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Stroh#

Stroh

Generationenlang prägten die "Strohmanndeln", zusammengefügte Garben auf dem Feld, das Landschaftsbild Europas. Die Formen waren verschieden, regional wurden die Halme auch zum Trocken aufgehängt, ehe man die Ernte zum Dreschen in die Scheune einführte. Stroh war in der bäuerlichen Kreislaufwirtschaft kein Abfall, sondern ein wertvolles Rohmaterial. Der schützende und wärmende Naturstoff diente vielen Zwecken, vom Bett bis zur Dachdeckung. Bauern benötigten die ausgedroschenen Halme u.a. zum Binden der Garben und zum Aufbinden der Weinstöcke. Dazu wurden die Strohschabe in Strohriedel geteilt, von Kindern im Bach weich getreten und zur Arbeit feucht gehalten. Strohhüte, Bienenkörbe, Simperl für den Brotteig, große Taschen (Zöger) und Transportgefäße für Weinflaschen wurden aus Stroh geflochten. Diesen verdankten die Männer von Stratzing (Niederösterreich) ihren Spitznamen "Zegerltrager". In Salzburg war das Flechten von Schuhen eine bäuerliche Winterarbeit. Dazu benötigte man Roggenstroh, Leisten, Stoff als Futter, Spagat zum Vernähen und Karton für die innere Sohle. Die Strohschlapfen oder -patschen trug man als Hausschuhe. In jüngster Zeit bildete der Verkauf von Flechtwerken aus Stroh zu Dekorationszwecken einen Nebenerwerb im Burgenland.

In der Stadt verwendete man Stroh vor allem zum Stopfen der Strohsäcke an Stelle von Matratzen. Wenn wohlhabende Wiener Bürger erkrankt waren, ließen sie Stroh-Häcksel vor ihren Häusern aufstreuen, um den störenden Straßenlärm zu vermindern. Die Lagerplätze in einer Biegung des Donaukanals gaben dem Stroheck im 9. Bezirk seinen Namen. Bis 1720 fanden hier (später in der Weißgerber-Vorstadt) Strohmärkte statt. Die Friedensbrücke hieß danach Stroheckbrücke, die nahe Stroheckgasse behielt ihre Bezeichnung. Im 3. Bezirk gibt es eine Strohgasse, die nach dem Strohmagazin der Heumarktkaserne benannt ist. Die Strauchgasse in der Innenstadt hieß 1701 und 1766 Strohgässel. 

In Bräuchen spielte das Nebenprodukt der Getreideeernte eine ambivalente Rolle. Es wurde für Vermummungen im Fasching, verwendet, z.B. Strohschab im Ausseer Land, Buttenmanndl in Berchtesgaden (D). Im Weinviertel warfen die Burschen vor Allerheiligen Strohzöpfe auf Häuser, in denen junge Frauen wohnten. Aus Stroh geflochtene Heurigen -zeiger und die Weinbeergeiß aus diesem Material sind positive Symbole. Hingegen musste die schwangere Braut bei der Hochzeit einen Strohkranz statt eines Blumenkranzes tragen. Im mittelalterlichen Rothenburg ob der Tauber (Deutschland) war es üblich, dass die "leide" Braut mit einem Strohzopf vor der Kirchentür stehen und ihr Verführer an drei Sonntagen den Gottesdienst mit einem Strohmantel bekleidet besuchen musste. Eine weit verbreitete Schandstrafe für ledige Mütter war, mit dem Strohkranz aus dem Ort gejagt zu werden. Ein Strohmann oder eine Strohgretel personifizierte den Fasching, der am Ende verbrannt oder begraben wurde. Als "Hexe" findet eine mit Feuerwerkskörpern gefüllte Strohpuppe an der Spitze des Funken-Scheiterhaufens ein trauriges Ende. 

Zahlreiche Redensarten verwenden Stroh: "Leeres Stroh dreschen" bezeichnet eine sinnlose Arbeit, "von den Federn aufs Stroh kommen" den sozialen Abstieg. "Strohfeuer" ist eine Begeisterung, die rasch wieder vergeht. Wer sich "an einen Strohhalm klammert", nützt sogar die geringste Hilfe. Der Begriff "Strohmann" im Finanzbereich meint, dass jemand an Stelle des wahren Interessenten vorgeschickt wird. Strohwitwe(r) sein, heißt eine Zeit lang allein leben (müssen).


Quellen:
Ida Eichelter-Sennhauser: Die Herstellung von Strohschuhen. In Österreichische Zeitschrift für Volkskunde. Wien 1988. Band 91, S. 60 f.
Justiz in alter Zeit. Rothenburg/T. 1984, S. 338. Zit. nach Österreichische Zeitschrift für Volkskunde. Wien 1986. Band 89, S. 135
Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg 1992. Bd. 3/S. 1575
Leopold Schmidt: Volkskunde von Niederösterreich. Horn 1972. Bd. 1/S. 120 f.,139, 204, 207, 231 f., 246, 287, Bd. 2/S. 61, 171, 188 f., 258, 262, 267, 271, 391, 407, 559
Kristian Sotriffer: Heu & Stroh. Linz 1990
Helga Maria Wolf. Die Märkte Alt-Wiens. Wien 2000. S. 102 f.
Film "Körndlbauern und Zegerltrager" von Anna Thaller, Andrea Müller und Helga Maria Wolf. Krems 2008

Bild:
Straßenverkauf von Flechtwaren aus Stroh, Weiden (Burgenland). Foto: Alfred Wolf, 1976


Siehe auch:
Stroh in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015jetzt im Buch blättern


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