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Megalithische Monumente und unterirdische Anlagen in der Steiermark#


Von

Heinrich Kusch, (Februar 2017)


Erdstall Alt-Schieleiten
Erdstall Alt-Schieleiten
Foto: Dr. Heinrich Kusch

Im alpinen und voralpinen Raum Zentraleuropas existiert eine große Ansammlung von megalithischen Steinmonumenten und unterirdischen Anlagen die zum Teil aus Trockenmauerwerk errichtet wurden. Sie wurden im Gegensatz zu den west- und nordeuropäischen prähistorischen Steinmonumenten bis jetzt kaum wissenschaftlich bearbeitet weil ihr Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit bescheiden war und eine unklare Beurteilung ihres Alters vorlag. Obwohl weltweit schon seit Jahrzehnten ältere aus dem prähistorischen Zeitraum stammende Datierungen vorlagen, gingen die bisherigen Altersinterpretationen über die Römerzeit, das Mittelalter oder die Neuzeit nicht hinaus. In den letzten zwei Jahrzehnten erfolgte durch den Grazer Prähistoriker Mag. Dr. Heinrich Kusch (Karl-Franzens-Universität in Graz), seiner Frau Ingrid Kusch, Studenten und Wissenschaftlern der Karl-Franzens-Universität mit Unterstützung der einheimischen Bevölkerung die kartographische Aufnahme und Teilbearbeitung von hunderten Steinmonumenten und unterirdischen Anlagen im nordoststeirischen Raum wovon einzelne in den letzten Jahren mittels TCN (Terrestrial Cosmogenic Nuclides) - Datierung der prähistorischen Epoche zugeordnet werden konnten.

Megalithische Monumente – Lochsteine und Menhire#

Lochstein Puchegg
Lochstein Puchegg
Foto: Dr. Heinrich Kusch

Steinmonumente im mitteleuropäischen Bereich fanden in der Archäologie bisher wenig Beachtung. Aber gerade in den letzten 20 Jahren hat sich das Wissen um prähistorische Steinsetzungen in Europa um ein Vielfaches vermehrt. Allein in Österreich existieren schätzungsweise noch weit über 1000 Menhire und Lochsteine in den Bundesländern Kärnten, Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Burgenland und der Steiermark. Es ist jedoch interessant, dass sich sehr viele in höheren Lagen im alpinen Bereich befinden. Speziell in der Nordoststeiermark konnten bis jetzt über 500 solcher alten Steinsetzungen dokumentiert und kartographiert werden. Die Dunkelziffer der steirischen Steinsetzungen dürfte um einiges höher sein, weil auch aus der Weststeiermark derzeit bereits über 40 Steinsetzungen aus dem Gebiet der Kor- und Gleinalpe erfasst sind. Auch in Italien, der Schweiz und in Deutschland (z. B. Bayern) sind hunderte Steinsetzungen bekannt und teilweise auch gut dokumentiert.

Megalithische Monumente – Unterirdische Anlagen#

Grubergang
Grubergang
Foto: Dr. Heinrich Kusch

Gerade im Raum um Vorau, wo bis heute weit über 1000 archäologische ober- und unterirdische Fundplätze wiederentdeckt werden konnten, gelang es hunderte offene unterirdische Anlagen zu untersuchen und teilweise wissenschaftlich zu bearbeiten. Ein besonders markantes Merkmal der bei und um Vorau existierenden über 50 Trockenmauergänge ist die Kraggewölbebauweise der Deckenteile, die mit zubereiteten schweren Steinplatten abgedeckt worden sind. Eine solche Architektur weist weder auf das Mittelalter oder die Neuzeit hin, denn da wurden meist halbrunde Gewölbebögen errichtet. Wir kennen Kraggewölbe europaweit hauptsächlich aus dem Abschnitt vor der Römerzeit, also aus der prähistorischen Epoche! Diese Bauweise ist in der Steiermark sowohl in den sogenannten „Schutzräumen“ der vermuteten prähistorischen Bergsiedlungen, als auch bei den verfallenen und wieder hergestellten Zugangsbereichen von Erdstallanlagen sowie bei unterirdischen Felsgängen vorzufinden. Durch diese Bautechnik wurden die teilweise unzugänglich gewordenen unterirdischen Anlagen wieder begeh- und nutzbar gemacht. Interessant ist es, dass bei drei datierten und vom Menschen bearbeiteten Deckplatten von unterirdischen Anlagen im Raum um Vorau ein vorläufiges Mindestalter zwischen 10000 und 12000 Jahre vor heute mittels TCN-Datierung gemessen wurde. Dieses Alter kann vorläufig als Richtwert für diese Bauten angegeben werden und korrespondiert international mit jenen megalithischen Kulturresten von „Göbekli Tepe“ aus Ostanatolien (Türkei).

Vorläufige TCN-Ergebnisse aus dem Raum Vorau#

Durch den Einsatz der international seit Jahrzehnten im Fachbereich der Geologie und der Archäologie anerkannten naturwissenschaftlichen Datierungsmethode TCN gelang es erstmals vorläufige Richtwerte über ein Mindestalter einzelner vom Menschen zubereiteter Überdeckplatten und Menhire zu ermitteln, die neue Erkenntnisse in Bezug auf unsere mitteleuropäische Vergangenheit aufzeigen. Mit dieser Methode ist es möglich einen Richtwert einer Gesteinsoberfläche zu bekommen, wann sie je nach Fundposition und Datierungsart (exposure- oder burialage) das erste bzw. letzte Mal an der Erdoberfläche der kosmischen Strahlung ausgesetzt war. Bei fachgerechter Anwendung kann die Möglichkeit einer Altersbestimmung durch die kosmische Strahlung (kosmogen erzeugten Nuklide 10Be und 26Al) in quarzhaltigen Gesteinen durchgeführt werden. Ursprünglich wurde die TCN-Methode in der Geologie zur Datierung von Landschafträumen oder Gletschermoränen die das Eis freigegeben hat eingesetzt. Erst vor rund zwei Jahrzehnten hat diese Datierung auch in Fragestellungen der Archäologie ihren Eingang gefunden. Von der Universität Graz wurde diese bisher nur in der Geologie angewandte Methode erstmalig auch im Rahmen der ur- und frühgeschichtlichen Forschungen in der Steiermark eingesetzt.

Expositionsalter der Vorauer Fundplätze#

FundplatzProbenbezeichnungTCN-Datierung
FranzosenhöhleFHM19201210893 ± 393 Jahre
GrubergangSGP19201210382 ± 288 Jahre
Kandelhofer-ErdstallKEPU1201323965 ± 694 Jahre
SchutzraumSTKH2201310293 ± 285 Jahre
StreblgangSGPU1201220258 ± 531 Jahre
Lochstein WenigzellLS19201213953 ± 333 Jahre

Die Annahme, dass es sich bei diesen in manchen Fällen oft tonnenschweren bearbeiteten Steinen (Menhire, Lochsteine und Deckplatten) um sogenannte „Findlinge“ handeln könnte, die ein Gletscher nach dem Abtauen an der Oberfläche in dieser Region der Steiermark zurückgelassen hat trifft bei den ausgewählten und datierten Megalithen in jenem geographischen Abschnitt wo diese gefunden wurden nicht zu. Die Datierung von ausgesuchten lokalen Findlingen ergab ein Alter um die 55000 Jahre. Diese Werte weisen auf eine Kaltzeit vor der letzten Eiszeit hin. Im Gebiet um Vorau gab es während der letzten Eiszeit keine wissenschaftlich nachweisbare Vergletscherung und somit auch keine durchgehende Vereisung der Erdoberfläche, die eine TCN-Datierung der untersuchten Gesteinsoberflächen wegen der Abschirmung von der kosmischer Strahlung durch massive Eisschichtenbeeinflussen könnte.

Menhir und Lochsteinvorkommen um Vorau NO-Steiermark
Menhir und Lochsteinvorkommen um Vorau NO-Steiermark
Grafik Peter Holl und Heinrich Kusch
Verbreitung der unterirdischen Anlagen um Vorau
Verbreitung der unterirdischen Anlagen um Vorau
Grafik: Dr. Heinrich Kusch

Zum Alter der unterirdischen Anlagen und Erdställe#

Der Begriff „Erdstall“ wird heute in Europa für kleinräumige und niedere, oft sehr schön gearbeitete unterirdische Gänge verwendet. Dieser geht auf eine Nennung eines unterirdischen Objekts in einem Schriftstück aus dem 15. Jahrhundert zurück, in dem von einer „Stelle in der Erde“ berichtet wurde. Davor im Mittelalter hat man sie laut Information der Kirche als „Schratteln“ bezeichnet. Charakteristisch für diese Art von unterirdischen Anlagen sind u. a. Durchschlupfe, Kreisgänge und manchmal auch unterschiedliche Niveaus im Gangverlauf.

Zeittafel
Zeittafel
Grafik: Prof. Peter Holl

Obwohl schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts an der Erdstallforschung interessierte Einzelpersonen die Meinung vertreten haben, Erdställe und andere unterirdische Anlagen könnten älter als das Mittelalter sein, gab es ab den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts andere Annahmen. Ausschlaggebend für die diskrepanten Einschätzungen des Alters der Anlagen war der Einsatz der Radiokohlenstoffdatierungen, besser bekannt unter dem Begriff 14C-Datierungen, die auf dem Nachweis des in der Erdatmosphäre gebildeten und von lebenden Organismen aufgenommenen Isotops14C basiert. Bis heute wurden insgesamt fünf organische Materialien (z. B. Holzkohle) aus den Verfüllungen von Erdställen datiert. Das untersuchte organische Material wurde einem Zeitraum zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert, also dem Mittelalter, zugeordnet. Es ist jedoch zu beachten, dass Keramikfunde und 14C-Datierungen von Holzkohlestücken oder anderem organischen Material in den Ablagerungen der Erdställe jenen Zeitraum angeben, in dem diese Gegenstände in die Verfüllungen eingebracht wurden und zeigen durch die stratigraphische Dokumentation auf unter welchen Umständen (Mensch, Tier oder Witterung) diese in die Sedimentablagerungen hinein gelangt sind. Daher geben solche zeitliche Zuweisungen einen konkreten Hinweis auf eine Anwesenheit bzw. Tätigkeit von Menschen in dieser Epoche, erlauben jedoch im Gegensatz zu TCN-Datierungen nur mit Einschränkungen Rückschlüsse auf den Errichtungszeitraum solcher unterirdischer Anlagen.

Europäische Beispiele für prähistorische Erdstallanlagen#

Aus vielen künstlich geschaffenen unterirdischen Anlagen in Europa (z. B. in Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, England, Schottland, Irland, Deutschland, Tschechien, Ungarn und Österreich) kennen wir heute prähistorisches Fundmaterial aus allen Epochen dieses Zeitraumes. Dabei handelt es sich um geschliffene Lochbeile, Pfeilspitzen, Steinklingen, Spinnwirtel, Schmuck, Keramik u.v.a.m., aber auch um Bronzegegenstände. Erst in jüngster Zeit hat man bei archäologischen Ausgrabungen der Masarykovy-Universität in Brno (Tschechien) die im Rahmen von Flächenuntersuchungen stattfanden, unterhalb von neolithischen und bronzezeitlichen Siedlungen im Raum Mähren einige unterirdische Anlagen in Verbindung mit Depotgruben freigelegt und wissenschaftlich bearbeitet. Diese Objekte befinden sich in der Region um Brno im Raum von Haná bei Prostějov. Eine jungneolithische Anlage liegt in Modřice–„Sádky“. Aus dieser konnte ein jungsteinzeitlicher Fundkomplex (Keramik) geborgen und typologisch auf ein Alter von 7700 Jahre vor heute datiert werden. Diese Anlagen wurden von ihrer Bauweise her mit den bekannten Erdstallvorkommen in Mitteleuropa verglichen und gelten laut den bearbeiteten Wissenschaftlern vorläufig als die ältesten Nachweise für solche unterirdischen Bauten in Tschechien. Südlich der Stadt Brno wurde im Jahr 2015 in der Industriezone der Stadt Modřice in 4,5 m Tiefe ein rund 70 m langes unterirdisches Gangnetz freigelegt, das komplett mit Sedimenten, Löss und eingelagerten Funden verfüllt war, die der Podoler Phase der jungbronzezeitlichen Urnenfelderkultur zugerechnet wird. Die beiden Bearbeiter dieser unterirdischen Anlagen Univ.-Prof. Dr. Josef Unger und Mag. Petr Kos berichteten in ihrem Skriptum, das im September 2016 bei der internationalen Erdstall-Tagung in Strahlfeld (BRD) vorgetragen wurde, noch über weitere unterirdische Objekte im mährischen Bereich die durch archäologisches Fundmaterial der Aunjetitzer Kultur, 3900 – 3500 Jahre vor heute, zugewiesen werden konnten. So gesehen besteht zu Recht die Annahme, dass der überwiegende Teil dieser und der oststeirischen Anlagen in der prähistorischen Epoche geschaffen wurde. Allerdings sollte zu diesem, in der Zwischenzeit wissenschaftlich belegten prähistorischen Zeitrahmen, der Zusatzvermerk „Unbestimmte Zeitstellung“ hinzugefügt werden, weil derzeit noch nicht erklärt werden konnte, wann genau und wie die unterirdischen Anlagen hergestellt worden sind.

Literatur Online#

Literatur#

  • Heinrich & Ingrid Kusch (2009): Tore zur Unterwelt, 4. Aufl., Graz, 208 p.
  • Heinrich & Ingrid Kusch (2014): Versiegelte Unterwelt, 1. Aufl., Graz, 208 p.


Mag. Dr. Heinrich Kusch, Direktion für Ressourcen und Planung, Karl-Franzens-Universität Graz