Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Die Transitionsmaschine#

(Der Puch G und Mythos Puch VI)#

von Martin Krusche

Die Marke WIGL Design steht für zwei Industriedesigner, Willi Gangl und Alfred Urleb. Im Laufe unserer Zusammenarbeit beim Kunstprojekt „Fiat Lux“ haben sie mir ein ungewöhnliches Präsent gemacht. Die originale Grafik eines Puch G im Aufriß. Das Blatt stammt aus jenen Tagen, da sie beide für die Steyr-Daimler-Puch AG gearbeitet haben.

Ewald Ulrich (Projekt „Fiat Lux“) mit der Grafik von WIGL Design. (Foto: Martin Krusche)
Ewald Ulrich (Projekt „Fiat Lux“) mit der Grafik von WIGL Design. (Foto: Martin Krusche)

Die Schnittzeichnung ist farbig ausgeführt und von stattlicher Größe. Ich habe sie 2015 erstmals gezeigt, als wir im Rahmen von „Mythos Puch“ in Albersdorf eine Straße des 20. Jahrhunderts aufgestellt haben. Das heißt, ich bekam Leihgaben, um die Entwicklung des Automobils von 1902 bis in die Gegenwart mit Originalfahrzeugen darzustellen.

Dabei ist der G-Wagen ein bemerkenswertes Motiv mit einem besonderen Stellenwert. Da er als Nutzfahrzeug mit maximaler Geländegängigkeit angelegt war, kam eine selbsttragende Karosserie nicht in Frage. Er wurde auf einen mächtigen Leiterrahmen gestellt, wie das bei Vorkriegsfahrzeugen der dominante Standard war und bei Lastwagen heute noch üblich ist. Das bedeutet auch, man war in Graz wieder von den Zentralrohrrahmen von Haflinger und Pinzgauer abgegangen.

Die Puch G-Prototypen aus der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wirken in der Erscheinung knorrig und spröde. Wie ein zäher Gaul aus mageren Zeiten. Das hat sich inzwischen umfassend geändert. Selbst als der G über die Jahre zunehmend das Interesse von Privatkunden im zivilen Bereich fand, war das für die Produzenten noch kein Grund, sein Inneres wesentlich gefälliger auszustatten. Ein Problem, das sich reicher Kundschaft nicht stellt. In diesen Kreise ist ja der G auch längst angekommen.

Der karge Prototyp von 1978. (Foto: Archiv Krusche)
Der karge Prototyp von 1978. (Foto: Archiv Krusche)

Bernhard Lagler, ein versierten Handwerker, erzählte mir, daß selbst den Porsches, Bentleys oder Lamborghinis frisch aus dem Laden die unbenutzte Innenausstattung herausgerissen wird, falls sie in Farbe, Material oder was auch immer dem Käufergeschmack nicht entspricht. Geldige Kunden lassen sich sofort ein passendes Interieur schneidern. Da ist der Ursprungszustand ab Werk fast egal.

Nach Jahrzehnten ließ nun Daimler kürzlich die G-Klasse gründlich überarbeiten. Da kann eigentlich nicht mehr von einem Puch G gesprochen werden. Aber der imposante Brocken steht klar in dieser Tradition und ist auch formal so nah am ursprünglichen Entwurf gehalten, daß man ihn schon aus großer Distanz als G erkennt.

Wir sind heuer im 40. Jahr dieser Geschichte, denn der Puch G wurde 1979 auf den Markt gebracht. Daher nehme ich diese konkrete Arbeit von WIGL Design, diese Zeichnung aus den frühen Jahren des Puch G, als Leitikone für das aktuelle Projekt (Mythos Puch VI).

Das Fahrzeug verweist in einigen Konstruktionsmerkmalen auf die Vorkriegszeit, erinnert mit seinen zwei Badges – Puch G und Mercedes G – an die Welt im Kalten Krieg, hat die zweite und die dritte industrielle Revolution durchlaufen, um nun, als neu gefaßter Klassiker, in der Vierten Industriellen Revolution angekommen zu sein. Das ist der historische Bogen, in dem dieses Auto steht.

Das heißt, dieser Wagen hat grundlegende Veränderungsschübe in der Industriegeschichte mitvollzogen und repräsentiert in heutiger Fassung diese neue Ära, von der wir noch nicht genau wissen, wie umfassend die aktuellen Automatisierungsprozesse sein werden. Radikal ist daran vor allem, daß selbstlernende Systeme und ersten Varianten eines synthetischen Bewußtseins uns inzwischen Arbeiten abnehmen, die wir bisher nur Menschen zugetraut hätten.

Alfred Urleb von WIGL Design bei der Arbeit am autonomen Fahrzeug „Fiat Lux“. (Foto: Martin Krusche)
Alfred Urleb von WIGL Design bei der Arbeit am autonomen Fahrzeug „Fiat Lux“. (Foto: Martin Krusche)
Die Grafik in der „Straße des 20. Jahrhunderts“. (Foto: Martin Krusche)
Die Grafik in der „Straße des 20. Jahrhunderts“. (Foto: Martin Krusche)
Die Grafik als Referenzpunkt zum autonomen Fahrzeug „Fiat Lux“ mit seinen Omni Wheels. (Foto: Martin Krusche)
Die Grafik als Referenzpunkt zum autonomen Fahrzeug „Fiat Lux“ mit seinen Omni Wheels. (Foto: Martin Krusche)

Dieses Thema taucht auch in den Debatten um autonomes Fahren auf. Solche Vorstellungen erzeugen heute Widersprüche, heftige Reaktionen, als wären wir noch in Zeiten des Peter Rosegger und wir hätten erstmals von der Eisenbahn gehört. Die konkrete, robuste Maschine auf dem mächtigen Leiterrahmen, wie sie in der WIGL-Zeichnung gezeigt wird, hat über die letzten vierzig Jahre eine grundlegende Transformation durchlaufen, rollt in der heutigen Version schon über die Schwelle der Vierten Industriellen Revolution.

Der neue AMG G 63 im Johann Puch Museum Graz. (Foto: Martin Krusche)
Der neue AMG G 63 im Johann Puch Museum Graz. (Foto: Martin Krusche)

In diesem Sinn ist die G-Klasse ein Feld der Transitionsmaschinen. Der Umbruch, der Wandel, hat sich innerhalb eines vertrauten Mantels vollzogen, der zwar auch inzwischen neu geschneidert wurde, aber die Vorgeschichte präsent hält. Man könnte streiten, ob die aktuelle G-Klasse ins gleiche Genre gehört wie der New Beetle, der neue Mini oder der neue Fiat 500. In jeden Fall sind hier aber stilistische Zitate inszeniert worden.

Wer aus Passion einen ausgemusterten Militär-G fährt, ist technisch noch in der alten Welt zuhause. Mit aktuellen Luxusversionen wird es dann schon etwas Science Fiction, denn ein aktuelles Top-Modell würde ohne EDV die meisten von uns völlig überfordern und schon auf wenigen Kilometern zur gefährdeten Art machen.

Der bärenstarke AMG G 63, den Sie hier sehen können, bringt rund zweieinhalb Tonnen auf die Waage. Diese V8 Biturbo-Version (585 PS, 850 Nm) wäre von durchschnittlichen Fahrerinnen und Fahrern ohne die intensive EDV-Unterstützung nicht zu bewältigen. Da verknüpft sich Software mit dem Menschen, damit der Brocken gehandhabt werden kann.

Kultur- und sozialgeschichtlich ist die G-Klasse auch dadurch interessant, daß die Konstruktion vom Arbeitspferd zum Luxusgegenstand geführt werden konnte, also in vielen sehr verschiedenen sozialen Feldern zu finden ist.

Zum Thema:#

Das Projekt#


Bild 'sim-link'
Austria-Forum Beiträge in ähnlichen Gebieten