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Kompensation des schlechten Gewissens #

Wer eine Flugreise antritt, kann den solcherart verursachten CO2-Ausstoß mittels einer Geldspende kompensieren. Eine vernünftige Ökomaßnahme oder doch nur ein Luftgeschäft? #


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (Freitag, 16. Juni 2017)

Von

Günter Pilch


Grafik: CO2-Ausstoß-Flugzeug
Quellen: DLR, Atmosfair, IATA, Foto: Fotolia

Einmal Wien – Los Angeles und retour: Ob beruflich oder privat, eine solche Flugreise schlägt nicht nur eine Scharte ins finanzielle Budget. Auch das ökologische Budget des Planeten wird kräftig belastet. Rund fünf Tonnen CO2 werden durch den Flug freigesetzt – pro Passagier wohlgemerkt. Das entspricht mehr als der Hälfte der jährlichen Emissionen eines durchschnittlichen Österreichers oder dem 80-Fachen dessen, was ein Zentralafrikaner ausstößt. Der Effekt ist ähnlich groß, als würden alle Gäste dieses Fluges die 19.000 Kilometer lange Reise einzeln in ihren Autos antreten. Und die Flugreisen werden von Jahr zu Jahr mehr.

Da kann es Balsam fürs ökologische Gewissen sein, wenn man mit einer freiwilligen Spende von verhältnismäßig geringen 100 Euro den angerichteten Umweltschaden wiedergutmachen kann. Solche Kompensationsmodelle für Flugreisen sind seit Jahren stark im Kommen, die Zahl der Anbieter ist schier unüberschaubar. Zu schön, um wahr zu sein?

Ob eine derartige Öko-Kompensation sinnvoll ist, hängt in erster Linie vom jeweiligen Anbieter ab. Die im deutschsprachigen Raum bekanntesten sind die deutsche Non-Profit-Organisation Atmosfair (www.atmosfair. de) und die Schweizer Stiftung Myclimate (www.myclimate. org). Sie investieren das einbezahlte Geld weltweit in zertifizierte Projekte, etwa für Aufforstungen oder Energieinfrastruktur. Am Ende soll damit gleich viel Treibhausgas eingespart werden, wie die Reisen der Spender verursacht haben.

In der Praxis macht eine solche Kompensation die Emissionen freilich nicht ungeschehen, sagt der Grazer Nachhaltigkeitsforscher Rupert Baumgartner: „Es ist besser als nichts, vor allem bei unvermeidbaren Flügen. Aber es ändert auch nichts an der Struktur, die die Probleme verursacht. Letztlich kommen wir nicht um ein Mobilitätssystem herum, mit dem wir wirklich CO2 abbauen.“

Verleitet die Flugkompensation als ökologischer Ablasshandel am Ende dazu, auf strukturellen Klimaschutz zu verzichten? René Estermann, Geschäftsführer bei Myclimate, verneint: „Wer freiwillig kompensiert, ist auch eher bereit, direkt CO2 zu reduzieren. Alles andere wäre eine Ausrede, gar nichts zu tun.“ Zehn Millionen Euro investiert Myclimate jährlich in Projekte, die eine Million Tonnen Treibhausgas einsparen. „Und wir sind bei Weitem nicht ausgebucht“, sagt Estermann. „Statt hundert Projekte wie derzeit könnten wir ohne Weiteres tausend machen.“

Wobei auch der Schweizer festhält: „In erster Linie gilt es, selbst CO2 zu reduzieren.“ Dort, wo es nicht gehe, sei Kompensation gefragt.

Kleine Zeitung, Freitag, 16. Juni 2017

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