionen. Die Emotionen belegen, daß unser Körper an allen Denk-Akten mitwirkt.

Lyrik hat nicht nur das Zeug, diese verschiedenen Möglichkeiten zusammenzufassen, sie kann auch genau in diesem Sinn gelesen werden. Da geht es nicht bloß um Satzwahrheiten, um konkrete Mitteilungen. In der Lyrik kann uns ein anderer Mensch sehr anschaulich und greifbar, weil poetisch gegenübertreten.