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Der Herr Oberbaurat oder der Herr der Ringe #

Auch wer seinen Namen bisher nicht kannte, an Leopold Theyer kommt niemand in Graz vorbei. Schon gar nicht am Joanneumring. #


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung, 5. Mai 2018

Von

Christian Weniger


Gösser-Relief
Gösser-Relief
Foto: KARL A. KUBINZKY (4), JÜRGEN FUCHS (4)
Seinerzeit: Blick in den Joanneumring, wie ihn Leopold Theyer prägte
Seinerzeit: Blick in den Joanneumring, wie ihn Leopold Theyer prägte
Foto: KARL A. KUBINZKY (4), JÜRGEN FUCHS (4)
Alte Ring-Ansichten: Häuser Nummer 2 bis 6
Alte Ring-Ansichten: Häuser Nummer 2 bis 6
Foto: KARL A. KUBINZKY (4), JÜRGEN FUCHS (4)
Als der Wachmann den Verkehr am Ring regelte
Als der Wachmann den Verkehr am Ring regelte
Foto: KARL A. KUBINZKY (4), JÜRGEN FUCHS (4)

Die Spaziergänge der letzten Wochenenden mit Paula führten stets an eine Adresse – zum Joanneumring. Was, überlegte ich, ist an diesem Teilstück des Grazer Rings denn so besonders? Ist es die Erinnerung an das seinerzeitige Feinkostgeschäft Schneider an Hausnummer 14, das als traditionelle Labestation für Hungrige und Feinschmecker galt. Mit herrlichen Brötchen oder anderen lukullischen Happen, die zu einem Glas Wein serviert wurden. Oder war es die Buchhandlung, Alpenlandbuchhandlung hieß sie, die im Gebäude mit dem anrüchigen Namen „Südmark- Haus“ bis 2005 Lesefutter feilbot? Oder war es das weitläufige Geschäft, das einst im Reich der Schuhe die Königskrone trug, bis zur Sperrstunde?

Der Blick geradeaus oder links und rechts dringt nicht zum Kern des Rings vor, wenn aber die Augen Haus für Haus die Fassaden hinaufklettern, dann lässt sich das Außergewöhnliche dieser verhältnismäßig wenigen Meter, die den Joanneumring ausmachen, entdecken. Es sind die zumeist repräsentativen Gebäude im Stil des Historismus, deren Fassaden von nüchternen Geschmäckern oftmals als zu überladen empfunden werden können. Die meisten dieser Bauten tragen eine Handschrift – die des Architekten Leopold Theyer, den man durchaus als den Baumeis ter von Graz bezeichnen darf, stammt doch eine Vielzahl der wichtigsten Objekte von ihm. Im öffentlichen Auftrag wie in dem von privaten Bauherren.

Da sind einmal das Amtshaus in der Schmiedgasse, der zwischen 1905 und 1908 ausgebaute Stephaniensaal, das Akademische Gymnasium, Mietshäuser in der Grazbachgasse, in der Neutorgasse, das Versicherungsgebäude in der Herrengasse und zahlreiche Geschäfts- und Zinshäuser sowie Villen in anderen Straßen der Stadt. Am Jakominiplatz errichtete Theyer das riesige Kaufhaus Kraft, in dem sich, umgebaut, heute das Dorotheum befindet, auch die Fassade der einstigen Hirschenapotheke in der Sporgasse erinnert an ihn. Bevor der 1851 in Wien geborene Sohn einer Industriellenfamilie in die Provinzstadt Graz kam, um hier 1887 an der Gewerbeschule eine Professur zu übernehmen, hatte er schon fleißig in der Hauptstadt der Habsburgermonarchie gebaut.

Als größtes Werk dieses Architekten, der 1937 in Graz starb, gilt die Generalplanung des Joanneumviertels. „Der Joanneumring wurde um 1890 auf dem Grund des geschlossenen Botanischen Gartens, der sich vom heutigen Joanneum hinaufzog, errichtet“, berichtet Stadthistoriker Karl A. Kubinzky, der den Joanneumring in die Kategorie „großstädtischer Boulevards“ einordnet. Theyer entwarf den Sparkassen-Bau. Das Eingangsportal des weiträumigen Geldinstituts krönte ab 1936 ein Relief des steirischen Bildhauers Wilhelm Gösser, das die Vertreter der Stände – es war die Zeit des Ständestaates – unter dem Titel „Schutz und Lohn“ mit der Idealisierung der Geldwirtschaft darstellte. 1991 kam es weg, der entschmückte Eingang führt heute in die Filiale einer internationalen Bekleidungskette.

Weiter mit Theyer: Joanneumring 3 ist von ihm, 14 ebenfalls. Früher die Adresse der Nationalbank in Graz, heute ist eine Vorarlberger Bank der Hausherr. Auch Joanneumring 6 trägt natürlich die Handschrift Theyers. Ebenso das Haus Nummer 5, das in die finstere Geschichte von Graz einging: Denn an dieser Adresse befand sich der Tuchhandel Rendi, eines der größten Textilhäuser seiner Zeit, das von den Nazis praktisch gestohlen wurde, „arisiert“ nannte es das abscheuliche Regime damals. Nach dem Krieg diente das Haus der Postsparkasse, wie die Inschrift kündet, vor wenigen Jahren eröffnete im Erdgeschoß ein Lokal.

Neben dem schon erwähnten Schneider’schen Feinkostladen wartet der Joanneumring mit einigen Kleinjuwelen angenehmer Erinnerungen auf. An der Ecke Raubergasse befand sich für Kinder das Spielwarenparadies namens Sing, für Herren, die einen konservativen Bekleidungsstil bevorzugten, gab es vorne den Bierkopf, in dessen Nachfolge die Designerin Lena Hoschek Mode macht. Professor Kubinzky erinnert an das Ringkino, das an der Ecke Neutorgasse angesiedelt war. Erwähnenswert der Tabakkiosk vor dem Haus Nummer 4 – der Flachbau wurde in die Liste der denkmalgeschützten Objekte aufgenommen.

Der Joanneumring vereint sich mit der Radetzkystraße dort, wo 1901 jenen aus Graz stammenden Soldaten, die 1878 bei der Besetzung Bosniens gefallen sind, ein Denkmal errichtet wurde. Samt kleinem Park, einer Oase gleich im städtischen Gewühl, der dazu einlädt, auf einem Bankerl zu überlegen, wohin der nächste Spaziergang führt. Geschätzte Leserinnen und Leser deponierten eine Fülle an Wünschen. Lassen Sie sich überraschen.

Theyers Sparkassen-Gebäude
Theyers Sparkassen-Gebäude
Foto: KARL A. KUBINZKY (4), JÜRGEN FUCHS (4)
Oase am Ring: der kleine Park mit Bosnien-Denkmal
Oase am Ring: der kleine Park mit Bosnien-Denkmal
Foto: KARL A. KUBINZKY (4), JÜRGEN FUCHS (4)
geschützter Kiosk
geschützter Kiosk
Foto: KARL A. KUBINZKY (4), JÜRGEN FUCHS (4)