Turbinen für den Strom von morgen #
Es gibt die großen Kraftwerke, um die gestritten wird. Und es gibt kleine innovative Energiequellen für die individuelle Ökostromerzeugung. Beispiele zeigen, was möglich ist. #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (Freitag, 24. Februar 2017)
Von
Klaus Höfler
Atomkraftwerke wie in Krško oder Temelín, die mit Störmeldungen für Nervosität sorgen, ein Gaskombikraftwerk wie in Mellach, das neu gebaut, aber nur selten in Betrieb genommen wird, ein Wasserkraftwerk wie in Graz, das für Bürgerproteste sorgt: Die jüngere Zeitgeschichte liefert ausreichend Beispiele, wie umstritten Energieerzeugung sein kann.
Auf weniger Widerstand hofft Stefan Strein. Er hat eine Wasserkraftturbine entwickelt, die ohne große Staudämme und massives Gefälle des Wasserlaufs auskommt. Stattdessen reichen flache Gewässer, relativ geringe Fließgeschwindigkeiten und bestehende Verbauungen, die genützt werden können. Streins Turbine folgt dem Prinzip eines Wasserrads, das in puncto Wirkungsgrad aber am modernsten Stand der Technik ist und dort zum Einsatz kommen kann, wo ohnehin schon in die Natur baulich ein- gegriffen wurde – beispielsweise in Mühlgängen, Wehranlagen oder an Stufen, die die Fließgeschwindigkeit drosseln. „Dort können wir zusätzlichen Strom erzeugen“, sagt Strein.
Seit 2014 tüftelt der Grazer an seinem mittlerweile patentierten System. Nachdem er schon während seines Maschinenbau- Wirtschaftsstudiums in der Kleinwasserkraftbranche gearbeitet und in der Werkstatt des Vaters erste Modelle gebastelt hatte, formte er aus der Idee ein Geschäftsmodell. Nach der Startphase im Science Park der Technischen Universität Graz gründete Strein im heurigen Jänner schließlich eine eigene GmbH. Mittlerweile ist neben einem strategischen Investor auch Gert Prügger mit an Bord.
Das Unternehmen und die Turbine heißen gemäß ihrer Funktionsweise „doro“ – eine Abkürzung für Doppelrotation. Denn die Schaufeln der Turbine bewegen sich unabhängig zur Nabe. Dies ermöglicht weitaus höhere Wirkungsgrade und Durchflussmengen als bei herkömmlichen Schaufelturbinen. Die Doro-Turbinen können zwischen einem halben Meter und fünf Meter breit sein und haben einen Durchmesser zwischen 1,5 und vier Metern. Eine durchschnittliche Anlage kann rund 400 Haushalte versorgen. Je nach Ausbau liegen die Kosten einer Anlage zwischen 300.000 (nur die Technik) und einer Million Euro (gesamtes Kraftwerk). Südlich von Graz soll schon bald eine Pilotanlage in Betrieb gehen.
Das Potenzial scheint groß. Unternehmen, die an Flüssen liegen, deren Nutzung als Energielieferant bisher unwirtschaftlich war, gehören ebenso zu potenziellen Kunden wie kleine regionale Energieanbieter. Zudem spielt den jungen Steirern die Wasserrahmenrichtlinie der EU in die Hände, die bis 2027 ökologische Minimalstandards von baulichen Anlagen in Fließgewässern einfordert. Europaweit schätzt Strein demnach das Umsatzpotenzial auf 12,5 Milliarden Euro, den Kundenmarkt auf 15 Millionen Menschen. Aber der Grazer spannt den unternehmerischen Horizont weiter auf. „Bewässerungskanäle, wie sie in Indien in der Landwirtschaft angelegt werden, wären ebenso für den Turbineneinsatz geeignet“, sagt Strein. Der gewonnene Strom könnte direkt die Pumpen antreiben, die zur Bewässerung der Felder eingesetzt werden.
Sonnenenergie, Windkraft: Der Balkon als Kraftwerk #
Als Ergänzung zu den großen Netzbetreibern bieten heimische Kleinunternehmen Produkte für die „grüne“ Stromerzeugung zu Hause. #
Ein Balkongeländer oder eine Terrasse: Mehr Platz braucht es nicht für „Simon“, ein Minisolarkraftwerk für den Hausgebrauch. Die 70 Zentimeter breite und 1,4 Meter hohe Fotovoltaik-Einheit liefert mit einer Spitzenleistung von 150 Watt täglich ausreichend Strom, um 35 Kaffees zu kochen oder 65 Toastscheiben zu toasten oder eine Ladung Wäsche zu waschen. Die Installation des 599 Euro teuren, in Kärnten aus recycelbaren Materialien zusammengebauten Panels ist simpel: einfach den Stecker in die Steckdose – fertig. „Simon“ liefert direkt ins hauseigene Stromnetz. Der Netzbetreiber muss nur den Stromzähler anpassen. Das Projekt war in Sachen Startfinanzierung eines der bislang erfolgreichsten heimischen Crowdfunding- Projekte. Ebenfalls auf diesen Finanzierungsstandbeinen steht „Blue Power“, ein oberösterreichisches Unternehmen, das sich auf den Bau von Windkraftanlagen abseits monströser Windparkanlagen spezialisiert hat. So bietet man ein Modell, dessen an ein Flugzeugtriebwerk erinnernde Turbine einen Durchmesser von gerade einmal einem Meter hat. Es springt schon bei einer Windgeschwindigkeit von drei Meter pro Sekunde an und hat eine Nennleistung von einem Kilowatt.
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