Notiz 021: Ausgeschlafen, aber schläfrig#
(Steineklopfen im Büro)#
von Martin KruscheManchmal bin ich zwar leidlich ausgeschlafen, aber nach ein paar Stündchen Arbeit steht mein Hirn. Ich wüßte, was zu tun und zu sagen wäre, könnte mich dransetzen, aber es will nicht werden. Dann ist es mitunter Zeit zum Steineklopfen. So nenne ich Routinearbeit, die meinen Verstand nur minimal beansprucht und mich emotional geschmeidig bleiben läßt.
Steineklopfen. Also zum Beispiel das wöchentliche Aviso der van-site überarbeiten. Ich hab einige Jahre lang ignoriert, daß heute mutmaßlich weit mehr Leute über Smartphones ins Web schauen und Desktopgeräte längst im Hintertreffen sind. Nun also Ende 2019: (Link)
Wäre mir im 2019er Sommer nicht den alten Rechner niedergebrochen, ich würde heute noch auf Windows XP fahren und würde mit dem alten Frontpage 98 nächste tausend HTML-Pages bauen. Siehe dazu „Crash 2019“ (Windows XP ade!)
In der Stille des Tages und der Schläfrigkeit, die mich umhüllt, sollte also noch etwas möglich sein. Also ging ich mit dem Hammer aufs Aviso los, um etwas Schlacke von der wöchentlichen Übersicht herunterzuschlagen. Dabei wurde ich auf die frühen Einträge neugierig.
Im Jahr 1985 bin ich erstmals via MUPID online gegangen. Kurios, daß ich heute mit dem Mann arbeite, der das damals mit seinem Team entwickelt hat. Der Informatiker Hermann Maurer. Er schuf ein System, das vorwegnahm, was wir später mit Bulletin Board Systems gemacht haben und schließlich, als das Netze der Netze entstand, im WWW.
Heute treffe ich mich in der Regel einmal pro Monat mit Maurer, um Dinge zu bereden. Dinge. Meine Arbeit dreht sich um viele Dinge.
Es ist aktuell den Menschen nicht mehr geläufig, wie das Internet für uns erst zirka 1992 durch das Protokoll TCP/IP nutzbar wurde, wobei das World Wide Web nur ein Online-Dienst unter mehreren war. In den späten 1990ern wurden die WWW-Zugänge und der Webspace erschwinglich. Da habe ich zur Navigation auf meiner van-site eine Hausmetapher verwendet. Ein paar Jährchen später wurde es linear, da führte ich das Aviso ein, wie ich es bis heute nutze.
Im Momente denke ich darüber nach, kultur.at zu schließen. Dieser Teil hatte seinen Auftakt in einer Kooperation mit dem Romancier Walter Grond, als wir das Projekt "house: über das fremde und die peripherie" starteten. Das allein liegt nun rund zwei Jahrzehnte zurück, ist also in den Internetzeiten quasi Mittelalter.
Um noch ein Stück weiter zurückzugreifen, und meine Zeit in Hamburg zu markieren, kürzlich berichtete Der Standard, daß Autor Christian Ankowitsch den Berufstitel Professor verliehen bekommen habe, was ihm eine Laudatio von Franz Schuh einbrachte.
In Hamburg, wo wir Ende der 1970er für verschiedene Blätter gearbeitet hatten, wurden Texte noch in Schreibmaschinen gehauen, wahlweise nachts, nach Veranstaltungen, in Kneipen auf Zettel geschrieben und in einer Telefonzelle an eine der Stenotypistinnen des Verlages durchgegeben.
Die Layouter kamen mit ihren Utensilien in die Büros und zeichneten das Layout auf Standbögen, also auf Millimeterpapier. In der Druckerei saß der Setzer an der rasselnden Linotype, neben sich ein Bleibarren im offenen Kocher, um das alles handfest zu machen.
Ein paar Jährchen danach, in den frühen 1980ern, habe ich meinen ersten Computer gekauft, einen kompakten CP/M-Rechner mit heftigen 512 Kilobyte Arbeitsspeicher und 3 Zoll-Disketten. Genau! Ein halbes Megabyte mußte im Herzen des Kastens reichen.
Wir sind also alle merklich in die Jahre gekommen. Das steht für ungezählte Projekte und in meinem Fall für ein Docuverse im Web, das ich selbst nicht mehr umfassend kenne. Nun also zum Jahresumbruch von 2019 auf 2020 ein aufgeräumtes Aviso. Das sind die letzten Jahres des Langzeitprojektes „the long distance howl“.
- Startseite (Übersicht)