Nikolo#
Seit Jahrhunderten gilt der "Nikolo" als (anfangs unsichtbarer) Gabenbringer. Dies erklärt sich aus der Legende und dem Schülerpatronat des hl. Nikolaus. Kinder stellten ihre geputzten Schuhe auf oder bastelten kleine Schiffe, die sie am Morgen mit Äpfeln, Nüssen und Süßigkeiten gefüllt vorzufinden hofften. Aus dem Kloster Tegernsee ist ein Kindergebet aus dem 15. Jahrhundert überliefert: „Heiliger St. Nikolas, in meiner Not mich nit verlaß, / kombt heint zu mir und leg mir ein in mein kleines Schiffelein / darbay ich Ewer gedenkhen kann, das jr seit ein frommer Mann.“
Die Ablöse des unerkannt bleibenden Gabenbringers durch den Einkehrbrauch wird mit dem Konzil zu Trient (1545-63) in Verbindung gebracht. Dieses sollte, nachdem Martin Luther (1483-1546) in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts seine reformatorischen Schriften verfasst und diese große Wirkung gezeigt hatten, die Lehre von Schrift und Tradition, Erbsünde und Rechtfertigung, Messopfer, Sakramenten und Heiligenverehrung wieder ins rechte - katholische - Licht rücken. Die Bischöfe mussten ihre Gemeinden visitieren, ebenso visitierte der verkleidete Bischof Nikolaus in der Folge die Familien. Alle guten Taten und das Sündenregister waren im „goldenen Buch“ verzeichnet, mit dem der Darsteller die Kinder ermahnte. Die Gestalt des Bischofs als Gabenbringer, der die Kinder prüft, aber nie selbst straft, wurde oft von einem dunklen Gehilfen Krampus begleitet. Leopold Schmidt sprach von der barocken „Schwarz-Weiß-Kontrastierung“, die den Gegensatz von Gut und Böse verdeutliche.
Laut einer KMU-Umfrage der Wiener Wirtschaftskammer gaben die Wienerinnen und Wiener 2022 im Schnitt 40 Euro für Nikolausgeschenke aus. 8 von 10 der Befragten will Geschenke machen, am häufigsten Kindern (38 %) und Partnern (35 %)
Am beliebtesten sind Süßigeiten (75 %) und Spielwaren (25 %).
Bevor das Christkind
mit seinem Baum die biedermeierliche Familienidylle zu Weihnachten prägte, gab es Nikolausbäumchen, die einemChristbaum zum Verwechseln ähnlich sahen. Auch sie trugen Backwerk, Obst, Lichter und Spielzeug. Diese Kombination aus Christbaumfest und Nikolobescherung zeigt ein Aquarell von Xaver Paumgarten (1820) im Wien Museum. Das geschmückte Bäumchen steht auf dem Tisch, aus der Krampusbutte schauen die Füße eines Buben, der Nikolo reicht einem kleinen Mädchen die Hand.
In Wien gab es in den letzten Jahren - aus pädagogischen und weltanschaulichen Gründen - Diskussionen um das Auftreten des Nikolo in Kindergärten. Andererseits bestellen viele Familien einen professionellen „Miet-Nikolaus“ nach Hause. Die Darsteller sind als Bischof, mit Vollbart, Mitra und Bischofsstab kostümiert. Die Katholische Jungschar vermittelt seit 20 Jahren speziell geschulte DarstellerInnen. Die Kinder sollen sich keinesfalls fürchten, dürfen die Mitra aufsetzen und den Bischofsstab halten. Diese Besucher sprechen freundlich mit den Kindern und erzählen ihnen Legenden über den Heiligen. Sündenregister und Krampus lehnen sie ab. Das traditionelle "goldene Buch" wird zur "goldenen Bibel". In der Diözese Eisenstadt bieten katholische Jugend und Jungschar Schulungen für Nikolaus-Darsteller an. An einem Abend werden historische Hintergründe Informationen zur Ausstattung und Erfahrungsberichte aus der Praxis vermittelt. Familien, die 2022 den Besuch eines geschulten Nikolausdarstellers wünschten, konnten sich an die katholische Jungschar wenden. Der Besuch dauerte eine halbe Stunde und kostete 40 bis 50 Euro. In Einkaufsstraßen und in Einkaufszentren fungiert der Nikolo als sympathischer Werbeträger.
In Niederösterreich, wie auch in Salzburg rissen die Kontroversen um Nikolo und Krampus nicht ab. In Niederösterreich sah sich die Landeshauptrau veranlasst. ein Schreiben an Kindergartenleitungen und Pädagogen zu richten. Darin bestärkt sie diese, die Bräuche auszuüben und nennt sie "einen wertvollen Beitrag zur Identitäts- und Bewusstseinsbildung." Im Salzburger Ort Plain eld sollte der Nikolo nicht mehr in den Kindergarten kommen. Das Verbot wurde ausgesetzt, jetzt sollen die Eltern entscheiden.
Der pädagogisierende Aspekt zeigte sich in Umzügen und Stubenspielen, die unter den Begriff "Volksschauspiel" fallen. Leopold Schmidt hat darauf hingewiesen, dass die Polemik des 18. Jahrhunderts dagegen "von denselben Kreisen ausgeht, die das ganze Adventspielwesen ursprünglich formen geholfen hatten, und aus deren Mitte auch noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gedruckte Adventspiele hervorgingen." Nikolaus und eine Reihe rauer Gesellen, wie Krampusse oder Knecht Ruprecht und andere Rollenspieler nahmen daran teil, erschreck(t)en Kinder und junge Mägde. In Mitterndorf (Steiermark) wird in Gaststätten die Tradition des Nikolospiels gepflegt. Sie steht seit 2020 auf der UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes. Durch die Gassen und über den Dorfplatz ziehen Scharen von als Krampus verkleideten Buben und Burschen. Wer sich auf die Straße wagt, den attackieren sie mit ihren Ruten. Verschont bleibt, wer sich nur auf dem Gehsteig aufhält. Der Niglo-Umzug von Windischgarsten wurde 2011 in die nationalen UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
An das Wasserpatronat knüpfen Bräuche an der Donau an. In der Filialkirche Schwallenbach der Pfarre Spitz wird eine Schiffermesse gefeiert. Eine Brauchinnovation verdankt Spitz dem damaligen Kremser Kulturamtsleiter Dr. Ernst Englisch, der 1996 das "Schifferlsetzen" einführte. So findet am Nikolaustag in der Spitzer Kirche eine kurze, von Kindern gestaltete Vesper statt, danach erfolgt eine Prozession mit dem Nikolausdarsteller zur Donau. Jedes Kindergarten- und Volksschulkind bringt ein selbstgebasteltes Schiffchen (Holzbrett mit Korken und Teelicht) mit, das von der Feuerwehr ins Wasser gesetzt wird. Die Lehrerin Barbara Ertl aus Mühldorf hat dazu ein Lied komponiert. Das Lichtermeer auf der Donau erinnert an das Lichterschwemmen auf der Moldau am Tag des hl. Johannes Nepomuk.
Ein Schifferlsetzen anderer Art fand 2024 Aufnahme in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes. Es ist im Mariazellerland (Steiermark) rund um den Nikolaustag Tradition. Dabei basteln Kinder in der Familie oder in Bildungseinrichtungen kleine Papierschifferl, die sie bunt bemalen. Am „Krampustag“ werden diese heimlich bei Verwandten und Bekannten „gesetzt“ und am Nikolaustag mit Süßigkeiten, Nüssen und anderen Kleinigkeiten gefüllt, abgeholt.
Quellen:
Alois Döring: Rheinische Bräuche durch das Jahr. Köln 2006. S. 382 f.
Dietz-Rüdiger Moser: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Graz 1993. S. 41 f.
Leopold Schmidt: Das deutsche Volksschauspiel. Berlin 1954. S. 36 f.
Helga Maria Wolf: Weihnachten. Kultur & Geschichte. Wien 2005. S. 37, 196f.
Burgenland 2021, publiziert 1.11.2021
Mitterndorfer Nikolospiel
2022: "oe 24", 2.12.2022
Ingrid Koch und Claus Hamberger (Hg.): St. Mauritius zu Spitz. Geschichte und Geschichten der Pfarrkirche. Spitz 2022
Bezirksblatt 12/2022
"Heute", 27.11.2023
Bilder:
Nikolofiguren und Gabentisch, Wien 2020
Nikolausdarsteller Werner Kalcher (+) und sein Chef, Alfred Wolf, auf Gratulationstour zu Kunden, Wien 1979
Stiefel für den Nikolo vor der Wohnungstür, Wien 2019
Nikolodarsteller im Q 19 und Döblinger Hauptstraße, Wien 2013
Fotos (außer s-w): Doris Wolf
Siehe auch:
Heimatlexikon Nikolo in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015