Raum • Zeit • Freiheit#
(Zur Landkarte der Bedeutungen)#
von Martin KruscheVier steirische Kunstschaffende bereiten sich eben auf ihren Beitrag zu einer Gruppenausstellung in Gleisdorfs ungarischer Partnerstadt Nagykanizsa vor. Gleisdorfs Kulturreferent Karl Bauer hat mit seinen Kollegen das Thema „Styria goes Hungary“ unter den speziellen Titel „Grenzenlose Freiheit!“ gestellt.
Reden wir also darüber, was dieses Thema nahelegt und was es zuläßt. Zum Archipel-Team gehören Malerin Martina Brandl. Architekt Joachim Karner, Fotograf Richard Mayr und Fotografin Roswitha Wesiak. Gehen Sie davon aus, daß sich dieses Quartett ein raffiniertes Statement zum gegebenen Thema erarbeitet hat, das einerseits über die einzelnen Aussagen funktioniert, andrerseits ein Ganzes ergibt. Dazu sind die titelgebenden Stichworte Raum, Zeit und Freiheit im Fokus.
Hintergrundfolie#
Sobald ein Menschenkind sich auf eigenen Beinen bewegen kann, wird eine spezielle Kompetenz enorm wichtig: Wo ist – bezogen auf meinen Körper - vorne, hinten, links, rechts, oben und unten? Diese Orientierung im Raum ist eine lebenswichtige Kategorie. Dazu machen wir allerhand soziale und kulturelle Erfahrungen; etwa mit der Einschränkung von Bewegungsfreiheit oder mit dem Verrinnen von Zeit. Außerdem haben wir - als Glückskinder der Menschheitsgeschichte - viele Möglichkeiten, um in der Raumüberwindung nicht mehr bloß auf die eigene Körperkraft oder auf ein Pferd angewiesen zu bleiben.Dazu wäre erwähnenswert, daß die Volksmotorisierung in Österreich erst Ende der 1950er Jahre eingesetzt hat, um individuelle Mobilität über den Privatbesitz eines Automobils zu erweitern. (Keineswegs ein globales Phänomen!)
Unsere mediale Umwelt und unsere persönliche Beweglichkeit geben den natürlichen und den politischen Grenzen auf dieser Welt längst ganz neue Dimensionen, wie sie noch vor dem Zweiten Weltkrieg für den Großteil unserer Bevölkerung so nicht gegeben waren.
Das kam unter anderem, weil wir seit gut zweihundert Jahren in einer permanenten technischen Revolution leben. Die hat eine enorme Tendenz zur ständigen Beschleunigung. Außerdem hat sie uns aktuell in einen technischen und kulturellen Umbruch geworfen, der so radikal ist, wie zuletzt in der griechischen Antike. Damals wurden grundlegende mechanische Maschinensysteme entwickelt und der Schriftgebrauch setzte sich zunehmende durch.
Heute sind es selbstlernende Systeme und Varianten einer „Künstlichen Intelligenz“, also der Maschinenintelligenz, die sowohl Technik, aber auch Sprachgebrauch und Kultur grundlegend verändern. In diesen Kräftespielen müsse wir aktuell klären: „Was ist der Mensch?“ Wie gestalten wir unser Verhältnis zu den von uns geschaffenen Werkzeugen und Werkzeugsystemen? Vor allem, weil heute Maschinen viele Dinge besser können als der Mensch.
Also wenden wir künstlerische Mittel an, um zu dieser Klärung etwas Essenzielles beizutragen. Das hat auch seine historischen Zusammenhänge, gerade in der Nachbarschaft von Österreich und Ungarn. Nun ahnen Sie vielleicht, daß der Titel nicht zufällig Raum und Zeit in einer Zeile nennt. Zieht man das zusammen, haben wir Raumzeit, beziehungsweise das Raum-Zeit-Kontinuum. (Darauf gehe ich später noch näher ein.) Darin liegt auf jeden Fall ein Hinweis auf die Relativitätstheorie, auf Quantenphysik, auf Erkenntnisse, die aus dem späten 19. Jahrhundert heraus das Denken über uns und die Welt radikal verändert hat.
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