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Flocke: Alter Mann#

(Verdeckte Angelegenheiten)#

von Martin Krusche

Dies ist mein siebzigstes Jahr. Das auszusprechen ergibt eine merkwürdige Kollision der Annahmen. Ich hab für mich selbst keine nützlichen Bilder eines Siebzigjährigen vorrätig. Auch der Blick in den Spiegel hilft da nicht weiter. Der bestätigt zwar: ich bin ein alter Mann, nun übrigens älter als es mein Vater je wurde, aber es kommt mit meinem Begriff eines Siebzigjährigen nicht in Deckung.

Zu den holpernden Blödsinnen auf dem Weg in den letzten Lebensabschnitt gehören Sätze wie „Man ist so jung wie man sich fühlt“. Das unterstellt erstens eine rätselhafte Qualität des Jungseins und erweist sich zweitens als selbstreferenzielles Sprüchlein ohne Aussagekraft. Also: soziales Karaoke. Denn mindestens das läßt sich nicht ändern: es liegen sehr viel mehr Jahre hinter mir als vor mir.

Also hab ich schon vor Jahren begonnen, Männer, die älter sind als ich, darauf anzusprechen, sie zu fragen, was da auf einen zukommt. Es ist ja unmöglich zu ignorieren, welcher Umbruch sich allein körperlich und im verfügbaren Kräftehaushalt jenseits des Sechzigers auftut.

Inzwischen muß ich annehmen, daß in unserer vorherrschenden Männerkultur die Kerl-Posen dominieren, die mehr verhüllen als offenlegen. Blicke ich auf Achtzigjährige, finde ich gleichermaßen in realer sozialer Begegnung wie auch in medialer Vermittlung annähernd nichts von dem, was ich selbst berücksichtigen muß, um einen ausgewogenen Alltag hinzubekommen.

Nun könnte ich vermuten, ich sei selbst ein etwas schwächlicher Mann, der sich dem Altwerden verwehrt. Es hat mich aber, wie meine Biografie belegt, eine großzügige Natur weit belastbarer gemacht, als man es vom Durchschnitt erwarten darf. Dadurch weiß ich schon zu gut, wie aussichtslos es ist, wenn man einen körperlichen und mentalen Status vortäuschen möchte, dem man nicht mehr gewachsen ist.

Das stärkt meinen Verdacht, daß wir als Männer nicht einmal dann, wenn wir unter uns sind, einem offenen Austausch zugeneigt sind, der begreiflicher macht, was unvermeidlich ist und womit man seinen letzten Lebensabschnitt tauglich gestalten könnte. Ich hab in sicher acht von zehn Fällen erlebt, daß dieses Thema mit ein paar Scherzchen vom Tisch geschafft wird. (Fortsetzung)