Es wird nicht ohne Diesel gehen#
Gastkommentar: Das Schlagwort "Dekarbonisierung" ist unbedacht gewählt.#
Von der Wiener Zeitung (Freitag, 1. September 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Ernst Fiala
Manche treten gern auf den ein, der schon auf dem Boden liegt: So ist es gerade in, auf den Diesel zu schimpfen. Dabei wird oft verkannt, dass die vorgeschriebene Maximalemission in einem Testprogramm keineswegs mit den Emissionen im Alltag übereinstimmen muss. Dass sich die Emissionen aller Straßenfahrzeuge in den vergangenen 20 Jahren drastisch verbessert haben, ist gleichwohl jedem Stadtbewohner klar. Das beweisen auch die Messwerte des Umweltbundesamts, die von jedermann eingesehen werden können. Die verbreitete Einführung von Dieselmotoren in Pkw war die weitaus wirksamste Maßnahme zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Im Vergleich zu mit Benzinmotor angetriebenen Pkw wird um 20 Prozent weniger CO2 emittiert. Der wirtschaftliche Vorteil hat dazu geführt, dass praktisch alle Lkw ausschließlich mit Dieselmotoren betrieben werden.
Der Dieselmotor arbeitet gegenüber dem Benzinmotor dank der höheren Verdichtung mit höheren Spitzentemperaturen, die einen besseren Wirkungsgrad bringen. Im Teillastgebiet verhilft der größere Luftüberschuss zu einem kleineren Verbrauch und weniger Emissionen. Höhere Temperaturen führen allerdings dazu, dass sich mehr Stickstoff mit Sauerstoff verbindet. Das entstehende Stickoxid wird aufwendig aus dem Abgas dadurch entfernt, dass es wieder in Stickstoff und Sauerstoff zurückverwandelt wird. Nach den Lkw setzen sich auch im Pkw diese Maßnahmen durch und bringen die Belastung mit Stickoxiden unter die vorgeschriebenen Grenzwerte.
Der Gesetzgebung wird vorgeworfen, zu wenig für die Luftreinhaltung zu tun. Dass das nicht zutrifft, kann jeder an den veröffentlichten Werten und seinen Sinneseindrücken feststellen. Auch bezüglich der CO2-Emissionen sind gute Absichten erkennbar. Der österreichische Nationalrat hat rigorose Ziele vorgegeben, deren Einhaltung allerdings schwierig sein wird. Hier stehen wirtschaftliche, soziale und fundamentale Gegebenheiten im Wege. Die Vollbeschäftigung (weniger als 3 Prozent Arbeitssuchende) ist ein so wichtiges Ziel, dass es in die Grundverfassung aller Länder festgeschrieben werden sollte. Der soziale Friede steht auf dem Spiel und ist durch Arbeitslosigkeit - und besonders Jugendarbeitslosigkeit - immer gefährdet.
Das fundamentale Problem der Zunahme der CO2-Emissionen ist aber deren Zusammenhang mit dem Bruttosozialprodukt. Zwischen einem Bruttosozialprodukt von 2000 und 30.000 Dollar pro Kopf und Jahr nehmen in den verschiedenen Staaten die CO2-Emissionen von 1 auf 10 Tonnen pro Kopf und Jahr zu. Alle Regierungen streben aus gutem Grund eine steigende Wirtschaftsleistung an, was aber wegen des statistischen Zusammenhangs mit den CO2-Emissionen schwierig ist.
Mehr Grünland als Lösung#
Das immer wieder kritisierte Streben nach einem Wirtschaftswachstum hat aber noch einen anderen, fundmentalen Grund. Die Zahl der Geburten pro Frau hängt eindeutig mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr zusammen. Erst ab einer Wirtschaftsleistung von 4000 Dollar pro Kopf und Jahr wird die kritische Zahl von zwei Geburten pro Frau unterschritten. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf scheint die einzig wirksame Möglichkeit zu sein, eine fortdauernde Zunahme der globalen Bevölkerungszahl zu verhindern. Eine Stabilisierung der globalen Bevölkerungszahl ist aber der wichtigste Faktor für den Fortbestand des Menschen. Dieses Ziel darf unter keinen Umständen vergessen werden.
Bezüglich des CO2-Problems handelt es sich nicht nur um eine Verringerung der Emissionem, die aus den bereits geschilderten Gründen schwer möglich ist, sondern auch um ein Absenken des CO2-Pegels, der in den vergangenen 100 Jahren von 300 auf 400 ppm CO2 zugenommen hat. Die Lösung dieses wichtigeren Problems wird vom vergeblichen Streit um die Absenkung der CO2-Emissionen verdrängt.
Nun waren der CO2-Pegel und die Temperatur in der Vergangenheit der Erde schon wiederholt höher als heute. Bisher hat immer die Photosynthese der Pflanzen dafür gesorgt, dass der CO2-Pegel in den für Menschen optimalen Bereich von 300 ppm gesunken ist. Warum sollte das diesmal anders sein? 30 Prozent der Festlandfläche sind unbegrünt, weil zu trocken. Das Befeuchten eines Teils dieser Fläche kann das Problem lösen, weil die danach stärkere Photosynthese den CO2-Pegel auch diesmal wieder in die erwünschte Höhe, also auf 300 ppm, bringen wird.
Um eine ausreichende Photosynthese zu erreichen, bedarf es aber nicht nur der Begrünung von Stadtbezirken oder Balkone. Es müssen Millionen von Quadratkilometern begrünt werden. Steppen und Wüsten sind zu befeuchten. Das kann zunächst durch Nutzen des ins Meer fließenden Wassers erreicht werden, in der Folge aber auch durch das Pumpen von Meerwasser an Land (durch Windkraft), wo es entweder zu entsalzen ist oder nach Verdunstung als Regen wiederkehrt. Wir können nicht wie bisher die Energie des ins Meer strömenden Wassers nutzen, sondern müssen umgekehrt Meerwasser an Land bringen, um zu trockene Flächen zur nachhaltigen Energiegewinnung zu nutzen. Das ist eine bittere Erkenntnis, die aber auch ihre guten Seiten hat.
Dabei entstehen nämlich neue Arbeitsplätze, die wichtig für die bereits industrialisierten Länder und besonders notwendig mit Blick auf den noch zu erwartenden Menschenansturm aus Afrika sind. In Schwarzafrika liegt die Zahl der Geburten pro Frau noch immer bei fünf. Für die nächsten 100 Jahre wird eine Zunahme der Bevölkerung von einer auf drei Milliarden Menschen prognostoziert. Die nächste Generation in den industrialisierten Ländern wird also nicht die Ausrede haben, von der Bevölkerungsentwicklung überrascht worden zu sein. Nun kann und soll man alle Prognosen kritisch sehen, aber der zu erwartende Ansturm wird übermächtig sein, wenn auch nur ein Bruchteil der Erwartungen in Erfüllung geht. Auch die Verteilung muss schleunigst ausgearbeitet werden, denn auch die Länder, die sich heute noch sträuben, werden vom Ansturm überrollt werden.
Die Vorzüge des Kohlenstoffs#
"Dekarbonisierung" ist bezüglich der zukünftigen Energieversorgung ein unbedacht gewähltes Schlagwort. Die Natur hat Kohlenstoffverbindungen als Energieträger selektiert. Kohlenstoffverbindungen tragen heute 80 Prozent zur Energieversorgung bei. Auch in Zukunft wird der Dieselmotor als Wärmekraftmaschine mit dem besten Wirkungsgrad für die Umsetzung von chemisch gespeicherter Energie in mechanische sorgen. Sicher wird die Versorgung mit elektrischer Energie weiter zunehmen. Aber wie sollen Flugzeuge und Schiffe ohne Verbrennungsmotor auskommen? Auch der Straßenverkehr in der Fläche ist ohne die Versorgung mit Kraftstoffen, die nicht auf die Vorzüge der Kohlenstoffverbindungen verzichten, kaum denkbar.
Sobald der Kohlenstoffkreislauf geschlossen ist und die Abgasbestandteile unter die Bedenklichkeitsschwelle gefallen sind, gibt es auch kein Argument mehr dafür, auf die großartige Erfindung des Dieselmotors zu verzichten.
Ernst Fiala (Jahrgang 1928) hat Maschinenbau studiert und war Assistent an der Technischen Hochschule Wien, Abteilungsleiter bei Daimler Benz, Professor an der Technischen Universität Berlin sowie Forschungsleiter und Vorstandsmitglied bei VW. Er ist Ehrendoktor der Universitäten Heidelberg und Kragujevac.
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