Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Kommt ein Zirkus in den Prater . . .#

Der Prater feiert 2016 seinen 250. Geburtstag: "Unbekannte Pratergschicht’n" Teil VI.#


Von der Wiener Zeitung (Donnerstag, 18 Februar 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Clemens Marschall


Der Circus Gymnasticus - 1808 erbaut, mit Platz für 3000 Zuschauer - machte Theatern und auch Praterhütten starke Konkurrenz
Der Circus Gymnasticus - 1808 erbaut, mit Platz für 3000 Zuschauer - machte Theatern und auch Praterhütten starke Konkurrenz.
© Kadotheum Wien

Wien. Ein Zirkus war ja nicht das, was wir uns heute darunter vorstellen, sondern vielmehr eine Kunstreitshow", erklärt Robert Kaldy-Karo, Direktor des Wiener Circus- und Clownmuseums. "Das Pferd hat man aus dem Alltag gekannt: man hat es gebraucht zum Arbeiten, zum Reisen, zum Essen. Wenn das Pferd plötzlich Tricks aufführte, war das für die Leute damals noch viel aufregender als für uns heute."

Als Vorläufer kann man die berühmt-berüchtigten Hetztheater heranziehen, die es auch in Wien gab. Das letzte war das "k. k. privilegierte Hetzamphitheater" zwischen der heutigen Hetzgasse und der Zollamtsstraße, das 1796 abgebrannt ist. Nachdem Kaiser Franz II. den Wiederaufbau verboten hatte - übrigens gegen den Willen der Wiener - mussten die Kunstreiter andere Stätten finden, um ihr Können vorzuführen. Kaldy-Karo dazu: "Die Verwandlung vom blutigen Hetztheater zum unblutigen Unterhaltungstheater ist relativ schnell gegangen. Zirkusse mussten einen guten Ruf haben, damit sie innerhalb der Stadt gastieren durften. Wien war ja eigentlich eine absolut spaßfreie Zone." Deswegen musste der Spaß importiert werden: "Viele englische Reiter haben uns in Wien besucht, dann auch viele aus Frankreich. Die haben sich in Reithallen in der Stadt eingemietet und sind aufgetreten, teilweise schon mit einem Spaßmacher, einem Reiter, der über Fässer springt, oder auch einem gezähmten Hirsch, auf dem man geritten ist."

Bald wurden auf der Feuerwerkswiese im Prater Manegen mit einfachen Sitzen ohne Zelt aufgebaut. "Dadurch war das Bespielen nur in der schönen Jahreszeit möglich", so Kaldy-Karo, "und selbst im Sommer ging es bei Schlechtwetter nicht." Der Kunstreiter Christoph de Bach ließ schließlich 1808 im Prater ein überdachtes und stabiles Gebäude errichten: den Zirkus Gymnasticus. Für den Festbau beauftragt wurde der Biedermeierbaumeister Josef Kornhäusl, was sich de Bach leisten konnte, da er es durch seine Reitvorführungen bereits zu Wohlstand gebracht hatte.

Der Zirkus Gymnasticus hatte Platz für 3000 Zuschauer und 37 Pferde in sechs Stallungen. Kaldy-Karo erklärt anhand einer Skizze: "Der Zirkus Gymnasticus war so aufgebaut, dass man ohne künstliches Licht arbeiten konnte, nämlich mit einer Glaskuppel. Das Programm musste am späten Nachmittag spielen, weil man den Theatern am Abend keine Konkurrenz machen durfte. Es hat trotzdem dauernd Anschuldigungen beim Magistrat gegeben, Proteste und Beschwerden, dass der Zirkus dem Leopoldstädter Theater und dem Carltheater die Gäste wegnimmt." So ist in Joseph Richters "Eipdeldauer-Briefen" über einen Zirkusbesuch zu lesen: "O je, Herr Vetter! da ist schon um 5 Uhr kein Platz mehr zhabn gwest, und da hat gwiß kein Menschen sein Geld greut, so masterlich haben s‘ ihr Sach gmacht: und mir ist schon der bloße Kontratanz von ihren Pferden lieber gwest als manches Ballet." Zur Show gehörten teils abstruse Aktionen: ein Schimmel etwa apportierte einen Pudel; ein anderes Pferd brachte einen Tisch, einen Stuhl und servierte einem Gast die Speisen. De Bach integrierte zudem Seiltänzer und Clowns in seine Reitdarbietungen, von seinen großen Reisen brachte er immer wieder Dressurneuheiten mit: ab 1817 etwa einen Elefanten.

Die Zirkusse gedeihen#

De Bachs Zirkus war nicht nur eine gefürchtete Konkurrenz für die Theater, sondern auch für die Praterhütten, sodass die Praterunternehmer ihn baten, seine Vorstellungen noch früher zu beenden. Stattdessen versuchte er, eine Art Monopol für Kunstreiteraufführungen im Prater zu erhalten - doch er starb am 12. April 1834 an Nervenfieber. Seine zweite Frau Laura de Bach übernahm zwar den Zirkus, blieb aber Wien jahrelang fern, woraufhin andere Kunstreitergesellschaften den Festbau nutzten, bis das Gebäude schließlich 1852 demoliert wurde.

Pratergastronomen lockten unter anderem mit Damenkapellen (Postkarte vom 'Eisvogel, 1905).
Pratergastronomen lockten unter anderem mit Damenkapellen (Postkarte vom "Eisvogel, 1905).
© Kadotheum Wien

1851 hatte Toldy Janos auf der Feuerwerkswiese bereits seinen eigenen Zirkus errichtet, wo vor allem Ring- und Boxkämpfe über die Bühne gingen. Weitere, teils kurzlebige Zirkusse folgten. Der Zirkus Carré wurde zur Weltausstellung 1873 eröffnet, und ab 1876 gastierten Zirkusse auch in der festlichen, für die Weltausstellung erbauten Rotunde. 1879 spazierte der Seiltänzer Blondin - berühmt für seinen Balanceakt über die Niagarafälle - waghalsig auf dem riesigen Kuppelbau.

1890 gastierte Buffalo Bill’s Wild West-Show im Prater - mit interessanten Nachwirkungen: "Vorher gab es keine Zirkuszelte, weil man so große Zeltplanen einfach nicht herstellen konnte", erläutert Kaldy-Karo. Buffalo Bill hatte aber Riesenzelte vom amerikanischen Bürgerkrieg aufgekauft, unter die man im Krieg Kanonen und Pferde stellen konnte - das war der Auslöser für den Zeltzirkus.

Einer der am längsten aktive Zirkusse im Prater war der 1892 erbaute Busch. "Paul Busch war ein schwerreicher Unternehmer", erzählt Kaldy-Karo, "er hat auch den Zirkus immer wieder vermietet. Die haben damals sehr wohl erkannt, dass die Stätten permanent bespielt werden müssen, damit sie sich rechnen und im Gespräch bleiben. Deswegen hatten sie Gastspiele - ähnlich wie heute bei Clubbings und in Konzerthallen, wo auch jeden Tag etwas geboten werden muss." Der Zirkus Busch hatte ein Fassungsvermögen von 2600 Zuschauern, die Aufführungen waren bombastisch und personenstark. Ab 1908 wurden in dem Gebäude erste Filmvorführungen gezeigt. "Ein normales Kino hatte einen Klavierspieler - im Busch hatten sie ein ganzes Orchester", weiß Kaldy-Karo. Wenig später inszenierte Max Reinhardt im Zirkus Busch Stücke wie "König Ödipus" und "Jedermann". Ab 1920 wurde das Zirkusgebäude dann vollständig in ein Kino umgewandelt.

Fakire und Indianerkämpfe#

1923 eröffnete gegenüber vom Zirkus Busch der Zirkus Zentral. Dort gastierten u. a. Billy Jenkins mit seiner Wild-West-Show, Carl Hagenbeck mit seiner Indienschau, und Kapitän Wall mit seinen Riesenkrokodilen, auf denen er ritt, mit ihnen scheinbar kämpfte und seinen Kopf in ihren Rachen steckte. Der Zirkus Krone hatte damals in der Nähe der Rotunde seine Zeltstadt errichtet, und als die dort engagierten Indianer erfuhren, dass ihr ehemaliges, nun bereits abgesprungenes Truppenmitglied - ein Siouxhäuptling, dessen Name als "Chief Os-Ka-Kom" überliefert wird - im Zirkus Zentral auftrat, erschienen sie unangemeldet in einer Vorstellung. Den Abtrünnigen begrüßten sie mit lautem Geheule, das in Schimpfkanonaden überging, bis die herbeigerufene Polizei für Ruhe sorgte.

Kaldy-Karo erinnert sich an eine andere Anekdote aus dem Zirkus Zentral: "Dort ist auch der Welser Fakir Yoga Rayo aufgetreten. Er hat sich dort zur Schau gestellt, wie seine Zunge auf einem Pfosten festgenagelt wurde. Was keiner wusste: er hatte ein Piercing. Wenn er aufs Klo musste, hat er den Vorhang schließen lassen, den Nagel kurz und schmerzlos entfernt, und ist schnell raus. Yoga Rayo ist erst in den 1970ern gestorben und ich hab einmal mit ihm reden können, bei einem Zauberkongress in Linz".

Das Busch-Gebäude brannte 1945 nieder. Die letzten Reste wurden in den 1950ern abgerissen. "Man sieht anhand der Postkarten den äußeren Verfall des Gebäudes. Es wurde immer weniger Geld hineingesteckt, da die Kinokonkurrenz immer größer wurde", so Kaldy-Karo. Heute gibt es weder einen offiziellen Stellplatz für Zirkusse im Prater, noch ein Kino - und Kaldy-Karo erinnert sich schmunzelnd an andere Zeiten: "Es gab ein Kino beim Praterstern in einer Unterführung, da war schon am Vormittag eine Vorstellung, mit viel zu jungen Leuten und Arbeitslosen. Das war für uns der perfekte Ort zum Schulschwänzen."

Information#

Wiener Zeitung, Donnerstag, 18 Februar 2016

Wiener Prater G'schichten!#


Bild 'sim-link'
Austria-Forum Beiträge in ähnlichen Gebieten