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Historiker Yair Hirschfeld
Historiker Yair Hirschfeld

Zuerst zuhören!#

(Zur Arbeit mit Dissens)#

von Martin Krusche

Sie finden in etlichen meiner Glossen diese Frage: Was uns trennt, wissen wir leicht. Das geht schnell. Aber was teilen wir dann noch?

Wir würden im Gemeinwesen völlig aneinander verreiben, wenn wir an der Differenz hängenblieben. Das ergibt sich allein schon an einer Übereinkunft, die der Tyrannei energisch widerspricht, nämlich, daß dies eine pluralistische Gesellschaft sei. Sowas kann man aber nur einlösen, wenn man Antwortvielfalt zuläßt.

Wer dem zustimmt, müßte dem Dissens eine anregende Wirkung zugestehen, denn er ist nicht bloß unvermeidbar, er hilft, die eigene Position zu überprüfen. Aber wie kommen wir genau damit im Gemeinwesen voran, oder sogar zwischen zwei verschiedenen Völkern? Ich denke, dazu gibt es eine besondere, eine herausragende Bedingung: Keine verdeckten Intentionen! (Die zerstören früher oder später ganz verläßlich jede Art von Beziehung.)

Ich hab kürzlich einen Vortrag von Yair Hirschfeld gehört. Er war Gastredner bei der Eröffnung von „Peace in Crisis“ in der Friedensburg Schlaining. Historiker Hirschfeld ist seit 1979 Teil von Verhandlungs-Teams der Israelis mit palästinensischen Kräften. Etwas polemisch verkürzt: das ist die Oberliga der Konfliktbearbeitung.

Aus jenem Vortrag habe ich eine Reihe von Anregungen bezogen, die mir für das Nachdenken über Europa sehr nützlich erscheinen, die sich aber auch auf Verhältnisse einer regionalen Ebene herunterbrechen lassen. Damit meine ich Wissens- und Kulturarbeit, über die wir das geistige Leben unserer Region mitgestalten.

Ort des Diskurses: Friedensburg Schlaining
Ort des Diskurses: Friedensburg Schlaining

Hirschfelds Ausführungen deute ich als eine Betonung der von mir geforderten Rollenklarheit im Zusammenspiel jener drei Sektoren: Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Der Vortragende unterstrich in Bezug auf Verhandlungen, daß ein Politiker Agenda habe, mit denen er in die Verhandlungen ginge. Er dagegen könne sich als Historiker darauf konzentrieren zuzuhören. Wer da immer schon wisse, was genau er erreichen möchte, wird vielleicht wichtige Optionen übersehen.

Das sei in den Friedensverhandlungen für ihn grundlegend gewesen, den Leuten von der Fatah erst einmal genau zuzuhören. Das bekräftigt, was mir in kulturellen Vorhaben auf meinem Terrain sehr wichtig ist: „Klären wir erst einmal, was eine gute Frage ist!“

Diesen Kick hab ich vor Jahren von Neurowissenschafter Eric Kandel bezogen. Der erzählte über die Mutter eines Schulkollegen, die den Weg ihres Buben in die Wissenschaft geebnet habe. Sie fragte ihn nach der Schule nicht „Was hast du heute gelernt?“, sondern „Hast du eine gute Frage gestellt?“, was ich keineswegs für banal, sondern für tiefgreifend halte.

Diese Situation in Schlaining erinnerte mich außerdem an das Gespräch mit einer türkischen Künstlerin, die den armenischen Journalisten Hrant Dink gekannt hat. Der von einem eifernden Teenager ermordete Dink soll ein Prinzip gehabt haben, das da lautete: „Reden, reden, reden, bis wir einander kennen.“ (Fortsetzung folgt!)

Weiterführend#