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Hier hat mich eine Articifial Intelligence auf 90 Jahre getrimmt.
Hier hat mich eine Articifial Intelligence auf 90 Jahre getrimmt.

Flocke: Alter Mann VI#

(Die kulturelle Lücke)#

von Martin Krusche

Für mich ist das mittlerweile hinreichend geklärt. Ich hatte ab meinem 60. Jahr die Gewißheit, dies sei nun das Altwerden. Für mich ist heut, in meinem 70. Jahr, evident: ich bin ein alter Mann. Ich möchte diese Formulierung durch keinerlei Euphemismen wie „Senior“ verschleiert sehen.

Ich halte Adjektive wie „junggeblieben“ für dummes Geschätzt. Erstens bin ich schon so manchen überaus doofen Youngsters begegnet, zweitens kenne ich auch deren mildere Variante, nämlich junge Erwachsene, deren Horizont und Allgemeinwissen das schmale Format von einem schlanken Duschkopf haben.

Nun könnte ich wenigstens jene Jungen beneiden, denen ihr gütiges Schicksal einen unversehrten Körper bewahrt hat. Das sind freilich nicht alle. Recht viele Youngsters haben körperliche Beeinträchtigungen, die ich zum Glück nicht näher kenne.

Also was? Ganz einfach! Ich bin ein alter Mann mit dem großen Glück der Zeit und des Ortes meiner Geburt. Ich bin heute schon etliche Jahre älter, als es mein Vater am Tag seines Todes gewesen ist. (Ihm mußten 62 Jahre reichen.) Auch andere meiner männlichen Vorfahren und Verwandten blieben erheblich unter meinem Level, haben teilweise nicht einmal ihren Sechziger erlebt.

Für diese meine Lebensdauer, die hoffentlich noch etliche Jahre ausgibt, habe ich einen ganze banalen Peis zu zahlen. Um in der Welt zu sein, brauche ich meinen Leib. Der ist teils verschlissen und teils radikal weniger regenerationsfähig wie die Körper der Jungen. Außerdem muß ich für möglich halten, daß mich während der restlichen Jahre noch irgendeine Belastung, Erkrankung, oder ein Gebrechen erwischt.

Und? Würde mir nicht gefallen, gehört aber zum Preis, der für diese lange Zeit auf Erden abzuliefern ist. Das Ärgerlichste daran ist dieses umfassende Versagen der Gesellschaft, uns erstens mit den Gebrechen anderer Menschen und zweitens mit eigener Gebrechlichkeit vertraut zu sein. Eine schmerzliche kulturelle Lücke.

Hier hat mich eine Articifial Intelligence auf 80 Jahre getrimmt.
Hier hat mich eine Articifial Intelligence auf 80 Jahre getrimmt.

Auch daß ich seit vielen Jahren mühsam herumfragen muß, was mir als altem Mann bevorsteht, worauf ich mich vorbereiten könnte, finde ich gleichermaßen provokant wie ärgerlich. Zwar hab ich vor allem von Frauen meiner Generation einiges an nützlichen Hinweisen bezüglich Altsein bekommen, aber über den alternden Mann können sie mir naturgemäß nicht viel sagen.

Bliebe die Frage, ob wir Kerle einfach der doofere Teil der Spezies sind, oder ob es doch noch werden könnte, daß wir über dieses Altsein unbefangen und ohne Häme reden, ohne Witzeleien, daß wir uns darüber unterhalten, austauschen, ohne dazu ein spezielles, womöglich therapeutisches Setting zu brauchen.

Wir reden doch ebenso unbefangen über interessante Automobile, aufregende Bücher, bewegende Konzerte, fesselnde Filme, ohne daß es eine große Sache wäre. Und das Alter? Es ist bloß das Leben. Meines. Unseres.