200 Jahre permanente technische Revolution#
Im Ertragen der Prometheischen Scham#
von Martin Krusche(Stichworte und Sätze zum Input für den ersten Teil der „Ludersdorf-Session“ im Rahmen des Symposions „Artist Is Obsolete: Kunst und Technik“ im Schloß Freiberg bei Gleisdorf, am 3. 11. 2017, bezogen auf den Vortrag "Wir haben zu wenig Phantasie" von Hermann Maurer)
Zeus hatte einst die Erde in
- Finsternis und Kälte
Prometheus, der Vorausdenkende, ist eine mythische Figur der europäischen Kulturgeschichte.
Er stahl den Göttern das Feuer, wofür er hart bestraft wurde.
In Europas Mythologie gilt der Feuerbringer Prometheus als Gründer von Zivilisation:
- Vorausdenken
- Entschlossenheit
- risikoreiches Handeln
Philosoph Günther Anders prägte den Begriff der
- Prometheischen Scham.
Ein Schamgefühl, das Menschen befallen kann, wenn sie sich von den Leistungen
- selbst geschaffener Werkzeuge und Systeme
- überfordert, überrannt fühlen, sich ihnen nicht gewachsen fühlen.
Eine Art Minderwertigkeitsgefühl. Eine Regung, die Menschen oft gefährlich werden läßt. Kannten wir das je besser als heute?
Warum spreche ich von 200 Jahren?
- 1815 brach der Vulkan Tambora (Indonesien) aus
- Klimakatastrophen, Mißernten, Hungersnöte, großes Pferdesterben
- 1817: Draisine / Karl Freiherr von Drais, das Fahrrad gilt als erfunden
- Die von James Watt optimierte Dampfmaschine setzte sich in neuen Anwendungsbereichen durch
Seither:
- Zweihundert Jahre permanente technische Revolution
- immer noch zunehmendes Tempo.
Eines der Hauptprobleme: Wir haben längst keine Chance mehr, uns als Gesellschaft angemessen zu adaptieren, uns mit den Innovationen vertraut zu machen.
- Viel zu wenig Zeit für die nötigen Adaptionsphasen
Technische Innovationen schaffen soziale Probleme, die wir dann mit technischen Innovationen bearbeiten und lösen möchten.
Das alles gründet im symbolischen Denken, für das Prometheus steht.
Wir als einzige Spezies: Etwas denken können, was es nicht gibt.
- Phantasie. Vorausdenken. Etwas erfinden.
- Planend vorgehen, statt Routinen abspulen.
Wir können Kreativität zeigen, also Lösungen finden, die uns vorher niemand gezeigt hat.
Klingt gut, ist es nicht immer. Aber: Das hat in allen Lebensbereichen großes Gewicht.
Bei unserer Arbeit, der Wissens- und Kulturarbeit, kombinieren wir Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft.
Wir fühlen uns für (regionale) Wissens- und Kulturarbeit zuständig.
Das ist
- kein Dekorationsgeschäft und
- kein Partyservice, sondern ein
- zentrales Ereignis in menschlicher Gemeinschaft, damit
- Zukunftsfähigkeit entstehen kann.
Daher ist es auch unakzeptabel, daß Kunst und Kultur
- zu Mägden von Marketing gemacht werden,
Es geht um eine
- Praxis des Kontrastes.
- den Aufbau, Ausbau und Erhalt
- von Möglichkeitsräumen für
- ein reges und kritisches geistiges Leben
- um seiner selbst Willen.
Es geht um
- Wahrnehmungserfahrungen,
- Denkprozesse und Reflexion,
- Austausch darüber.
Bonmot: Intelligenz ist die Fähigkeit, über zwei einander widersprechenden Aussagen nicht den Verstand zu verlieren.
Die Kunst ist reich an Gelegenheiten und Anlässen, um derlei Erfahrungen zu machen.
Dennoch scheint es nicht zu reichen,
- damit wir uns wenigstens auf der Höhe der Zeit bewegen können,
- damit wir auch klären können, wie wir mit dem umgehen wollen, was heute noch nicht gedacht werden kann.
Es ist, als würden wir auf einer Welle von Innovationen inzwischen immer nach hinten abrutschen, zurück in die Vergangenheit.
Hermann Maurer sagt:
- Wir haben zu wenig Phantasie!
- Was prognostiziert wurde, ist oft nicht gekommen.
- Was gekommen ist, wurde vielfach nicht vorhergesehen.
Ich schließe draus: Wir sollten Gelegenheiten schaffen und Mittel sichern, um uns
- in prometheischer Neugier zu üben und
- prometehische Scham zu ertragen,
Einige Links zur Veranstaltung#
- Die Ludersdorf-Session
- Der Vortrag von Hermann Maurer: „Wir haben zu wenig Phantasie“
- Das 2017er Kunstsymposion: „Artist Is Obsolete: Kunst und Technik“
- Martin Krusche: "Herr Turner und die Temeraire" (Als Teil des Projekes "Mensch und Maschine".)