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Heinz Payer: Beuys, wie er dem toten Hasen die Bilder erklärt
Heinz Payer: Beuys, wie er dem toten Hasen die Bilder erklärt

Meine Post-Beuys-Befindlichkeit#

(Das „kunst ost-memo“ vom 22.01.2021)#

Von Martin Krusche#

Ist dieser Mann für uns heute noch wichtig, wenn wir uns fragen, wie die Kunst in die Conditio humana verwoben ist? Wer zur Kunst was sagen möchte, auch wenn ihm oder ihr dazu nichts einfällt, haut gerne diesen einen Satz von Beuys raus. (Muß ich den zitieren?) Aus der Antike kennen wir die Unterscheidung von

  • a) freien Künsten und
  • b) knechtischen Künsten

In heutiger Sprachregelung hieße das zum Beispiel Kunst und Handwerk. Selbstverständlich wird auf beiden Feldern teilweise aus den gleichen Quellen geschöpft. Selbstverständlich finden sich manche Verfahrensweisen in beiden Metiers. Symbolisches Denken und Abstraktion sind da wie dort nötig…

Konkret: im „Verhältnis Zentrum-Provinz“#

In der Oststeiermark hat eine kulturelle Reconquista stattgefunden. Die Hobby-Kräfte haben sich die Themenhoheit in der Kulturpolitik (zurück-) geholt, was von Politik und Verwaltung forciert wurde.
  • Dabei ist die Gegenwartskunst an den Rand gerückt.
  • Kritische kulturpolitische Debatten finden nicht statt.
  • Verfügbare Kulturbudgets landen sehr wesentlich im Marketing.

Daraus folgt unter anderem, daß Begriffe – wie Container genutzt – ganz beliebig mit Inhalten befüllt werden. Was teilweise unter die Flagge der Kunst gestellt wird, fällt in Genres zwischen privatem Basteln und Garten-Deko. Im Rennen um Ressourcen scheint sich eine Art von Guerilla-Marketing zu bewähren.

Kulturbudgets werden für andere Zwecke gekapert. Ist das auch im Landeszentrum zu finden? Derlei völlig diskursfreies Fechten um Ressourcen führt häufig zu einem schlampigen „Beuyseln“.

Mit Beuyseln meine ich ein sinnentstelltes Zitieren von Beuys wie etwa den völlig niedergerittenen Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ (wie eingangs schon angedeutet). Es zeigt sich als ein praktisches Ausplündern des Beuys’schen Oeuvres. Es verstellt auch den Weg auf eine kritische Betrachtung des Künstlers Josef Beuys.

Vieles, was derzeit mit Berufung auf Beuys geschieht, ereignet sich nicht einmal auf dem Niveau jenes „Club 2“ von 1983, in dem er etliche seine Kriterien ausführlich darlegt. (Link) Eine der prägnanten Stellen in dieser Debatte: „Nicht jeder Mensch ist ein Maler!“ (Link)

Andy Warhol und Joseph Beuys 1980 in Neapel. (Foto: Mimmo Jodice and the CODA Museum, CC)
Andy Warhol und Joseph Beuys 1980 in Neapel. (Foto: Mimmo Jodice and the CODA Museum, CC)

Kontext#

Es ist im steirischen Kulturgeschehen leicht zu finden, wie
  • a) Kunstschaffende einerseits mit halbseidenen Argumenten denunziert werden und
  • b) andrerseits Kunstbegriffe auch unter manchen Kunstschaffenden nebulös bleiben, sie wie „Duftmarken“ im Sinne von Distinktions-Akten zu benutzen, zu verwerten.

Das sind Zusammenhänge, die ein geistiges Klima belasten bis beschädigen. Wenn dann auch noch Kulturbudgets verbraten werden, um Garten-Deko als „Kunstwerke“ zu bemänteln und so die PR-Budgets etablierter Büros aufzufetten, ist der nächste Schaden angerichtet.

Eine Post-Beuys-Situation#

Beuys muß heute nicht mehr als Wegweiser betrachtet werden. Wir sind viele der möglichen Wege schon gegangen. Aber er hat klar gemacht, daß die Zukunftsfähigkeit eines Gemeinwesens sehr wesentlich an der Qualität des geistigen Lebens einer Community hängt.

Das ist heute brisanter als noch kürzlich, weil wir uns mitten in der Vierten Industriellen Revolution befinden und dabei einen radikalen Umbruch erleben, der das Verhältnis von Menschen zu ihren Maschinen völlig aufbricht.

Stichwort: „Prometheische Scham“#

So nannte Philosoph Günther Anders die Erfahrung, wenn ein Mensch in Kompetenzen von einer Maschine übertroffen wird. Heute geschieht das durch neue Maschinentypen und selbstlernende Systeme. Das regt aber auch an, die Conditio humana aktuell zu verdeutlichen, neu zu bestimmen. Genau solche Prozesse sind seit Jahrtausenden mit den Optionen der Kunst verbunden.

In diesem radikalen Umbruch, der längst die Mitte der Gesellschaft und unser aller Alltag erreicht hat, bekommt ein anderes Beuys-Zitat großes Gewicht: „Wer nicht denken will, fliegt raus“. („sich selbst“) Siehe dazu: (Link)

Bruchlinien#

Die Corona-Pandemie ist nicht der Grund für ein aktuelles Kämpfen um Ressourcen, bei dem Inhalte leicht auf der Strecke bleiben. Das hat eigentlich schon 2010 begonnen, da uns die Folgen der amerikanischen Wirtschaftskrise (Lehman Bros. etc) von 2008 erreicht hatten.

Ab da kam der steirische Kulturbetrieb dynamisch unter Druck, was sich spätestens 2015 in merkwürdigen Verschiebungen und auch Malversationen gezeigt hat. Dazu fügte sich nun eben die Pandemie mit Lockdown und anderen Konsequenzen.

Plötzlich ist das Wettrennen um Ressourcen sprunghaft härter geworden. Und wir spüren das enorme Manko, daß wir wenigstens zehn, 15 Jahre keine konsequenten kulturpolitischen Diskurse geführt habe; als öffentliche Diskurse. Siehe dazu die Notiz: „Mein Kontinent III“ („Die Jahre 2010, 2015 und 2020 haben noch einige sehr deutliche Markierungen vor dieser schon erwähnten Hintergrundfolie.“)

Krusches Arbeitsplatz am 28.4.2018, Schloß Freiberg
Krusches Arbeitsplatz am 28.4.2018, Schloß Freiberg

Also wäre interessant zu klären#

  • Markiert Beuys die letzte allgemein bekannte Position kulturpolitischer Diskurse, welche breiteren gesellschaftlichen Konsens erreicht hat? (So sehr nämlich, daß sich sogar auch Hobby-Leute, denen die Gegenwartskunst fremd bis egal ist, auf Beuys berufen.)
  • Ergibt Markus Lüpertz einen nach wie vor aktuellen Referenzpunkt, wenn er betont, in der Kunst gehe es um Qualität und um Vollendung?
  • Hat die sehr aufs Dynamische ausgelegte Kunsttheorie von Boris Groys für uns Nutzen? (Werke und Prozesse werde valorisiert oder trivialisiert, oft mehrfach wechselnd…)
  • Kennen wir jüngere Positionen und Thesen, die Beachtung finden sollen?
  • Nützen uns beim Erkunden der Höhe der Zeit auch ältere Konzepte, wie etwa die Russische Avantgarde und Dada?
  • Wie hängt das mit Auffassungen und realer Ressourcenverteilung im Konzept „Zentrum-Provinz“ zusammen, wo wir in einer völlig neuen informationellen Umwelt leben? (Info-Sphäre!)

Was es jüngst gab (Einige meiner Akzente)#

Zusammenhang: Das 19. von 20 Jahren#

…von „The Long Distance Howl“, aktueller Abschnitt: „Next Concept Vertigo