Christbaum#
In weiten Teilen Europas befestigte man im Winter über der Haustür, im Stall und in den Wohnräumen Reisig, wie Sebastian Brant 1494 in seinem „Narrenschiff“ feststellte. In der Steiermark und im Burgenland waren noch Mitte des 20. Jahrhunderts hängende Christbäume bekannt, die man am Balken der Stubendecke mit dem Wipfel nach oben oder nach unten anbrachte und mit Papierketten schmückte. Viele Details ähneln sich beim Gebrauch des Weihnachtsgrüns an unterschiedlichen Orten und Zeiten, Christbaum-Vorläufer und kontinuierliche Entwicklungsreihen lassen sich daraus aber nicht ableiten.
Die Landwirte steckten Buschen (Boschen) auf den Zaun, in den Hof, zum Stall, auf den Brunnen oder auf den Misthaufen und putzten damit die Kamine - was 1729 in Salzburg verboten wurde. Außerdem rügte die Obrigkeit den „abergläubigen Gebrauch“ der Nadelbäume. Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens weist bei allen verwendeten immergrünen Pflanzen (Fichte, Tanne, Föhre, Wacholder) darauf hin, dass ihre spitzen Nadeln zur Abwehr von Unheil, Blitzen, Dämonen, Hexen und Gespenstern dienen sollten. Nachrichten über geschmückte Christbäume finden sich 1419 in Freiburg/Br., 1561 in Ammerschweier im Elsass, 1604 in Strassburg. In nachreformatorischer Zeit lehnten katholische wie evangelische Pfarrer den Christbaumbrauch ab, letztere aber offenbar weniger.
Protestantische deutsche Bürgerfamilien und Adelige, die zur Kongresszeit nach Wien kamen, zählten hier zu den Innovatoren des Christbaum-Brauches. Viel zitiert in diesem Zusammenhang ist Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg (1797-1829), die Gattin Erzherzog Karls (1771-1847), in deren Stadtpalais 1816 einer der ersten Christbäume stand. 1814 wurde das erste „Christbaumfest nach Berliner Sitte“ in Wien aktenkundig. Der geschmückte Baum befand sich in der Familie des Bankiers Nathan Adam Arnstein (1748-1838) und seiner aus Berlin stammenden Frau Franziska (1758-1818). Fanny Arnsteins großbürgerlich-liberaler Salon (Hoher Markt 1) bildete einen Mittelpunkt des Kultur- und Gesellschaftslebens. Ein Geheimpolizist, der sich unter den Gästen befand, berichtete am 26. Dezember 1814 „Bei Arnsteins war vorgestern nach Berliner Sitte ein sehr zahlreiches Weihbaum- oder Christbaumfest. Es waren dort alle getauften und beschnittenen Anverwandten des Hauses. Alle gebetenen, eingeladenen Personen erhielten Geschenke oder Souvenirs vom Christbaum.“ Einige Jahre zuvor feierte man im katholischen Wien ein Familienfest mit Baum und Bescherung nicht zu Weihnachten, sondern am Tag des hl. Nikolaus, der als Gabenbringer galt und dies noch einige Zeit parallel zum Christkind blieb. Zwischen 1830 und 1850 hielt der Christbaum Einzug in die bürgerliche Mittelschicht.
Österreichweit werden rund 2,8 Millionen Christbäume verkauft, meist Nordlandtannen und Edeltannen aus Niederösterreich, aber auch Fichten und Föhren. Wie eine "Marktagent"-Umfrage ergab, stellen 2024 fast die Hälfte der ÖsterreicherInnen ihren "Schmuckbaum im Advent" bereits Mitte Dezember auf. Alternativ macht sich auch ein Trend zum Dekorieren von Zimmerpflanzen und Kunststoff-Bäumen bemerkbar. In Wien konnte man Christbäume ab 12.12.2024 kaufen. An 248 Standorten wurden 400.000 Exemplare aus dem In- und Ausland angeboten. Die Preise haben sich gegenüber dem Vorjahr kaum erhöht: 15 bis 35 €/m für Tannen, 10 bis 30 €/m für Fichten.
Schon am 13. Jänner 2024 schlossen die 583 Christbaum-Sammelstellen in Wien. Im letzten Jahr sind dort mehr als 140.000 Bäume gelandet und n die Müllverbrennungsanlage Pfaffenau in Simmering gebracht worden. Durch die bei der Verbrennung entstandene Energie wird Strom und Fernwärme erzeugt – damit können rund 1300 Haushalte einen Monat lang mit Strom und doppelt so viele mit Fernwärme versorgt werden. Ein Teil der Christbäume ist an Pinzgauer Ziegen in der Deponie Rautenweg und an die Elephanten im Schönbrunner Zoo verfüttert worden.
2021 ergab eine "Spectra"-Umfrage, dass 71 % der österreichischen Haushalte einen Christbaum anschaffen, davon bevorzugen 62 % eine Tanne, 19 % einen künstlichen Baum, 10 % für eine Fichte und 6 % für einen Lebendbaum im Topf. 82 % bringen ihren Christbaum mit dem Auto heim, 12 % zu Fuß.
1871 berichtete die Familienzeitschrift "Gartenlaube" von einem Christbaum für alle bei Schulen und Kirchen. 1912 stand der erste auf einem öffentlichen Platz, dem Madison Square in New York, 1915 und 1919 gibt es Belege aus Deutschland, Schweden und Norwegen. In Österreich befanden sich beleuchtete Weihnachtsbäume u.a. vor der Wiener Staatsoper, 1955 in mehr als 600 Orten. Symbolische Baumgeschenke gab es erstmals 1945 durch die Norweger für London. In Wien erhebt sich seit 1959 ein Baum aus einem anderen Bundesland - erstmals: Kärnten - vor dem Rathaus. 2024 ist es eine 34 m hohe, 80 Jahre alte Fichte aus Rastenfeld im Waldviertel (NÖ). Zum ersten Mal wird der Baum nicht nur mit LED-Lampen, sondern auch mit 1000 Kugeln dekoriert.
Der erste "Christbaum für alle" des Jahres 2024 kam aus dem Revier Traunkirchen der Österreichischen Bundesforste. Die 100 Jahre alte Tanne wurde am 23. Oktober im Ehrenhof des Schlosses Schönbrunn aufgestellt. Auch Parks in den Wiener Bezirken und in den Landeshauptstädten Linz, Graz, Klagenfurt und Salzburg zieren "Christbäume für alle".
Jedes Jahr erhält der Papst für die Krippe auf dem Petersplatz einen Baum aus unterschiedlichen europäischen Ländern (Österreich zuletzt 2008). 2024 kam er aus der aus der Nähe des Gardasees in der Provinz Trentino. Zuvor sammelten die Bewohner von Val di Ledro 50.000 gegen die Abholzung der 30 Meter hohen und 200 Jahre alten Tanne. Der Papst müsse dieses „nutzlose, anachronistische Massaker stoppen“ forderten sie – ohne Erfolg „Es macht keinen Sinn, über Schäden durch den Klimawandel zu sprechen, wenn wir dann solche Bräuche aufrechterhalten, die den Tod einer jahrhundertealten Tanne fordern, ein Symbol für die anderen Millionen von Bäumen, die jedes Jahr in Italien und auf der ganzen Welt für ein Fest gefällt werden, für das der Baum nicht einmal das Symbol ist,“ Wenn schon, sollte man die Tanne an ihrem natürlichen Standort in 1200 m Höhe schmücken und auf dem einen dauerhaften künstlerischen Baums aus Holz aufstellen, das von Bäumen stammt, die aufgrund des Klimawandels umgestürzt seien. Die öffentlichen Mittel von 60.000 Euro für Lieferung und Transport des Baumes könnten besser verwendet werden. Der Bürgermeister des 5.000-Einwohnerortes entgegnete, dass die meisten Unterzeichner des Protestes nicht aus Ledro stammen.
Private "Christbaum-Galerie", Wien 2020:
"Rustikaler Christbaum" (Fichte) mit Strohschmuck und Bienenwachskerzen
Moderner Baum (Eibe) mit Glas- und Schokoladekugeln, Stearinkerzen und Goldlametta
"Weißer Baum", (Fichte) wie er um 1900 modern war mit historischem Glasschmuck, Stearinkerzen und altem Silberlametta
Faltbarer Christbaum, 20. Jh.
Outdoor-Baum (Föhre)mit Kunststoffschmuck aus den 1970er Jahren
Quellen:
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Wien 1992-1997. Bd 1 / 162 f.
Helmut Fielhauer: Christbaum-Nachlese. In: Volkskunde als demokratische Kulturgeschichtsschreibung. Wien 1987. S. 246-263
Leopold Schmidt: Brauch ohne Glaube. In: Ethnologia Bavarica Heft 5. Würzburg 1977
Helga Maria Wolf: Weihnachten. Kultur & Geschichte. Wien 2005. S. 38 f
Richard Wolfram: Christbaum und Weihnachtsgrün. Kommentar zum Öst. Volkskundeatlas. S. 54
CD-Rom Im Winter und zur Weihnachtszeit. Salzburg 2002
2021 ÖAMTC: Wiener Bezirksblatt
"Kurier" 15.11.2022, 18.12.2022, 5.1.2023
Bezirkszeitung, 14.12.2022
"Heute" 10.12.2023
Entsorgung, publiziert 13.1.2024
"Oe 24", 22.10.2024
Italien: Christbaum für Petersplatz: Protest gegen Fällung - religion.ORF.at, publiziert 15.11.2024
2024, publiziert 8.12.2024
2024, publiziert 12.12.2024
Bilder:
Christbaum 1957, Foto: Alfred Wolf
Alle anderen Fotos: Doris Wolf, 2012 bzw. 2020
Siehe auch:
Christbaumschmuck
Heimatlexikon