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Blumen, Bier und Backhendl#

Der Wiener Prater feiert 2016 seinen 250. Geburtstag: "Unbekannte Praterg’schicht’n" Teil XII.#


Von der Wiener Zeitung (Donnerstag, 7. April 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Clemens Marschall


Der Blumencorso von damals im Wiener Prater
Der Blumencorso von damals im Wiener Prater.
© Circusmuseum Wien

Wien. "Beim Blumencorso standen die Zuschauer eng gedrängt in der Hauptallee, um die noblen Wiener vorbeifahren zu sehen. Bei dieser Gelegenheit hatten Taschendiebe, die extra zu den großen Festen anreisten, Hochsaison. Aber auch die kleinen Betrüger konnten sich mit ihren Neppspielen über gute Einnahmen freuen, weil bei solchen Festen die einfachen Dienstboten und Soldaten in Masse zu finden waren und ein leichtes Opfer darstellten", erzählt Robert Kaldy-Karo, der Direktor des Wiener Circus- und Clownmuseums, über eine eigentlich positiv besetzte Veranstaltung: den legendären Blumencorso im Prater.

Dieser wurde von Pauline Clementine Marie Walburga Fürstin von Metternich-Winneburg zu Beilstein etabliert. Die Fürstin Metternich wurde von den Wienern liebevoll "Fürschtin Paulin" genannt, und weniger liebevoll - wegen ihrer berüchtigten Tratscherei - "Mauline Petternich". Sie war eine Grande Dame im Wiener Leben und ihre Feindschaft mit Sisi galt als legendär. Dieser Fixbestandteil höfischer Rituale hatte auch reale Auswirkungen: Sisi stammte "nur" aus einer herzoglichen Nebenlinie des Hauses Wittelsbach und war dem Hause Habsburg laut Widersachern nicht ebenbürtig. Fürstin Metternich behauptete gerne von oben herab, Sisi wäre für die Rolle der Kaiserin nicht adäquat, und übernahm immer wieder Aufgaben von ihr, so etwa das Organisieren großer Feste und das Vorführen der neuesten Mode. Dadurch wurde die Fürstin Metternich zu einer Art Trendsetterin in Wien. Zuvor hatte sie Paris mit exzentrischen Ideen in Atem gehalten, etwa mit der erstmaligen "Skandalaufführung" von Richard Wagners "Tannhäuser". Die Fürstin war Meisterin im Aufstellen finanzieller Mittel für wohltätige Einrichtungen wie die Allgemeine Poliklinik und den Verein zur Errichtung von Seehospizen.

18 Biersorten und 24.000 Paar Würstel.#

Auch das Pratergelände nutzte sie für solche Veranstaltungen. Am 29. Mai 1886 initiierte sie dort den ersten Blumencorso. Schon beim Einstand waren die Anmeldungen der Pferdegespanne so enorm, dass man glaubte, der Blumenvorrat von Wien würde den Anforderungen nicht standhalten. Die Konsequenz: Von der Riviera wurden 20.000 Rosen importiert. Ganz Wien schien aufgeregt.

Am 20. Mai 1886 erschien im "Neuen Wiener Tagblatt": "Aus Anlaß des bevorstehenden Blumen-Corsos erlauben sich böse Zungen, Gerüchte von unglaublich hohen Preisforderungen, welche von meiner Seite für Dekorierung von Wagen gestellt werden, in Umlauf zu setzen. Ich bitte das mir wohlgesinnte P. T. Publikum, mir den feigen Verleumder bekannt zu machen, um denselben zur Rechenschaft ziehen zu können. K. k Hofblumenhandlung Fossati."

Nicht nur die Blumen, auch das lukullische Angebot musste aufgestockt werden: Etwa 300.000 Zuschauer sollten zum Fest erscheinen, und Museumsgründer und Heimatforscher Hans Pemmer schreibt über die erste Ausgabe des Corsos: "An der Bierausstellung, die im Westtransept untergebracht war, beteiligten sich - oh Biertrinker von heute, erblasset vor Neid - die Brauereien von Schwechat, St. Marx, Hütteldorf, Ottakring, Döbling, Simmering, Nußdorf, Brunn, Mödling, Schellenhof, Jedlersee, Währing, Hernals, Grinzing, Perchtolsdorf, Jaroschau, Olmütz und das bürgerliche Brauhaus Pilsen. Und es soll nicht wenige Besucher gegeben haben, die sich durch alle Biersorten durchkosteten."

Die Praterleute rüsteten sich mit 24.000 Paar Würsteln, 500 Kilo "sonstigem Wurstzeug", 700 Kilo Käse und 600 Kilo Schinken: Durch die "Fürschtin" kam Geld ins Rollen, was ihren Beliebtheitsgrad naturgemäß nicht schlechter machte. Am Tag des Blumencorsos war beim Prohaska im Prater zu lesen: "Es gibt nur a Kaiserstadt, es gibt nur a Wien, es gibt nur a Fürstin, Metternich Paulin."

Die Auffahrt zum Blumencorso erfolgte von der Ringstraße über die Praterstraße und den Praterstern auf die Hauptallee bis zum Lusthaus. "Es gab fürchterliche Staus, fast so wie heute in der Stoßzeit. Selbst zu Fuß benötigte man eine Stunde von der Stadt zur Hauptallee", so Kaldy-Karo. Beim Vorbeifahren bzw. Staustehen bewarf man sich mit Blumen. Künstler auf den Wagen wurden gefeiert, so auch Johann Strauß. Das brachte das "Neue Wiener Tagblatt" zu folgendem Vers: "Der Walzerkönig weichet aus! Die Damenwelt komm aus dem Häuschen! Es regnet auf den ‚einz’gen‘ Strauß, beinahe hunderttausend Sträußchen." Für den Corso wurden Extrazüge initiiert, die Zuschauer aus Linz, Marburg, Iglau und Brünn brachten. Pauline Metternich kam um 20 Uhr zum berühmtesten Ringelspiel im Prater, Basilio Calafatis "Großem Chineser". Auf dem Dampfwagen des Karussells setzte sie die Blumenschlacht fort.

Pferdewagen
Die Anmeldungen der teilnehmenden Pferdewagen waren enorm.
© Circusmuseum Wien

Vom Blumen- zum Benzinblumencorso#

Damenfechten, Volkssänger, ein Feuerwerk von Stuwer gehörten ebenso zum Programm. Der Prater war noch um Mitternacht voll und hell. Hans Pemmer schreibt: "Die damals noch englische Gasgesellschaft ließ in der Hauptallee dekorierte Beleuchtungsobjekte aufstellen, und vor dem Südportal der Rotunde wurde sogar ein Triumphbogen mit Sternen, Krone und Lorbeerkranz errichtet, aus dessen zahllosen kleinen Öffnungen am Abend tausende von Flämmchen zuckten. Ein zweiter Triumphbogen flammte in der Hauptallee. Die Rotunde aber war mit elektrischen ‚Sonnen‘, wie man damals, am Beginn des Zeitalters der Elektrizität, die Bogenlampen nannte, beleuchtet."

Der Blumencorso fand zwar nicht jedes Jahr statt, aber immer wieder mit Unterbrechungen, so etwa am 28. Mai 1892. Dabei wollte man die gesamte Hauptallee und sämtliche Wagen mit Strom beleuchten, hatte dann aber Angst vor sozialen Spannungen, wenn man solch Luxus und Verschwendung betreiben würde. 3000 Wagen sollen daran teilgenommen haben: Adel und Geldadel, Militär, Künstler sowie Gäste vom Pariser Theatre Francais, die im internationalen Ausstellungstheater spielten. Der Eintritt auf die Hauptallee kostete 30 Kreuzer, der Reinerlös wurde wie immer für gute Zwecke gestiftet. "Zu den Blumencorsen kam auch eine eigene Zeitschrift heraus, mit genauem Programm der Veranstaltung. Natürlich sah man auf der Titelseite die Fürstin und andere Wiener Aristokraten. Ein vollständiges Exemplar befindet sich in unserer Sammlung", so Kaldy-Karo. "Zu den Praterfesten hat es immer Gedenkmünzen gegeben, die man hat kaufen können, und bekannte Pratermaler haben den Kutschenauflauf aus allen Blickrichtungen gezeichnet. Später gab es dann Postkarten, die von fliegenden Händlern verkauft wurden."

Mit der langsamen Etablierung des Automobils fand 1925 zum ersten Mal ein "Benzinblumencorso" statt, doch Autos waren damals noch rar gesät und es sollten nur zehn teilnehmen. Industrielle, gesellschaftliche und finanzielle Größen stellten ihre Automobile zur Verfügung, die zugleich für Biersorten, Eiscreme, Seifen und ähnliche Produkte warben. Die Budenbesitzer konnten über den Effekt der wenigen Wagen zufrieden sein, kamen doch damals schon eine halbe Million Zuschauer, die sich mit Backhendl, Bier und Wein vergnügten. "Auf der Hauptallee kam es auch öfters zu kleinen Kollisionen, wenn die Pferde der Kutschen erschreckt wurden: meistens durch Radfahrer oder einen Auspuffknaller eines der wenigen Automobile", so Kaldy-Karo. In den Kriegsjahren war es still um die Blumenparaden, doch danach erfolgte ein Revival. Das "Kleine Tagblatt" vom 25. Juni 1949 schreibt unter der Überschrift "Blumenkorso - fast so schön wie einst" von 140.00 Besuchern im Prater: "Es ist sicherlich nicht leicht, sozusagen mit ein paar Pinselstrichen die ‚guate, alte Zeit‘ auf die graue Alltagsleinwand der Gegenwart zu malen und mit ein wenig Blumen und Musik die Freuden und den Frohsinn unserer Großeltern und die Fröhlichkeit einer vergangenen Zeit auferstehen zu lassen. Und doch, irgendwie spürte man am Fronleichnamstag beim Blumenkorso im Prater die Beschwingtheit und den leichten Wiener Sinn vergangener Tage." Morgen, Samstag, findet auf der Praterallee wieder ein Blumencorso statt: mit geschmückten Fiakern, Oldtimern und Musikkapellen - auf die "guate, alte Zeit".

Die Serie "Unbekannte Praterg’schicht’n" von Clemens Marschall erscheint wöchentlich zum runden Prater-Jubiläum:

Sonderausstellung "250 Jahre Wiener Prater" im Circus- und Clownmuseum

Wiener Zeitung, Donnerstag, 7. April 2016

Weiterführendes:

Wiener Prater G'schichten!#