APOLLOTHEATER#
Wie die Architekten Zeitung im November 1902 meldete, soll in der Gumpendorfer Straße in Wien ein neues Theater, das den Namen „Apollotheater“ erhalten soll, errichtet werden. Es wird fleißig auf dem, dem Esterhazypark gegenüberliegenden Platz, auf welche, das Apollotheater erstehen wird, demoliert. Die Baupläne des Architekten Brandl sind schon überreicht und demnächst wird die Entscheidung der Magistratischen Baukommission erwartet. Das Apollotheater soll bereits am 1. September nächsten Jahres unter der Direktion Ben Tieber eröffnet werden. Während noch an der Erbauung des neuen Rauchtheaters in der Gumpendorferstraße gearbeitet wird, wird schon der Plan zur Errichtung eines zweiten neuen Varietetheaters in Mariahilf bekannt. Wie zu erfahren war, hat sich eine Gesellschaft gebildet, welche auf dem großen Bauplatz, auf dem heute das Hotel „Goldenes Kreuz“ steht und der in die Schmalzhofgasse mündet, ein großes Hotel und ein Rauchtheater aufführen. Die Gesellschaft soll sich demnächst konstituieren, um über weitere Details des Theaterneubaues schlüssig zu werden.
Am 1. September 1904 hat eines der vornehmsten Vergnügungstheater Österreichs seine Pforten der heiteren Muse geöffnet. Uns interessiert hier die bauliche Anlage in erster Linie, zumal sie für derartige sogenannte „Rauchtheater“ in der Tat mustergültig ist. Der Plan dieses Bauwerkes ist vom Architekten Eduard Prandl entworfen, der auch die oberste Leitung über die Ausführung inne hatte. Die Bauausführung selbst lag in den Händen der Baufirma Mörtinger & Sohn, die ihre Aufgabe mit großem Geschick und peinlicher Gewissenhaftigkeit löste. Außerordentlich reich ist die architektonische Innendekoration des imposanten Theaterraumes. Hier waltete der Meissel unseres bekannten Bildhauers Ludwig Striktius, sich dem Zweck des Saales und seiner Nebenräume in glücklichster Weise anpassend. Die prunkvolle Fassade des Kolossalgebäudes schuf der Bildhauer Josef Panigl. Die lustigen Wand- und Deckengemälde im Biertunnel malte Josef Hoffmann, während Rothaug's schöpferischer Pinsel das prachtvolle Deckengemälde und den Theatervorhang hervorzauberte. Die Eisenkonstruktion der Bühne ist von der Firma Ed. Gabriel & Söhne in gediegenster Weise hergestellt.
Architekt Prandl hat die schwierige Aufgabe, ein den strengen feuer- und baupolizeilichen Anforderungen entsprechendes Theatergebäude in gefällige, künstlerische Form zu gießen und dabei, dem Beschauer unmerkbar, gleichzeitig das Verwertungsinteresse der Eigentümer an jedem Quadratmeter zu wahren, in glücklichster Weise gelöst hat. Dass das Unternehmen unter der künstlerischen Leitung seines artistischen Direktors Ben Tiber prosperieren wird, ist nach dem, was am Eröffnungstag geboten wurde, wohl anzunehmen, der dem Direktor vorangehende Ruf die höchsten Erwartungen rechtfertigt.
Der Neubau des Wiener Apollo Theaters erfordert auch vom bautechnischen Standpunkt das Interesse der Fachkreise, weshalb wir uns entschlossen haben, bemerkenswerte Teile des Theaters im Bilde darzubieten.
Vorweg sei auf die durch die unregelmäßige und stark geneigte Grundfläche dem Architekten bei dem Planentwurf erwachsenden Schwierigkeiten hingewiesen, die er perfekt gelöst hat. Vom großen Theaterfoyer von welchem aus strahlenförmig alle Eingänge, sowie die Stiegenanlage bewegen.
Ein technisches Meisterstück, das bisher noch nirgends in ähnlicher Weise versucht wurde, leistete der Architekt durch de massiven Aufbau über dem Theaterdach. Nur eine ebenso sinnreich ausgedachte, als präzise ausgeführte Konstruktion ermöglichte die enorme Belastung der Decke des Theaterraums mit einem dreistöckigen massiven Wohnungstrakt. Das Auflager dieser Riesenkonstruktion bilden einerseits ein solid gemauerter Pfeiler in größerem Umfang, andererseits ein .eiserner Ständer. Auf eine Länge von 22 Meter wurde der Kastenträger gelegt, auf dem sich drei Stockwerke hoch die Hofhauptmauern der oberen Wohnungsgeschosse befinden. Den sicherheitspolizeilichen Vorschriften wurde entsprochen, und so führen von jedem Rang breite Ausgänge direkt ins Freie. Der 1700 Personen fassende Theaterbau kann in drei Minuten geleert sein.
Eine technische Vollkommenheit stellt die Bühne dar. In der Hinterbühne befindet sich ein Aufzug der in seiner Nutzung unübertroffen ist. Hauptmann Wilhelm Barthel zeichnet für die Bühneneinrichtung verantwortlich.
Das Theater ist mit einer Niederdruckheizungsanlage ausgestattet die aus zwei Luftzuführungskammern besteht, die in der Stunde 54000 Kubikmeter frische Luft zuführen kann. Ventilatoren sorgen weiter für einen angenehmen Aufenthalt im Theater..
Den künstlerischen Schwerpunkt setzte der Architekt auf die Ausstattung des gesamten Gebäudekomplexes. Das im alten Barockstil gestaltete Theater, wirkt sehr vornehm, besonders die Decken fallen durch ihre Ornamentierung äußerst angenehm auf. Die Stichkappe des runden Teils des Plafonds mit seinen künstlerisch ausgeführten Figuren ergänzen in wunderbarer Weise das Gesamtbild.
Mit einer Reihe von willkommenen Neuerungen eröffnet am 1. September 1906 das Apollotheater seine neue Saison. Schon das Eröffnungsprogramm ringt einige der größte Sensation, die das moderne Variete aufzuweisen hat. Während der Sommermonate wurde das Theater auf Hochglanz gebracht. Direktor Tieber hat unter großen materiellen Opfern die Anlagen des seinerzeit beprochenen Modelltheaters in der Brigittenau praktisch durchführen lassen und neben einem eisernen Vorhang auch eine Esse anbringen lassen, wie sie der erwähnte Musterbau aufwies.
Seit dem Frühjahr 1920 wird das Apollo Theater von Direktor Herbert Tau geleitet. Der Erfolg, den er hat, ist der glänzendste Befähigungsnachweis, den ein Bühnenleiter zu erbringen vermag. Schon vorher hat er in dem kleineren Rahmen der Wiener Kammerspiele Theaterpraxis und künstlerischen Geschmack bewährt. Auch im Apollotheater hat er durch das erlesene Eröffnungsprogramm der diesjährigen Spielzeit bewiesen, dass er das künstlerische Niveau dieser beliebten Bühne auf früherer Höhe erhalten will.
Vor wenigen Tagen hat er die in Ungarn gefeierte Operettendiva Olga Bartos zum Traualtar geführt. Frau Olga Tau-Bartos wird am 1. September die Hauptrolle in der neuen Operette „Der Pusztakavalier“ von Szirmay im Apollotheater kreieren. Auch die bekannte ungarische Soubrette Sari Fedak, deren sympathische Darstellungskunst dem Wiener Publikum eine liebe Erinnerung ist, im September im Apollotheater ein Gastspiel absolvieren.
Die Exl Bühne gab 1923 im Apollotheater ein Gastspiel, Karl Ettlingers Komödie „Das Beschwerdebuch“ Der zweite Akt der trefflichen Komödie ist ein Bühnenereignis ersten Ranges. Das Apollotheater hat wohl selten seit seinem Bestehen einen ähnlichen Beifallssturm erlebt. Die Exlbühne gehört alljährlich, zumindest als Gastspiel, auf Wiener Boden.
1923: Die bisher vornehmste Varietebühne hat ihre Pforten als Operettentheater eröffnet und zugleich eine Sensationspremiere geboten. Oskar Straus, der intelligente, ideenreiche Musiker, hat vom Apollotheater mit seiner letzten Schöpfung „Die törichte Jungfrau“ , einer interessanten, nicht landläufigen Operette, Besitz ergriffen, und zwar, wie anzunehmen ist für längere Zeit. Das Textbuch behandelt das Mona Banna Thema mit einiger poetischer Lizenz wie sie eben durch ein Operettenlibretto bedingt ist. Oskar Straus, der banalen Effekten stets aus dem Weg gegangen ist und dem verwilderten Geschmack der an die Oberfläche getriebenen neuen Schicht des Publikums keine Rechnung trägt, hat gemäß seinem großen Können und seiner eminenten Musikalität eine schöne Musik komponiert, die .Die trotzdem leicht ins Ohr geht und nicht zum Gassenhauer wird. Eine Reihe von Nummern wird bald zum Gemeingut der musikliebenden Welt werden, so insbesondere das Lied von der Jungfräulichkeit, das Bänkellied ,Vittorina, der Walzer „Muss es denn die große Liebe sein.“ Große Sorgfalt verwendete Straus auf die Instrumentierung, so dass es im Orchester in Klangfarben nur so funkelte und glänzte. Die Darstellung nahm sich des Werkes mit großer Liebe und Hingebung an. Eine neue Sängerin Lori Leux, führte sich darstellerisch und stimmlich sehr gut ein und fand in dem bekannten Tenor Erik Wirl einen trefflichen Partner. Den humoristischen Teil bestritten Frau Steffi Wallidt, der derb komische Oskar Sachs und als Dritter im Bunde Herr Hermann Thimig, der gut singt und tanzt. Für die wirkungsvolle Inszenierung sorgte Oberspielleiter L. Stärk mit Geschick und Geschmack. Der Komponist dirigierte mit Schwung und Elan und heimste rauschende Ovationen ein. Dass Direktor Ben Tieber das Werk glänzend ausstattete, ist bei seiner bekannten Großzügigkeit selbstverständlich.
Im August 1924 ist über das Apollotheater folgendes zu vernehmen: Der Berliner Kabarettdirektor Wreschinsky hat bekanntlich Anfang des Sommers das Apollotheater und gleich darauf das Ronacher Theater gepachtet, die er beide als Revuebühnen führen wollte. Vorerst brachte Wreschinsky im Apollotheater die Operette „Die Königin von Montmartre“ zur Aufführung; die ungünstige Konjunktur bewog ihn jedoch seine Wiener Verbindlichkeiten zu lösen. Den Vertrag mit Ronacher hat er gütlich gelöst, das Apollotheater aber erklärte er dennoch übernehmen zu wollen. Gestern nun erschienen die Wiener Vertreter des Herrn Wreschinsky im Apollotheater , weigerten sich sich jedoch das Theater übernehmen zu wollen, und bezahlten auch die fällige Pachtrate nicht, mit dem Hinweis, dass die Nebenbetriebe des Apollotheaters, Restaurant und Kaffeehaus, seit der vorigen Saison, an Fritz Auer, einem früheren Mitglied des Jarno Ensembles in der Josefstadt, verpachtet sind. Im Vertrag, den der Direktor Ben Tieber mit Herrn Wreschinsky geschlossen hat, ist diese Tatsache zwar erwähnt, sie gab aber nun doch Herrn Wreschinsky Anlass, die Übernahme des Theaters zu verweigern.
„Was geschieht mit dem Apollotheater?“ fragt sich die „Stunde“ im August 1924: Wie wir erfahren, ist Direktor Wreschinsky seit einigen Tagen in Wien, er kehrt heute noch nach Berlin zurück. Gestern hat Wreschinsky durch seinen Anwalt Dr. Moritz Krohn dem Dir. Ben Tieber mitteilen lassen, dass er, Wreschinsky, die Rückgabe der erlegten Kaution von 1 ½ Milliarden verlange, da ihm das Apollotheater nicht übergeben wurde. Außerdem stellt Wreschinsky Schadenersatzansprüche in der Höhe von 5 Milliarden Kronen an Dir. Ben Tieber, mit dem Hinweis auf eingegangene Verpflichtungen und durch den Schaden der Operette „Die Königin vom Montmartre“ und beziffert den Schaden mit 1 ¾ Milliarden Kronen.
Direktor Ben Tieber teilt uns auf eine Anfrage mit: Dass er bis jetzt kein Schreiben des Anwalts bekommen hätte und ist nicht gesonnen die Kaution zurück zu zahlen. Nach unserem Vertrag ist Wreschinsky im Unrecht, er wollte das Apollo als Varieté weiter führen traf aber keine Vorbereitungen in dieser Hinsicht die als Absicht .erkennbar gewesen wäre.
Unter diesen Umständen kann das Apollotheater die neue Saison im September nicht wieder eröffnen, denn das Personal wurde bereits im Februar gekündigt. Wreschinsky erwähnte, dass er ein neues Ensembles engagiert hätte.
Das „Kino Journal“ bringt im November 1924 neue Überraschungen.
Der Plan , das Apollotheater in ein Kino umzuwandeln, wird trotz heftiger Proteste der Kinobesitzer und des ablehnenden Standpunktes der Behörden weiter betrieben und wir vernehmen, dass der Bühnenverein, der Musikerverband und die Union an die Behörden eine Eingabe gerichtet haben, mit welcher sie die Erteilung der Kinolizenz an das Apollotheater unterstützen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich das Apollotheater verpflichtet hat, 50 Musikern eine ganzjährigen Vertrag zu geben und dass ein Uraufführungstheater mit schauspielerischen und musikalischen Einlagen geschaffen werden soll, so dass Darsteller und Sänger Verwendung finden werden.
Man fragt sich warum das Apollotheater Schauspieler und Sänger beschäftigen will, warum muss das auf dem Umweg des Kinos geschehen? Es steht ihm doch frei , ein Sprechtheater oder eine Operettenbühne zu eröffnen, wozu seine gegenwärtige Konzession die Möglichkeit bietet. Wenn das Apollotheater bei der Operette bleibt kann es die 50 Musiker ebenfalls verwenden. Das ganze ist jedoch nur ein Vorwand um unter Hinweis auf die gegenwärtige Arbeitslosigkeit die Lizenz für das Kino zu erhalten. Ein Kino hätte gar keine Verwendung für all diese Künstler.
Schließlich ist das Variete Geschäft, wenn es richtig betrieben wird, noch immer besser als das Kino Geschäft und dass kleinere Varietes mit billigen Preisen noch immer gut auf ihre Rechnung kommen, so dass auch das Apollotheater lebensfähig wäre, wenn Herr Ben Tieber nicht mit enormen Eintrittspreisen und seinem Sacher Tarif bei Speisen die Besucher verscheucht hätte.
Einen Monat später sah es wieder anders aus. Das Etablissement Ronacher wird am ersten Weihnachtsfeiertag als Varieté wieder eröffnet und das Apollotheater ist auf längere Zeit für Zaubervorstellungen gemietet. So ist wieder Ruhe eingetreten. Herr Hugo Bettauer, der sich lautstark gegen die Verdorfung Wiens und für die Überfüllung dieser Stadt mit Mammutkinos eingesetzt hat, wird seine Ruhe haben und kann zu seiner Erotik zurückkehren. Ein Jahr später fiel er einem Attentat zum Opfer.
Mit dem Apollotheater geht es wieder aufwärts, vor Weihnachten ist es fast täglich ausverkauft, weil sich der Unternehmer Herr Kassner der sich mit einem nicht zu hohen Eintrittsgeld begnügt. Der teuerste Sitz 40.000 Kronen und darunter und siehe da, es gibt ein volles Haus. Also wozu die Inszenierung mit dem Kino, wenn es so erfreulich fortgesetzt werden kann. Und Ronacher war keine Konkurrenz.
Am 30. Mai 1925 ist Ben Tieber mit nur 57 Jahren an einem Nierenleiden gestorben.
Im Februar 1928 stand das Apollotheater Programm im Zeichen des Faschings Es bringt ein reiches, buntes Quodlibet urwüchsigen Humors, doch auch ernste und echte Kunst kam zur Geltung. Wie die „Fliegenden Schmetterlinge“ der Geschwister Balfar eine ausgezeichnete Darbietung, oder die feurige spanische Tänzerin Tirana wirkt durch den Zauber ihrer Schönheit und Grazie und so geht es weiter mit Schuberts Militärmarsch und russischen Ballett.
Im November 1928 zeigte sich die „Freiheit“ empört das sich in der Schlagzeile ihren Niederschlag fand: „Ein unerhörter Korruptionsfall der Rathäusler“ Eine sozialistische Kinogesellschaft kauft das Apollotheater und gründet ein Kino – Bisher wurde jedem bürgerlichen Unternehmer die Konzession für dieses Theater verweigert.
Schon seit langem wird in Wien darüber Klage geführt, dass die Rathausmarxisten keine neue Kinokonzession für die Gründung eines großstädtischen Lichtspielpalastes herausgeben wollen.
Bisher wurde immer erklärt, dass dies geschehe, um die bestehenden Kinos zu schützen. Da die Gemeinde mit rund 30 Prozent Lustbarkeitsabgabe an den Kinos beteiligt ist, so wird sie als eine Art Kompagnon dieser Betriebe betrachtet. Man fand daher für ihr Vorgehen von diesem Gesichtspunkt aus eine Erklärung. Viele Bewerber haben sich um eine Kinokonzession des Apollotheaters bemüht. Das Apollotheater besitzt einen prächtigen Theatersaal mit 1000 Sitzplätzen und wäre wegen seiner günstigen Lage als Kino eine Attraktion. Aber alle Konzessionsgesuche wurden abgewiesen.
Nun erfahren wir, dass die sogenannte Kiba (Kino Betriebs AG) das Apollotheater um einen Betrag von vielen Milliarden kaufen soll. Die Verhandlungen stehen vor dem Abschluss, es wird von elf Milliarden gesprochen. Hinter der Kiba steht die Arbeiterbank. Es darf vermutet werden, dass die Arbeiterbank das ihre leisten wird. Die Kiba wurde deshalb gegründet um die Kinos in den Arbeiterheimen und in den kleinen Arbeiterstädten zu betreiben. Da daran nicht viel zu verdienen ist verlegte man sich bald auf den Erwerb von Kinokonzessionen in Wien und ist Besitzerin von einigen Kinos, wie das Schwedenkino, das einst aus nichtigen Gründen geschlossen wurde und als es die Kiba erwarb wieder eröffnet und sofort verpachtet, und macht mit Hilfe der Gemeinde erteilten Konzession ein wunderbares Geschäft. Im Gemeindebau Sandleiten hat die Kiba ebenfalls ein Kino das nur an vier Tagen spielen darf, Anordnung der Gewerkschaft.
Die Konzessionserteilung an die Kiba für das Apollotheater wäre eine Ungeheuerlichkeit, das würde beweisen, dass die privaten Unternehmer zu Wiener Bürger zweiten Ranges geworden sind und die Rathausherren nur die roten Unternehmen bevorzugen. Schon heute lastet die Hand der Gemeinde schwer auf den Kinotheatern, denn wer sich nicht fügt dem wird die Konzession einfach entzogen.
Am Nachmittag war eine Versammlung aller Kinobesitzer vorgesehen. Diese fanden sich mit der Zeitschrift Freiheit ein und stellten den Vizepräsidenten und Geschäftsführer der Kiba Edmund Hamber zur Rede, dem blieb nichts anderes übrig als zuzugeben, dass der Artikel in der „Freiheit“ der Wahrheit entspreche. Seine Antwort erregte einen Sturm der Entrüstung. Daraufhin antwortete er, dass er seine Stellung zurücklege. Die Gemeinde benützt das Kinogeschäft um die Arbeiterbank zu entschädigen. Im Prozess das gegen „Freiheit“ geführt wird, haben Dr. Renner und seine Zeugen bisher hartnäckig geleugnet, dass es solche Geschäfte gäbe. Doch die „Freiheit“ wird die Wahrheit erbringen, sie haben den urkundlichen Beweis in Händen.
Die mit dem Geld der .Arbeiterbank finanzierten Kinobetriebsgesellschaft Kiba hat vor kurzem das Apollotheater erworben, um daraus ein Kino zu machen. Die Gesamtkosten des Erwerbes des Apollotheater und der notwendige Umbau wird auf 25 Milliarden geschätzt. Die Wiener Kinobesitzer befinden sich in hellem Aufruhr, seit die Pläne betreffend des Apollotheater bekannt wurden. Aber dieser Aufruhr äußert sich wie bei Wiener Geschäftsleuten leider in den meisten Fällen, nur in aufgeregtem Gequatsche, obwohl es hier einem ganzen Stand an den Kragen geht und dabei ebenso mit Verwaltungskorruption wie trockenem Bolschewismus gearbeitet wird. Allen Interessenten wurde die Konzession für ein Kino verweigert, damit die Kiba den Zuschlag bekommen konnte. Abgesehen davon, dass hier ganz deutlich erkennbar Parteilichkeit vorliegt, widerspricht die Errichtung einem den Kinobesitzern gegebenes Versprechen, laut welchem nur im Einvernehmen mit ihnen Lizenzen für Großkinos erteilt werden sollen. Vor nicht langer Zeit wurde nämlich das Kolosseum, ebenfalls in ein Kino umgewandelt, und mit hohen Kosten neu hergerichtet. Ein Teil des Reingewinnes wird wohltätigen Zwecken zugeführt. Wie gemunkelt wird, soll aus der Volksoper ebenfalls ein Kino werden.
Jetzt da der Plan der Volksoper bekannt wird, versteht man auch das Vorgehen gegen diese Bühne. Die Gemeinde verlangt von jedem Theaterunternehmer, dass er die übertrieben hohen Steuern zahlt, aber auch für die Steuerschulden seiner Vorgänger haftet. Eine Praxis die völlig ungesetzlich ist. Daher bleibt die Volksoper notgedrungen geschlossen, das Personal bezieht derzeit Arbeitslosenunterstützung. Die Stilllegung des Theaterbetriebes setzt den Wert des Gebäudes natürlich stark herab und die Organe der roten Geschäftsleute können nun die Volksoper weit unter dem Wert erwerben. So werden Theaterunternehmungen zugrunde gerichtet um gewissen Geschäftemachern Profite zuzuschanzen. Die Spiellizenzen werden zu dieser Zeit nur für ein Jahr erteilt und mit jedem Ablauf ist der Kinobesitzer in Gefahr, ganz oder halb enteignet zu werden. So die weiteren Ausführungen der „Freiheit“.
Das Apollotheater nun ein Kino stand im Jänner 1931 im Mittelpunkt von Demonstrationen. Ausführlich wird darüber berichtet: Von der Direktion des Apollotheaters war gestern eine Aufführung des Tonfilms „Im Westen nichts Neues“ von Remarque veranstaltet worden, zu der ausschließlich geladene Gäste Zutritt hatten und die den Film in amerikanischer Fassung vorgesetzt bekamen. Damit wollte man die Vermutung, dass dieser Film eventuell deutschfeindlich wäre, das Gegenteil beweisen.
Zum Protest gegen den Tonfilm und gegen die gestrige Aufführung veranstalteten die Nationalsozialisten gestern vier Versammlungen die um acht Uhr begannen. Sie fanden in der „Glocke“ in der Neubaugasse, das Terrassencafe auf dem Margarethenplatz, und „Zur schönen Schäferin“ in der Gumpendorfer Straße, alles in der Nähe befindlichen Lokalitäten.
Da die Störaktion erwartet wurde, hatte man ein starkes Polizeiaufgebot zum Schutz des Gebäudes und zur Sicherung der Vorstellung organisiert. Im Kinosaal waren ebenfalls Kriminalbeamte verteilt um sofort eingreifen zu können falls sich ein Zwischenfall ereignen sollte. In der gesamten Umgebung des Apollotheaters war die Polizei präsent. Als die ankommenden Demonstranten den starken Polizeikordon ansichtig wurden, ertönten Pfuirufe. Mehrere Übeltäter bestiegen die Dächer der hier vorbeifahrenden Straßenbahnen und brachen in Schmährufe gegen den Film und Remarque aus.
Berittene Polizei tauchte auf, die dann noch durch 50 neue Reiter verstärkt wurden. Die Demonstranten forderten nun in Sprechchören, Filmverbot, Deutschland erwache usw. Hinzu kamen nun allmählich die Teilnehmer aus den Versammlungen und es nahm mitunter einen sehr bedrohlichen Charakter an. Unter ihnen befanden sich viele Heimwehrleute, wieder wurde die Straßenbahn benützt um vielleicht so zum Apollotheater zu gelangen, dabei gingen viele Fensterscheiben der Straßenbahn in Trümmer. Die Polizei ging energisch vor und drängte die Demonstranten gegen die Mariahilferstraße ab, das mit stürmischen Kundgebungen beantwortet wurde. Auf der Mariahilferstraße musste die berittene Polizei sogar mit dem Säbel einschreiten, um die Straße für den Verkehr frei zu halten. Auf dem Kommissariat füllte sich der Raum mit den Festgenommenen.
Vor dem Apollotheater fuhren plötzlich Feuerwehrautos vor, Gerüchte hatten sich verbreitet, Brandstiftung im Saal des Kinos, dann wieder sei von Tränengas die Rede gewesen. Die Feuerwehr war somit Opfer einer Mystifikation geworden. Von einen Automaten wurde gemeldet, dass der Theatervorhang in Flammen stünde. Wegen all dieser Vorkommnisse verzögerte sich der Beginn des Filmes. Es stellte sich heraus, dass die Nationalsozialisten bei der vorhergehenden Abendvorstellung Ammoniak auf die Stühle geschüttet hatten so dass im gesamten Haus penetranter Ammoniakgeruch wahrzunehmen war.
Um Mitternacht dauern die Demonstrationen auf der Mariahilferstraße noch an. Immer wieder sammeln sich die Demonstranten, die einen Zugang zum Apollotheater versuchen, doch von der Polizei die durch Berittene unterstützt werden, gelingt es, dass die Polizei Herr der Lage bleibt. An der Kreuzung Mariahilferstraße Neubaugasse gab es Demonstranten von denen Sprechchöre zu hören und das Deutschlandlied gesungen wurde. Mitunter gab es noch stürmische Auftritte dann kehrte allmählich Ruhe ein. Indessen konnte die Vorführung im Apollotheater endlich stattfinden.
QUELLE: Bombe 15. Juni 1923 S 6, , Humorist 1.September 1906 S 6, Stunde 3.August 1924 S 4, Sport und Salon 17. August 1912 S 9, Stunde 6.August 1924 S &, Neue Freie Presse 4.Jänner 1931 S 1, Humorist 20.Juli 1915 S 5 und Bild, 10.März 1916 S 5 Bild und andere Bilder,ANNO Österreichische Nationalbibliothek
https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/APOLLOTHEATER