Brot und Wein#
Brot und Wein sind die Nahrungsmittel mit dem höchsten Symbolgehalt. Ihre „Wandlung“ steht im Mittelpunkt jeder katholischen Messe. Galerien kredenzen Brot und Wein anstelle aufwändiger Buffets, und die Gäste freuen sich über die puren Spezialitäten. Ihre Produktion geht in der Wachau eine historische Synthese ein. Körndlbauern und Winzer profitieren von den klimatischen Vorzügen des Donautales.
Leopold Schmidt schreibt in seiner „Volkskunde von Niederösterreich“ über unterschiedliche Geräte zur Bodenbearbeitung: „Der Pflug wurde für die Felder verwendet, wogegen der Weingarten ‚gehauen’ wurde“. Von der schon zur Römerzeit geübten Bearbeitung von Feldern und Gärten mit Hauen kommt die Bezeichnung des Weinbauers als Hauer. Er trug sein Gerät auch bei brauchtümlichen Anlässen mit und verwendete es mehr oder weniger symbolisch. Erdhügel („Leber“) markierten früher die Gemeindegrenzen. Beim „Leberngehen“ oder „Hotterschauern“ zu Georgi (24. April) wurden sie gemeinsam kontrolliert. Jeder Weinbauer hob mit seiner Haue Erde aus und erhöhte damit den Hügel, der nun wieder ein Jahr lang als Markierung fungierte.
Hingegen waren für den Feldbau verschiedene Pflugtypen charakteristisch. Aus römischen Gutshöfen haben sich eiserne Pflugscharen erhalten. Traditionell begann die Ackerarbeit um Gregori (12. März) und war zu Josephi (19. März) in vollem Gange. Zu den Arbeitsbräuchen zählten das Segnen der ersten Furche und die Begrüßung des ersten Pflügers mit einem Wasserguss. Der Auflockerung des Bodens folgte die händische Aussaat des Brotgetreides. Das genau portionierte Saatgut befand sich im Sätuch, das die Männer wie einen Schurz umgebunden hatten. Die Herstellung war Aufgabe der Bäuerin. Sie brachte das Tuch, dessen Garn sie selbst gesponnen hatte, mit dem Brautgut.
Die Ernte erfolgte anfangs in gebückter Haltung mit Sicheln. Durch Vermittlung der Klöster, vor allem der Zisterzienser, kamen im Hochmittelalter Sensen auf. Das modernere Gerät, mit dem man stehend arbeiten konnte, wurde von Männern verwendet. Der Schnitt oder das Aufheben des Getreides mit Sicheln blieb den Frauen vorbehalten. Sie banden die Garben, die zu „Mannderln“ zusammengestellt, zehn Tage lang auf dem Feld trocknen sollten. Ein Wachauer Bauer erinnert sich: „Wir sind meistens zu viert ausgegangen, einer hat gemäht, die anderen aufgenommen und zusammengebunden. So haben wir in einem halben Tag ein halbes Joch (28 Ar) zusammengebracht. Die Heimfahrt war mit einem Ochsen- oder Pferdewagen, der 4 m lang war. Einer ist oben gestanden, der das Getreide schön hingelegt hat, die anderen haben es ihm hinaufgereicht. Jetzt ist ein Mähdrescher hundertmal produktiver.“
Im Spätsommer, wenn sich die Körndlbauern schon über „die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“ freuen dürfen, haben die Winzer die Mühen mit der „Frucht des Weinstocks“ noch vor sich. Seit dem Frühjahr waren schon viele Arbeitsvorgänge nötig, wie mehrmals hauen, schneiden, binden, jäten, mit Kalk und Kupfervitriol spitzen. Die reifenden Trauben waren so kostbar, dass man sie bewachen ließ. Viele Männer bewarben sich bei den Gemeinden als Weinhüter, einige wurden durch Auslosen ermittelt und vereidigt. Sie mussten dann Tag und Nacht im Weingarten verbringen, um Diebe abzuhalten. Ein ehemaliger Lengenfelder Weinhüter erzählt: „Wir waren ausgestattet mit einem Gehstock, einem Fernglas und einem Pfeiferl. Auf den Hut haben wir ein Wermutsträußerl gesteckt, als Zeichen für den Mut, den der Weinhüter braucht, wenn er Diebe stellt. Wir waren verpflichtet, sie auf die Gemeinde zu bringen, wo sie dann gestraft wurden. Es ist auch vorgekommen, dass ein schönes Madel Trauben wollen hat. Wenn sie schwanger war, hat sie sie nehmen dürfen. Zur Weinlese haben sich die Leser in der Früh getroffen, viele sind aus dem Waldviertel gekommen. Auf dem Schanzwagen waren Bottiche, Butten und anderes aufgeladen. Als Schulkinder haben wir Leseferien bekommen und da sind wir barfuß in den Weingarten gegangen.“ In der Kellergasse waren schon die Weinpressen vorbereitet. In den Lösswänden des Kremser Umlands sind die „Häuser ohne Rauchfang“ charakteristisch. Sie entstanden im 17. – 19. Jahrhundert. Die Baumpresse stand im Hauptraum. Links und rechts schlossen kleine Flaschenkeller und eine Stube an, wo man den Heurigen ausschenkte.
Der Winter war keineswegs die „stillste Zeit im Jahr“, sondern die traditionelle Zeit des Korndreschens. Wie beim Kornschnitt brauchten große Bauernwirtschaften und Gutshöfe dazu Saisonarbeiter. Diese hatten ihre eigenen Rituale zum Arbeitsschluss. Bei der Ernte zeigten sie dem Herrn mit einem Kranz „durch die Blume“ an, dass es Zeit für ein Festessen und eine Tanzunterhaltung war. (Daraus entstanden in den 1930er Jahren kirchliche Erntedankfeste mit dem Symbol der großformatigen Erntekrone.) Am Schluss des Dreschens ging der letzte mit einem Bündel Holz in die Küche – ein untrügliches Zeichen für die Bäuerin, Drescherkrapfen zu backen.
Der große Hauer-Feiertag war und ist Martini (11. November). Man darf den Heiligen wie den Wein „loben“. Der Heurige wird zum Alten und man sagt zum ersten Mal „prost !“.
Brot und Wein gehören zusammen, der Alkohol fordert seine Unterlage. Beim Brot galt, je heller, umso nobler. Bauernbrot war üblicherweise dunkles Roggenbrot, doch einmal im Jahr gab es auch für die Weingartenarbeiter etwas Besonderes. Am Ostermontag wurden sie in die Kellergasse eingeladen. Zum Lohn für das beschwerliche Fastenhauen erhielten sie „weißes Brot, roten Wein und schwarzes Fleisch“ (Geselchtes). Brot wurde nur selten gebacken und nicht frisch gegessen. Das in Trockengestellen aufbewahrte, harte Dauerbrot diente als Zuspeise zum Mus. Brot wegzuwerfen galt als Sünde. Vor dem Anschneiden bezeichnete die Bäuerin den Laib mit einem Kreuz. Auch den Teig bekreuzigte sie. Zum Portionieren dienten Simperl (Strohkörbe).
Nicht nur die Fertigprodukte Brot und Wein genossen in der alten bäuerlichen Kreislaufwirtschaft hohe Wertschätzung. Auch die Abfallstoffe erfüllten wichtige Aufgaben. Überzählige Weinreben wurden verfüttert, Stroh war ein vielseitiger Rohstoff. Man konnte es u. a. zum Aufbinden der Weinstöcke und zum Anfertigen von Behältern gut brauchen. Strohzöger zum Tragen von Weinflaschen, die darin kühl blieben, waren eine Wachauer Spezialität. Auf dem Weg in den Weinberg hängten die Männer das „Hauerzegerl“ auf die Haue, die sie über die Schulter trugen.
Die Produktionsmethoden haben sich geändert, keiner geht mehr mit der Haue zu Fuß in den Weinberg, wo man mit der Lesemaschine acht Hektar im Tag abernten kann. Doch die Bewohner von Stratzing lassen sich noch heute gerne „Zegerltrager“ nennen.
"Unser tägliches Brot" ist sprichwörtlich. Die vierte Bitte des Vaterunser - "Gib uns heute das Brot, das wir brauchen" - findet sich im Neuen Testament (Mt. 6, 11). Im Lukasevangelium, das im 11. Kapitel das "Gebet des Herrn" kürzer überliefert, heißt es "Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen". (Lk 11, 3). 267 Mal kommt "Brot" im Alten und Neuen Testament vor, besonders bekannt ist die "Speisung der Fünftausend", das Vermehrungswunder am See von Tiberias, bei dem tausende Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen gesättigt wurden (Mt.14, 13-21; Mk 6, 30-44; Lk 9, 10-17; Joh 6,1-13). Nach Lukas erkannten die Emmausjünger den Auferstandenen am Brotbrechen. (Lk 24, 28-31). Bei "Wein" sind es 205 Bibelstellen, darunter das Weinwunder bei der Hochzeit in Kana (Joh 2, 1-12).
Die "Wandlung" von Brot und Wein steht im Mittelpunkt jeder katholischen Messe. "Brot stammt wie der Mensch aus der Erde, so wird es zum Ausdruck der leibhaften menschlichen Existenz; in diesem Sinn wird es auch als Opfergabe verwendet," schreibt Rupert Berger im Neuen Pastoralliturgischen Handlexikon. Er weist darauf hin, dass Brot im Alten Testament als Geschenk Gottes gesehen wurde - und noch nicht auch als "Frucht der menschlichen Arbeit", wie es im Begleitgebet zur Gabenbereitung in der katholischen Messe heißt. Alte und neue Motive "kehren auf höherer Ebene wieder, wenn in der Eucharistiefeier Christus das Brot verwandelt und zur Speise gibt."
In den Anfängen des Christentums brachten die Gläubigen gesäuertes Brot und Wein für das eucharistische Mahl, aber auch für die Gemeindearmen und die Geistlichen, von zu Hause mit. Die Gaben wurden dann (vom Klerus oder den Gläubigen) in feierlicher Prozession zum Altar getragen. In fränkischer Zeit (5. - 9. Jahrhundert) verwendete man nur noch eigens hergestelltes, ungesäuertes Brot für die Kommunion. In der Folge entwickelte sich das Ideal der weißen, dünnen und verzierten Hostie, die kaum noch als Brot erkannt werden konnte. Heute bietet eine deutsche Bäckerei nach dem Kirchenrecht - aus Weizenmehl und Wasser - hergestellte Brothostien und weiße Hostien in zwölf Größen an. Die Steyler Missionare in Mödling betreiben die größte Hostienbäckerei Österreichs, die wöchentlich 150.000 Hostien produziert.
Die Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch (1975) sieht vor, dass der Priester das eucharistische Brot bei der Gemeindemesse in mehrere Teile bricht, die er einigen Gläubigen reicht, die anderen erhalten kleine Hostien. Das Brotbrechen hatte im Orient, wo die frisch gebackenen, zähen Fladenbrote nicht geschnitten, sondern auseinandergerissen werden, auch sakralen Charakter. Der Hausvater verteilte die Stücke an die Seinen. In Israel wurde und wird dazu ein Lobgebet gesprochen - wie es von Jesus berichtet wird. Beim Abschiedsmahl, das er mit seinen Jüngern feierte, trug er ihnen auf, dies zu seinem Gedächtnis weiterhin zu begehen (Mk 14, 17-25; 1 Kor 11, 23-26). Das spiegeln die Worte des Hochgebets in der Messfeier, des Lobgebets mit dem die Eucharistie begangen, Brot und Wein konsekriert und das Gedächtnis der Opfertat Christi vollzogen werden: "… nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch, dankte wiederum, reichte ihn seinen Jüngern und sprach: Nehmet und trinket alle daraus: das ist der Kelch des ewigen Bundes …"
In den biblischen Einsetzungsberichten stehen Brot und Wein gleichwertig nebeneinander. Rupert Berger meint, dass sich das apostolische Interesse sogar stärker auf den Kelch richtete. Im Wein trete der freudige Charakter der Eucharistie deutlicher hervor. Seit dem 12./13. Jahrhundert mussten die Laien zunehmend auf die Kelchkommunion verzichten, die dem Zelebranten vorbehalten blieb. Als Reaktion auf die Forderung der Hussiten nach dem Laienkelch kam es auf dem Konzil von Konstanz (1415) zum offiziellen Kelchverbot. In der Reformationszeit (1517-1648) verstärkte die katholische Kirche ihre Ablehnung der Kelchkommunion. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) legte wieder Wert darauf. Wenn es "angebracht erscheint" darf die Kommunion unter beiderlei Gestalt gespendet werden. Empfohlen ist es bei der Brautmesse, Profess, Erwachsenentaufe und Eucharistiefeiern für Mitglieder von Gemeinschaften. Die bevorzugte Form wäre, den Gläubigen den Kelch zu reichen, aus dem sie trinken. Es ist aber auch das Eintauchen der Hostie (Intinktion) erlaubt, ebenso die Verwendung eines Trinkröhrchens oder Löffels. Wurde früher hauptsächlich Rotwein gebraucht, ist es jetzt Weißwein, dem der Priester bei der Wandlung etwas Wasser beifügt. Die Qualität des Messweins entspricht den Anforderungen von Prädikatsweinen (naturrein, ohne Beimischungen, unverdorben). Sie ist durch das Römische Messbuch von 2007 und Messweinverordnungen festgelegt.
Brot und Wein spielen auch bei nichteucharistischen gottesdienstlichen Mahlformen eine Rolle. Man genießt sie bei der Agape und bringt sie zur Speisenweihe, wie Osterbrot oder Johannesminne. Für die Weinsegnung am 27. Dezember gibt es seit dem 13. Jahrhundert eine eigene Benediktion. Danach tranken die Gläubigen aus einem Pokal "die Liebe des heiligen Johannes". Der Brauch, dem Andenken des Heiligen einen Minnetrunk darzubieten, war schon im frühen Mittelalter üblich. Vom Abschiedstrunk als höfische Sitte berichtete Oswald von Wolkenstein (1377-1445) um 1425. Als er seine Geliebte verließ, kredenzte sie ihm einen Trunk "...der mynne sant johans..." Die Priester unterstützten populäre Vorstellungen. Sie reichten den Wein Reisenden, Pilgern und Soldaten zum Abschied, Verurteilten vor der Hinrichtung, der Gottesdienstgemeinde zu Neujahr und Brautpaaren bei der Hochzeit. Die Gläubigen ließen auch ihren eigenen Wein segnen, in der Überzeugung, Johanneswein schütze vor allem Übel, Zauber und Gewitter, mache Männer stark und Frauen schön. Er sei hilfreich für den Ertrag der Felder, als Freundschafts- und Sterbetrunk und am Ende jedes Festes. Die Donauschiffer vergossen einige Tropfen für den glücklichen Verlauf ihrer Salztransporte und gegen das Ertrinken. Auch als Wegzehrung für die "letzte Reise" wurde Johannesminne verwendet. "Sant Johanes segen nehmen" galt als Umschreibung für Sterben. Albrecht Dürer (1471-1528) berichtete, dass seine Mutter kurz vor dem Tod (1514) Johanneswein verlangte. Sein Zeitgenosse Martin Luther (1483-1546) erwähnte, dass er scheidenden Gästen Johannestrunk und -segen gewährte. "Sankt Gertruds Lied" aus dem 15. Jahrhundert erzählt von einem Ritter, der seine Seele dem Teufel verschrieben hatte. Die heilige Gertrud rettete ihn durch Johanneswein: "Sankt Gertrud kocht ihm einen Trank, drein tat sie Sankt Johannis Gewalt, an Sankt Johannis Segen, daran ist alls gelegen. Er setzt die Schal an seinen Mund und trank sie aus bis auf den Grund …" Daraufhin ließ der betrogene Teufel von seinem Opfer ab.
hmw