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Monika Lafer arbeitet manchmal mit Segmenten, um ein großes Format unter Kontrolle zu haben.
Monika Lafer arbeitet manchmal mit Segmenten, um ein großes Format unter Kontrolle zu haben.

Trail, Protokoll #12: Poesie und Praxis#

(Archipel Gleisdorf)#

von Martin Krusche

Ich hab nun mit einem Kreis höchst unterschiedlicher Persönlichkeiten einen Prozeß in Gang gesetzt, der es nahelegt, daß wir unsere Begriffe überprüfen.

Was genau ist womit gemeint? Ich halte das für unverzichtbar, wenn in einem dynamischen Verfahren ein Höchstmaß an Autonomie gesichert sein soll.

Selbstbestimmung als Qualität im Kontrast zu Alltagssituationen mit ihren unterschiedlichen Verpflichtungen.

Es ergibt sich für mich dabei die Notwendigkeit, manche Belange in der griechischen Philosophie und in alten Theaterstücken nachzulesen. Aus zwei Gründen.

Dramatiker wie Aischylos oder Sophokles bieten mir Schilderungen menschlicher Eigenschaften, die mir beim Nachdenken darüber helfen, was heute die Conditio humana sei. Philosophen wie Sokrates, Platon und Aristoteles haben sich zu ihren Zeiten darum bemüht, Begriffe zu klären.

Was bedeutet was?#

Zu meinen bevorzugten Mantras zählt diese: Wenn wir keine Begriffe haben, wissen wir nicht, worüber wir reden. Nun wäre aber kollektive Wissens- und Kulturarbeit, wie ich sie erleben will, nicht realisierbar, wenn wir einerseits a) auf die Vielschichtigkeit der Persönlichkeiten im Team bestehen würden, uns dabei aber andererseits b) mit unklaren Begriffen zu verständigen suchten.
Wir sind laufend gefordert, uns über Modus und Methode klar zu werden, egal, ob für sich oder im Team.
Wir sind laufend gefordert, uns über Modus und Methode klar zu werden, egal, ob für sich oder im Team.

Hier ist nun schon betont worden, daß ich die literarische/künstlerische Poesie und eine Poesie des Mechanischen gemeinsam beachtet und bearbeitet sehen will. Zwei große Themenbereiche, die ich in Wechselwirkung sehe.

Dazu hat Malerin Monika Lafer nun betont, wir sollten uns auch über Methoden verständigen. Verfahrensweisen. Klar machen, weshalb wir etwas wie tun. Dazu hat sie mir jüngst in ihrem Atelier geschildert, wie sie in ihrer aktuellen Arbeit gerade vorgeht.

Poesie und Praxis#

Poesie steht also kategorial im Kontrast zur Praxis. Was man dabei jeweils tut, heißt im Altgriechischen poiein und prattein. In der Poiesis geht es um das Herstellen (poiein) von etwas mit bestimmten Eigenschaften. In der Praxis geht es um ein Handeln (prattein), welches ein gutes Leben ermöglicht.

Um ein simples Beispiel zu geben, wenn ich einen Tisch baue, der von einem Sessel oder anderen Dingen zu unterscheiden sein soll, brauche ich ein Konzept. Ich muß eine Vorstellung haben, nach welchen Regeln ein Tisch seine erwünschte Funktion erhalten kann. Das Machen als ein Herstellen: Poiesis. Wenn ich einen verfügbaren Tisch nach einem Gastmahl säubere, allenfalls einen kleinen Schaden an seiner Oberfläche wegpoliere, dann ist das Handeln, also: Praxis.

Handwerker Franz Lukas, den ich im vorigen Protokoll vorgestellt habe, erzählte mir von einer typischen Situation mit seinem Enkelkind. Felix sagt: „Opa, mach ma was!“ Franz fragt: „Hast du einen Plan?“ Und wenn Felix weiß, was er möchte, geht es in die vorzüglich ausgestattete Werkstatt von Franz.

Franz Lukas zum traditionellen Handwerk: „Das wird sich alles ändern, denn das Herkömmliche ist zu mühsam.“
Franz Lukas zum traditionellen Handwerk: „Das wird sich alles ändern, denn das Herkömmliche ist zu mühsam.“
Zwei meiner Mentoren bei der Arbeit am „Mythos Puch“: Fredi Thaler (rechts) und Manfred Haslinger.
Zwei meiner Mentoren bei der Arbeit am „Mythos Puch“: Fredi Thaler (rechts) und Manfred Haslinger.

Dazu paßt, was mir Altmeister Fredi Thaler über die Arbeit mit seinem Enkel erzählt hat, weil der kleine Bub unter seiner Aufsicht auch mit heiklem Werkzeug hantiert. Fredi: „Ein Kind, das nichts darf, wird ein Erwachsener, der nichts kann.“

Für die altgedienten Handwerker gilt übrigens gleichermaßen, was Franz Lukas so formuliert hat: „Jeden Tag in der Werkstatt immer wieder die Frage, wie ich das jetzt am besten mach.“ In der Antike kannte man so ein Bemühen als eine Anstrengung „das Seinige zu tun“. Heute würden Handwerker eventuell sagen, es gehe darum. „eine Sache um ihrer selbst willen gut zu machen“'.'