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Bild 'Birkhan Pimperltheater'

Helmut Birkhan:

Eine kleine Theatergeschichte#

Der Mediävist und Keltologe Univ. Prof. Helmut Birkhan hat ein "historisches" Hobby: Ein "Pimperltheater", ein Kinder-Marionettentheater aus der Zeit um 1900.



Besonders im 19. Jh. erfreuten sich die Kinder an Papiertheatern, in denen die handelnden Figuren aus Papier oder dünner Pappe waren. Sie waren unbeweglich in einer charakteristischen Stellung und wurden von den Spielenden herumgeschoben. Wenn man kleine Püppchen von etwa 10-12 cm Höhe an Drähten führte, so hatte man ein Kinder-Marionettentheater ‒ in Wien hieß es „Pimperltheater“ ‒, wobei die Marionetten oder Pimperlfiguren selbst in der damals modernen oder auch in illusionistischer Kleidung durch Gipsköpfe etwa mit Helmen als Ritter oder Kronen als Könige gekennzeichnet waren. Über der Guckkasten-Bühne sind für Zuseher unsichtbar Drähte gespannt, in die man Figuren, die nicht gerade agieren, aber auf der Bühne sein müssen, einhängen kann. Die Bühne selbst ist eine flache umgelegte Kiste, in der eine Versenkungsklappe angebracht ist.

Das höchste Lob für das Pimperltheater ist, wenn es illusionistisch wirkt. Blitz, Donner und farbiges Licht sind unschwer herzustellen, ein „Vogelspotter“ ‒ ein in dieser Form heute ausgestorbenes Gerät zum Imitieren von Vogelstimmen ‒ zusammen mit den entsprechenden Kulissen und Licht erzeugt „Waldesstimmung“. Dabei ist es höchst bemerkenswert, daß das kindliche Theaterpublikum, zu dem auch ich bis etwa zum zwölften Lebensjahr gehörte, keinen Anstoß daran nahm, daß die illusionistische Wirkung nur aus einem bestimmten Sichtwinkel voll zur Geltung kommt. Betrachtet man das Theater außerhalb dieses Winkels, so sieht man unweigerlich hinter die Kulissen und nach oben über die Führungsdrähte. Abbildungen des 19. und frühen 20. Jh. zeigen, daß das die spielenden Kinder eigenartigerweise nicht störte. Man kann die Bedeutung dieser Theater gar nicht überschätzen: sie waren bis in meine Kindheit nicht minder wichtig und beliebt als die Handpuppenspiele.

Wie Helmut Birkhan in seinem Buch Eine Kindheit in Wien beschreibt, erhielt er als Achtjähriger zu Weihnachten 1946 ein Marionettentheater der Firma Schreiber (Esslingen, D). Es fasziniert ihn bis heute. Mit der Fachkenntnis des Sprachwissenschaftlers und viel Humor verfasst er komisch-parodistische Stücke und kreiert Figuren. Ein solches illusionistisches Theater ist von meinem Großvater (um 1870) über meinen Vater (um 1910) auf mich (1947) gekommen. Um diese Zeitpunkte herum wurden Figuren angekauft, die z.T. sehr ausdrucksvoll sind. Die jüngsten sind die Gipsfiguren eines Bauern und einer Hexe aus der Zeit vor 1945. Danach schnitzte mein Vater einige, deren Glieder beweglicher sind als die der gekauften. Die jüngste Gruppe, z.B. den schröcklichen Teufel, habe ich selbst verfertigt. Andere sind Reiseerinnerungen: die maurischen Ritterzwillinge an Sizilien, die Figur Lenins an Moskau. Außer den 50 Figuren habe ich auch viele Kulissen und Requisiten aus diesen vier Zeitstufen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei auch hier der Bestand ziemlich disparat ist. Das war aber die lockende Herausforderung: eine Handlung zu ersinnen, in der sowohl die ausdrucksvolle Gipsmarionette des „Wolf als Großmutter“, wie sie für „Rotkäppchen“ gebraucht wurde, und in der Lenin, aber auch der Suezkanal, der Hintergrund „Im ewigen Packeis“ oder ein japanisches Interieur ihren Platz hatten. Es gab auch eine Anzahl alter für das Kindertheater verfasster Textbücher, an denen ich mich in meiner Kindheit orientierte, also den Text mit verstellter Stimme las und dazu die Puppen führte. Als Liebhaber von Goethes „Faust“, aber auch mit Hinblick darauf, daß das Faustthema von Anfang an im Puppenspiel besonders beliebt war, habe ich mich für den „Faust“ als Kern- oder auch Rahmenthema entschieden, genauer gesagt den alten vorgoetheschen „Ur-Faust“, der hier freilich Goethe-Anklänge zeigt. Es mußte jedoch auch das germanische Heidentum, die Lohengrin-Sage, „Hänsel und Gretel“, „Dornröschen“ und andere Sagen- und Märchenmotive, auch das „Theater im Theater“, einbezogen werden, damit wirklich alle Kulissen und Figuren in Erscheinung treten.

Sein jüngstes Werk - ein satirisch-romantischer Text in fünf Akten - nennt Helmut Birkhan "Eine kleine Theatergeschichte oder Der Lauf der Welt " Es gibt zwar keine öffentlichen Vorführungen, doch ein "Kindle"-Buch mit den Texten und mehr als 230 Farbbildern. (ca. € 15,-) Dazu schreibt er: Wer mich kennt, kann erwarten, daß es hier nicht ohne komische, insbesondere parodistische Elemente zugeht, ja, ich hoffe, der Leserin und dem Leser ein verschmitztes Lächeln ins Gesicht zu zaubern, vielleicht sogar ein befreites Lachen. Das wäre mein und meiner Puppen höchstes Ziel.

hmw