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Helga Maria Wolf

Omen#

Glückssymbole, Neujahr 2022

Das "gute Omen" spielt nicht nur zu Neujahr eine Rolle, wenn man einander mit Glückssymbolen wie Schweinchen, Münzen, Hufeisen oder Klee beschenkt. Wer zum Jahreswechsel "Schwein hat", wird immer satt sein, wer jetzt Geld besitzt, dem wird es später nicht mangeln. Auch das Hufeisen verweist - als Teil des Pferdes, das den Besitzenden vorbehalten war - auf Wohlstand. Der Glücksklee sollte helfen, auf einen "grünen Zweig" zu kommen. In der antiken römischen Religion nannte man diese Neujahrsgaben "Strenae". Am 1. Jänner (oder dem früheren Jahresbeginn, dem 1. März) holte man Zweige aus dem Hain beim Schrein der Göttin des Wohlbefindens und Wohlstands, Strenua. Weil sie ein gutes Omen waren, wurden sie verschenkt, später aber von Münzen abgelöst. Der "Glückstaler" ist bis heute Brauch. Taufpaten schenken Kindern am Beginn ihres Lebenslaufes Münzen. Neben dem materiellen Wert spielt die Vorstellung eine Rolle, dass dem Geldstück "eine glückbringende Kraft innewohnt", wie das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (HDA) weiß.

Damit rückt die Münze in die Nähe zu Talisman (Glück bringend) und Amulett (apotropäisch). Deren Wirkung hing und hängt letztlich vom individuellen Glauben daran ab. Das zeigte auch 2011 das Forschungsprojekt "Superstition - Dingwelten des Irrationalen" am Volkskundemuseum Graz. Die Studienautoren befragten Jugendliche über die Verwendung von Glücksbringern. "Ob dies nun eine Münze, eine kleine Figur, … ein Foto … ist, immer ist … die emotionale Bindung an einen nahestehenden … Menschen oder die Erinnerung an ein positives emotionales Erlebnis Anlass für die Schutzwirkung des Gegenstandes", schreibt die Ethnologin Eva Kreissl. Sie berichtet von einer Vierzehnjährigen für die ein Stein mit dem Autogramm eines Sängers besondere Bedeutung hat: "Diesen Stein trägt sie nun in einer kleinen Schachtel immer bei sich, glaubt, dass seine Anwesenheit sie vor Unglück - oder zumindest einer verpatzten Prüfung - schützen könne." Der Teenager habe ihn "mit einem Tabu belegt, einem der wesentlich Kennzeichen des Heiligen."

Glaube und sogenannter Aberglaube sind untrennbar verbunden. Früher konnte man an Wallfahrtsorten nicht nur gedruckte Gebetstexte kaufen, sondern auch - teilweise mit kirchlicher Billigung - Amulette wie die "Länge Mariens", die Geburten erleichtern sollte, Himmelsbriefe, Kugelsegen, Romanus-Büchlein ("Bewahret Menschen und Vieh vor Unglück und Krankheit, Feuer und Wassergefahr, Diebstahl, Verwundung durch Waffen aller Art, sowie vor aller Zauberei in und außer dem Hause") bis hin zu zauberischen Hilfsmitteln beim Schatzsuchen wie dem Christoffelsgebet oder Coronagebet.

Überall auf der Welt findet sich der Glaube an Omina, aus denen sich Hinweise über zukünftiges Geschehen deuten lassen. Dabei bleibt, wie bei Symbolen, viel Interpretationsspielraum. "Zeichen kommen ungerufen, fallen auf, man begegnet ihnen und beachtet sie sorgfältig", schreibt der deutsche Volkskunde-Professor Dieter Harmening im Standardwerk "Superstitio". Er nennt eine Reihe von Vorzeichen, deren (Be-)deutung nicht unterschiedlicher sein könnte. In Quellen aus dem frühen Mittelalter entdeckte er über die Begegnung mit Tieren: "Glücklich, wenn es ein Wolf ist oder eine Katze, eine Krähe, eine Schlange oder ein Bussard; unglücklich, wenn es ein Hase, eine Maus, ein Schaf, Schwein, Fuchs oder ein Rabe - oder auch glücklich, je nachdem, ob von links oder von rechts, ob entgegenkommend oder überholend, ob morgens oder abends und so fast alle möglichen Verhältnisse hindurch." Allgemein bekannt ist die Vorstellung, schwarze Katzen würden Unglück bringen. Hingegen zitiert der deutsche Historiker Helmut Hiller den Spruch: "Die schwarze Katz, das schwarze Huhn, soll kein Bauer aus dem Hause tun." Die Primzahl 13, die viele fürchten, soll im Lotto, Glücksspiel oder als Autonummer eine gute Wirkung haben. Im Alten Testament (Buch Esther, 1. Makkabäer) erscheint der 13. mehrfach als Glückstag. Oder: wie soll man ein Hufeisen aufhängen? Mit der Öffnung nach oben, damit das Glück nicht ausrinnt ? Oder nach rechts, damit man es als Initiale für Christus deuten kann ? Das HDA spricht von einem "über die ganze Erde verbreiteten Glauben an die übelabwehrende, glückbringende Kraft des Hufeisens, wobei dieses hierzulande mit der offenen Seite nach unten aufgehängt werden müsse.

Sollte ein Omen glückbringend sein, half man gerne ein wenig nach. Das HDA schreibt, man halte es "für ein Vorzeichen glücklicher Art, wenn bei dem Umzug, bei Dienstantritt, beim Richtfest des Hauses, etwas zerbricht. Infolge dessen ist man bemüht, z.B. beim Richtfest ein Glas zu zerbrechen; man versucht, sich Glück zu zaubern. Eine andere Überlieferung ist jene von der Turmgleiche des Wiener Rathauses am 21. Oktober 1882. Bei diesem Fest brachte der Architekt, Dombaumeister Friedrich Schmidt, drei Trinksprüche aus. Auf dem Gerüst hatte er drei Gläser vor sich, die er auf den Kaiser, das Vaterland und das Volk von Wien erhob. Nach jedem Trinkspruch warf er das Glas in die Tiefe. Die ersten beiden zerbrachen erwartungsgemäß, nur das dritte landete auf einem Sandhaufen und blieb ganz. Man deutete das kurzerhand als gutes Omen für die Zukunft der Stadt und ihrer Bewohner.

Während Vorzeichen "ungerufen" kommen, sind Orakel eine absichtliche Zukunftsschau. Jenes in Delphi, das wichtigste der hellenischen Welt, bestand bis in die Spätantike. Die Antworten eines Orakels sollten - auch noch lange später und in anderen Kulturen - helfen, "eine schwebende Angelegenheit zu entscheiden oder noch verhüllte Bezogenheiten und Verflechtungen von Geschehnissen zu enthüllen, um demgemäß sein Verhalten einzurichten." (HDA) Naturgemäß richteten sich die Fragen auf das, was im Leben wichtig ist: nach landläufiger Meinung Gesundheit, Geld und Liebe. Die bäuerliche Bevölkerung, in ihrem Überleben von der Natur abhängig, bediente sich der Ernteorakel. Das bekannteste war der Luzienweizen: Er wurde am Gedenktag der Heiligen, am 13. Dezember, der als Mittwintertag galt, in einem Teller mit Erde und Wasser ausgesät. Bis Weihnachten sollte er Spannenhöhe erreicht haben. In der Mitte brannte eine Kerze. Sowohl aus ihrem Schein, als aus dem Wachstum der Tellersaat zog man Schlüsse auf den Ertrag der Feldfrüchte des kommenden Jahres. Ebenfalls im Dezember, am 4., sind in Stadt und Land die Barbarazweige bekannt. Sie werden von Kirschbäumen geschnitten und daheim eingewässert. Wenn sie bis zum Christtag blühen, soll das langes Leben oder eine bevorstehende Hochzeit bedeuten.

Lebensgeschichtliche Übergänge waren und sind immer von gemischten Gefühlen begleitet. Es herrschen Hoffnung, Erwartung und Freude, Unsicherheit, Angst und Zweifel. Rituale können helfen, Übergänge in eine offene Zukunft besser zu bewältigen. Die katholische Kirche bietet an solchen Knotenpunkten des Lebens sieben Sakramente an. Der belgisch-französische Ethnologe Arnold van Gennep (1873 - 1957) hat für die Schwellenbräuche im Lebens- und Jahreslauf den Begriff Rites de passage geprägt. Er unterschied drei aufeinander folgende Zustände: (1) Trennung - die Phase der Ablösung vom vorherigen Zustand, (2) Schwelle / Zwischenstufe / Liminalität - die gefährliche Phase zwischen "schon" und "noch nicht", problematische Zeit der Rollenlosigkeit, in der die neue Identität angeeignet werden soll, (3) Umwandlung / Wiederaufnahme - die Phase der Neuintegration. Dazu zählen Initiationsbräuche, die in manchen Berufen am Übergang vom Lehrling zum Gesellen stehen. Die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt pflegt die Tradition des Gautschens, der "Taufe" der Buchdrucker. Hat der Aspirant dies hinter sich gebracht, steht er am Anfang eines neuen Lebensabschnitts. Für ihn gilt nun, wie Hermann Hesse vor 80 Jahren formulierte: "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben."


Quellen:
Hanns Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens (HDA). Berlin 1927/1987
Helmut Birkhan: Magie im Mittelalter. München 2010
Dieter Harmening: Superstitio. Berlin 1979
Helmut Hiller: Lexikon des Aberglaubens. München 1986
Eva Kreissl (Hg.) Kulturtechnik Aberglaube. Bielefeld 2013
Leander Petzoldt: Magie. München 2011
Helga Maria Wolf: Wie der Anfang, so das Ganze. In: Kultur.Region. Niederösterreich, 2021

Bild:
Neujahrssymbole 2022, Foto: Doris Wolf


Siehe auch:
--> Vorzeichen