Erdstall#
Erdställe (Stall - Stelle, Ort) sind Höhlensysteme, die - nach jüngsten Forschungen - im 11. bis 12. Jahrhundert entstanden. Das Verbreitungsgebiet der meist in Lössgebieten angelegten Erdställe reicht von Ungarn über Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Tschechien und Bayern bis Frankreich und Spanien. Niederösterreichische Fundorte sind u.a. Althöflein, Dürnkrut, Gaweinsthal, Kleinzwettl, Neusiedl/Zaya, Platt, Röschitz und Wilhelmsdorf.
Schwer erkennbare Zugänge führen zu engen (1/2 m), niedrigen (1,30 m) Gängen und Räumen. Sie befinden sich oft in der Nähe von Kirchen, Wohnhäusern und Weinkellern. Entstehungszeit und Bauformen sind regional verschieden, die Funktion nicht geklärt. Als Erklärungen bestehen die Fluchthypothese und die Kulthypothese. Allerdings sind die Anlagen als Fluchträume und Verstecke wegen der schlechten Belüftung und geringen Dimension für längeren Aufenthalt ungeeignet. Bei der Kultstättentheorie ist die Art des vermeintlichen Kultes unbekannt.
Die labyrinthähnlichen unterirdischen Anlagen erweckten schon im 19. Jahrhundert Interesse. Damals stieß man vor allem beim Bau von Weinkellern darauf. Die erste systematische Forschungsarbeit in Österreich lieferte der Göttweiger Benediktinerpater Lambert Karner. In seinem Werk "Künstliche Höhlen aus alter Zeit" beschrieb er um die Jahrhundertwende alle damals bekannten Erdställe. In Bayern besteht eine Vereinigung der Erdstallforscher, die alljährlich internationale Tagungen abhält. Die Faszination auf Hobbyhistoriker ist ungebrochen.
Im Februar 2024 entdeckte der Bauer Josef Schmied bei Renovierungsarbeiten auf seinem Hof in Reinolz 4 in Dobersberg (Bezirk Waidhofen an der Thaya) ein 16 m langes Gangsystem aus dem Mittelalter. Drei enge Gänge, die sich verzweigen, aber nach wenigen Metern eingestürzt sind, standen unter Wasser. Die Gänge sind auf den ersten drei Metern ausgemauert, gebückt begehbar . Sie weisen einen engen waagrechten Durchschlupf mit 42 Zentimetern Durchmesser sowie 15 Lampennischen, eine nach oben führende Luftröhre und eine Trockenmauer auf, die vor einem Brunnen endet. Die Anlage soll erhalten und mit einem gesicherten Einstieg versehen werden.
Quellen: