Flocke: Der lyrische Türsteher III#
(Debatten und Kriterien)#
von Martin KruscheDer Beginn meiner Befassung mit Literatur hat ein konkretes Datum und handelt von Lyrik. Das war der 5. Oktober 1985, an dem ich im Rahmen eines Symposions von Amnesty International eine erste MUPID-Session hatte; da gab es das WWW noch gar nicht.
Ich konnte seither allerhand Wege und Konzepte erproben, wie Literatur webgestützt verfügbar sein mag. Was dann jüngst durch die Social Media entstanden ist, hat selbst unter uns Early Adopters der Netzkulturszene niemand kommen gesehen. Heute befasse ich mich diesbezüglich mit zwei Modi.
Erstens redaktionell begleitete Literaturvorhaben und zweitens eher offene Projekte mit begleitender Moderation. Im Redaktionsmodus bin ich der Gatekeeper und bestimme, was publiziert wird, was nicht. Als Moderator begleite ich ein recht offen gehaltenes Projekt und greife allenfalls nur dann ein, wenn jemand auf Kosten anderer Personen expandiert, dabei erste Signale zur Mäßigung übergeht.
So etwa in der von Autorin Karin Klug auf Facebook eingerichtete Leiste „Lyrik.Treff.Punkt“. Diese Plattform steht versierten Leuten und noch eher unerfahrenen Menschen gleichermaßen offen. Ich meine, Schreiben kommt vom Schreiben. Und vom Lesen. Mit den Ergebnissen muß man sich vor Publikum erproben können. So entsteht die Chance auf Entwicklung: Schreiben, lesen, publizieren. Dabei sind solche Web-Projekte nützlich.
Das soll – so hat es Klug festgelegt - ein recht freies Spiel der Kräfte sein. Außer jemand mißbraucht den „Lyrik.Treff.Punkt“ zum Beispiel als seine persönliche Bühne und fühlt sich bewegt, pro Tag x Beiträge raufzustellen. Das bedeutet, wo der Großteil des Publikums heute per Mobiltelefon dabei ist, werden alle anderen Beiträge auf dem kleinen Display runtergeschoben. In so einem Fall von Rücksichtslosigkeit greife ich ein.
Promotet ein Autor durch sein Werk ein eher problematisches Frauenbild, werden ich das ansprechen, notfalls Einschränkungen setzen. So auch bei politisch fragwürdigen Positionen oder Schlampereien.
Vor allem künstlerisch unerfahrene Leute nehmen gerne an, alles sei durch die Freiheit der Kunst gedeckt. Mumpitz! Natürlich darf jemand im Sinne einer Freiheit der Kunst alles denken und tun, was ihm/ihr vorschwebt. Kann man machen. Aber dabei ist niemand von Konsequenzen befreit. Gegebenenfalls werde ich also Rechenschaft verlangen. (Ich hab auch kein Problem damit, herabwürdigende Stoffe zu löschen.)
Lustiges Detail: In den wenigen Konfliktsituationen, die ich bisher erlebt hab, waren es vor allem literarisch eher unbedarfte Leute, die in meine Richtung Anlauf genommen haben, dabei auch meine literarische Kompetenz anzufechten beliebten.
Kratzt mich wenig. Das Web ist weit. Wer sich im Bereich meiner Zuständigkeiten nicht wohlfühlt, hat jede Freiheit, andernorts zu publizieren. Ich stütze mich heute auf über 60 Jahre permanente Leseerfahrung, bin dabei seit über 50 Jahren aktiver Autor mit einem Schwerpunkt auf Lyrik.
Was daher die Fragen nach dem Rang eines Textes angeht, diskutiere ich mit Hobby-Kräften nicht, denn die haben nur in ganz seltenen Fällen das Rüstzeug für eine anregende Debatte. Man muß das ja auch nicht drauf haben, wenngleich ich mich mit erfahrenen Leuten gerne über die Arbeit unterhalte.
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