Mythos Puch: Abräumen und Aufräumen#
(Schritte zurück in die Denkräume)#
von Martin KruscheKonstrukteur Markus Rudolf war einer der Leihgeber, von denen ich für unsere 2025er Session außergewöhnliche Exponate bekommen hab. Der Techniker ist Sohn eines Technikers, also mit dem Generalthema, das mich beschäftigt, gut vertraut. Ich frage gerne erst einmal sachkundige Menschen wie ihn nach einer Einschätzung des Zustandes der europäischen Automobilbranche, statt den populären Polemiken zu folgen.
Das betrifft Innovationssprünge, Marktveränderungen, Paradigmenwechsel und speziell Fragen der Deindustralisieung, was die Arbeitsplatzsituationen mancherorts radikal verändert. Dazu meint Rudolf unter anderem, die Deindustralisieung sei ja weltweit längst im Gange; im Sinn eines fundamentalen Strukturwandels. Wir hätten bloß erst jetzt in Europa eine erhöhte Aufmerksamkeit dafür.
Um besser zu verstehen, was da global gerade passiert, nützt freilich etwas Geschichtskenntnis. Die drei Tage in der vormaligen k.k. Poststation Gleisdorfs waren bloß Teil eines Prozesses, mit dem wir befaßt sind. Ich denke, es konnte diesmal etwas anschaulich gemacht werden, daß Wagen - seit es sie gibt - nie bloß Vehikel gewesen sind.
Wer heute betont, Autos seien nur dazu da, um von A nach B zu kommen, hat damit bloß eine Funktion im Auge, die Raumüberwindung, ignoriert alle anderen. Es zeugt von einer merkwürdige Blasiertheit, bloß diese eine Eigenschaft anzuerkennen, um dabei mindestens implizit alle anderen Funktionen als Unfug abzutun.
Bis zur Digitalen Revolution war das Automobil ein Hauptereignis der Industriemoderne und wurde dabei zu einer Art Generalfetisch unserer Kultur. Ob einem das paßt oder nicht, der Generalfetisch Automobil ist ein derart komplexes Thema, daß man ohne Trennschärfe in den Diskussionen zu keiner tauglichen Erkenntnis kommen kann.
Ich treffe gelegentlich auf Menschen, die mir dieses breite Thema sehr einfach wegwischen. Sie werfen mir entgegen, daß man über diese „Stinker, Krawallkisten und Dreckschleudern“ nicht viel diskutieren müsse. Eine lustige Position, wenn sich einrechnen läßt, daß diese Argumente aus den Anfängen des Automobils überliefert sind. Genau das waren Vorwürfe, zu denen dann noch neue Arten der Verkehrsunfälle kamen, worauf die Behörde scharf reagierte und im Jahr 1905 Nummerntafeln ausgab.
Ab dann mußten Kraftfahrzeuge registriert und somit deren Besitzer identifizierbar sein. Wer also das Thema auf „Stinker, Krawallkisten und Dreckschleudern“ eindampft, hat im Denken 120 Jahre der Entwicklung verschlafen. Ökologie ist dabei bloß ein relevanter Aspekt. Mich interessieren speziell soziokulturelle Zusammenhänge. Und jene subkulturelle Nischenwelt, in der noch andere Kompetenzen zählen, als bloß Rationalität. Weshalb? Weil ich überzeugt bin, ausnahmslos jeder Mensch hat kulturelle und spirituelle Bedürfnisse. Was das mit Autos zu tun hat? Na, raten Sie! (Siehe dazu auch: Mythos Puch: Wunderbare Exponate: Ohne famose Leihgeber wär es nur das halbe Vergnügen)
- Mythos Puch 2025 (Dokumentation)