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Karakuri ningyō: Humanoider Roboter von Hisashige Tanaka. (1799 – 1881, Foto: Masayuki Inamasu, CC BY-SA 4.0)
Karakuri ningyō: Humanoider Roboter von Hisashige Tanaka. (1799 – 1881, Foto: Masayuki Inamasu, CC BY-SA 4.0)

Kunst und Kunstsimulation#

(Die KI schafft von sich aus bloß Dekorationsgegenstände II)#

von Martin Krusche

Die großspurige Meldung besagt: „Ai-Da is the world's first ultra-realistic artist robot.“ Naja, da empfehle ich einen Blick auf das japanische Genre Karakuri ningyō, das seine Wurzeln im 18. und 19. Jahrhundert hat. (Jede Zeit hat ihre technischen Möglichkeiten.)

Die Ai-Da-Propaganda weiter: „She is capable of drawing and painting using cameras in her eyes, AI algorithms, and her robotic arm. She is a performance artist, designer and poet.“ Ist sie nicht.

Aber sie simuliert solche Kompetenzen. Das schafft nach meiner Auffassung Dekorationsgegenstände, die allerdings zu Kunstwerken valorisiert werden können. (In der PR der Firma, die das Spektakel veranstaltet, sehe ich im Augenblick vor allem das, was Ariadne von Schirach „Behauptungspornografie“ nennt.)

Futurezone notierte: „Ein humanoider Roboter namens Ai-Da hat ein Bild gemalt, das am Donnerstag bei einer Auktion in New York 1,08 Millionen US-Dollar erzielte. Umgerechnet wären das etwa 993.600 Euro.“ Soweit ich sehe, ist das mehr ein Beitrag zum Thema Markt und Kapitalismus, aber vorerst noch kein bedeutender Beitrag zu Fragen der Kunst.

Was ist der Fall?#

Ich hab kein Problem mit dem, was Philosoph Günter Anders „Prometheische Scham“ nannte. Damit meinte er Emotionen, die sich zeigen können, wenn ein Werkzeug Menschen in bestimmten Eigenschaften übertrifft. Das kennen wir, seit Menschen Steinbeile und Speerschleudern erdacht haben. Es ist fixer Bestandteil der menschlichen Kultur.

Nun aber: Eine Maschine, die wie eine Schießbudenfigur mit billiger Perücke aussieht, malt unter anderem Bilder. Portraits. Auf dem Markt reüssierte jüngst ausgerechnet das Antlitz von Alan Turing. Ein brillanter Mathematiker und Computerexperten, der wegen seiner Homosexualität hart unter Druck gesetzt wurde.

Kunst lebt ganz wesentlich von Kontext. Was ist nun die Story? Alan Turing erlitt Gefängnis, Psychiatrie, schließlich die chemische Kastration. Der Mann ist wegen seiner sexuellen Orientierung physisch und psychisch zerstört worden, Er nahm sich 1954 das Leben.

Dadaismus: „God“ von Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven und Morton Schamberg.
Dadaismus: „God“ von Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven und Morton Schamberg.

Daß der Galerist Aidan Meller die eingangs erwähnte Maschine „Ai-Da“ bauen und als weiblichen Android kostümieren ließ, sei angeblich eine Referenz an die Mathematikerin Ada Lovelace. Meller schmeißt sich also an zwei historische Größen des Genres heran, an Lovelace und Turing. An dem ganzen Plot finde ich keinerlei Esprit. Kein zündender Funke belebt die Geschichte.

Was wir als „Menschliche Intelligenz“ bezeichnen, ist bis heute eine trübe Kategorie und Gegenstand laufender Debatten. Was demnach „Künstliche Intelligenz“ sei, sehe ich vorerst vor allem als Kategorie des Marketings, hinter der wir einige interessante technische Fragen finden.

Und die Kunst?#

Was Belange der Kunst angeht, stehe ich im Lager von Nelson Goodman und Boris Groys. Was demnach Kunst sei und vor allem wann Kunst sei, bleibt vom Kontext abhängig. Daraus ergibt sich die jeweils aktuelle Bedeutungszuweisung. Ich bin mit Groys der Ansicht, wir valorisieren Artefakte und Prozesse, um sie zum Kunstwerk aufzuwerten.

Aber selbst was längst im Kunstkanon vermerkt ist, kann auch wieder trivialisiert werden und verlöre dadurch den Status eines Kunstwerkes. Daraus folgt, daß freilich auch die Arbeit von Ai-Da zu Kunstwerken aufgewertet werden kann. Mir fehlt dazu aktuell die kohärente Begründung, die ja vielleicht noch kommt.

Die Kunstgeschichte bietet uns dafür allerhand Beispiele. Sogar was als „Antikunst“ intendiert war, kann in Kunstsammlungen ankommen, kann Marktwert erlangen, wird eventuell zu einem Teil des Kunstkanons. (Denken Sie an den Dadaismus!)

Weshalb das so ist? Weil wir die Kategorie „Ewige Werte“ getrost der Theologie überlassen können. Die Kunst ist eine lebhafte Domäne innerhalb der Conditio humana. Sie wurzelt in der menschlichen Fähigkeit zum symbolischen Denken und dient diesen Möglichkeiten in jedem nur denkbaren Sinn.

Wenn Sie dagegen Gewißheit und Sicherheit suchen, empfehlen sich andere Genres. Es ist wie in der Wissenschaft, wo wir die Grundlagenforschung von den angewandten Formen unterscheiden. Wahrnehmungserfahrungen und Erkenntnis müssen sich dabei nicht zwingend auf dem Markt bewähren. Wir suchen sie um ihrer selbst willen, mehr noch: um unser selbst willen.



Weiterführend#

Zum Stand der Debatte darüber, was nun menschliche Intelligenz sei und was Artificial Intelligence, finden Sie hier einige Beiträge: