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Der passende G-Wagon im Dezember.
Der passende G-Wagon im Dezember.

Mythos Puch: Hintergrundfolie II#

(Einige Details, Status quo 2024)#

von Martin Krusche

Ich höre von Laien zuweilen atemberaubende Einschätzungen betreffs der Zukunft des Automobils. Ansichten, die wohl darauf begründet sind, daß jemand Auto fährt, sich dadurch für kompetent hält, den Status quo zu kommentieren.

Ich traue mir das nicht zu. Dabei bin ich mit dem Themenkomplex seit Jahrzehnten befaßt, unterhalte mich laufend mit Professionals aus verschiedenen Segmenten der Branche. Es ist eine verwirrende Situation von extremer Komplexität.

Wir stecken mitten in einem atemberaubenden Technologieumbruch. Und das in Jahren, die uns einerseits enorme weltwirtschaftliche Verschiebungen bescheren, andrerseits Kriegsdrohungen von erheblichem Ausmaß aufbürden.

Mitten in dieser konfusen Situation ist die in Graz gebaut G-Klasse ein irritierender Sonderfall, ein enormer wirtschaftlicher Erfolg. Freilich sind die aktuellen G-Wagons längst von einer völlig anderen Technologie und Dimension, als seinerseits der Puch G. Genau das, diese Transformation, sehe ich als ein generell nützliches Beispiel auf symbolischer Ebene, eine Besonderheit im Geflecht von Industrienationen.

Ich versuche, das für 2025 in einer Veranstaltung zu bündeln, die unter anderem auch mit künstlerischen Mitteln eine Vorstellung anbietet, welche Wege in diese Gegenwart geführt haben. Das wird mit Objekten zu zeigen sein, aber auch mit Zeichnungen, Malerei und Fotografie.

Es ist verwirrend!#

Ich vermute, den meisten Menschen, die heute ein Auto fahren, ist nicht vertraut, wie diese Branche inzwischen funktioniert; von der Entwicklung zur Produktion, von der Fabrik auf die Märkte. Und das in einem Gemenge technischer Konzepte, da wissen teilweise auch erfahrene Profis noch nicht, wo nun die Reise hingeht.
Grazer Voiturette: der Albl Phönix von 1902.
Grazer Voiturette: der Albl Phönix von 1902.

Der Rückblick zeigt uns Motive, die längst Geschichte sind. Wer noch in solchen Dimensionen denkt, kann die Gegenwart der Industrie nicht entschlüsseln. Ein Beispiel. Altmeister Johann Puch war nach seinem Militärdienst in Graz erst einmal Angestellter. Zum Beispiel als Servicekraft bei Luchscheider, wo Nähmaschinen und Fahrräder gewartet wurden. Oder als Handwerker bei Benedict Albl, wo vorzügliche Fahrräder produziert wurden und mit dem Albl Phönix auch eine Voiturette, ein kleines Automobil, auf den Markt kam.

Als sich Puch mit eigener Werkstatt selbstständig machte, erwies er sich nicht nur als ausgezeichneter Unternehmer, sondern auch als äußerst smarter Werbestratege. In der Expansion Richtung Fabrik zeigte sich schnell, daß sich mit dem aktuellen Betrieb die nötigen Mittel für Innovation und Erweiterung nicht erwirtschaften ließen.

Das wies den Weg Richtung eines wohlhabenden Privatiers als Teilhaber. Das verlangte nach Fusionen und nach Deals mit Banken. Dieses erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wirkt da aus heutiger Sicht recht überschaubar.

Noch vor dem Großen Krieg setzte in Europa wie in den USA die Zweite Industrielle Revolution ein. Diese Automatisierungswelle verlangte enorme Investitionen. Da konnte der Unternehmer nicht mehr Pater familias im „ganzen Haus“ (Oikos) sein, wo er über die privaten und wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmte. Arbeitsteiligkeit machte Kategoriensprünge.

Was soll das?#

Ich denke, man sollte von Geldgeschäften, Kapitalismus und Welthandel wenigstens eine Hauch von Ahnung haben, um zu begreifen, was derzeit in Sachen Mobilität geschieht. Wie hängen diese Dinge nun mit unserem Thema „Mythos Puch“ zusammen?
Grazer Rarität: die Puch Voiturette von 1906.
Grazer Rarität: die Puch Voiturette von 1906.

Johann Puch gilt zurecht als Paradebeispiel eines Fabrikanten der alten Art. Vom Lehrling zum versierten Handwerker. Vom Hackler zum Industriellen. Und das auf eine Art, die seinen Namen nicht nur zu einer klingenden Marke werden ließ, sondern zu einem Stück heimischer Folklore. Das ist aber alles 19. und 20. Jahrhundert. Das ist erste und zweite industrielle Revolution. Wir sind nun in der vierten angekommen.

Mindestens in der Steiermark, aber vermutlich quer durch Österreich, wird die G-Klasse von Mercedes-Benz auch immer noch als Puch G gedacht. Der Mythos ist eine Sache, die Realwirtschaft eine andere, für die ich mich freilich interessiere. Tom Arnold notierte im „Industriemagazin“ am 5.8.2024:

„Die angespannte Lage zeigt sich deutlich in den Produktionszahlen des Grazer Werks: Im ersten Halbjahr 2023 wurden dort 60.800 Fahrzeuge montiert, in der ersten Hälfte dieses Jahres waren es nur noch 40.900 – ein Rückgang um ein Drittel. Im Halbjahresbericht wird auf die herausfordernde Situation in Graz hingewiesen, die auch erheblichen Personalkürzungen führt: Die Komplettfahrzeugfertigung leidet unter Unsicherheiten. Genannt werden die Insolvenz von Fisker sowie das bevorstehende Ende der Produktion der Jaguar-Modelle E-Pace und I-Pace (Ende 2024), des BMW Z4 und des Toyota Supra (2026) sowie die Entscheidung von Ineos, das Fusilier-Programm nicht fortzusetzen Der britische Autohersteller hat entschieden, das Modell doch nicht in Graz zu fertigen.“ (Der Vorlauf) (Fortsetzung folgt!)