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Notiz 042: Pharaonen und Wegelagerer#

von Martin Krusche

Die Großzügigen sind Ausnahme. Grandezza gehört zu den seltenen Eigenschaften. Manche Sammler sind in so einer Art Pharaonen-Zustand. Sie häufen Raritäten an und machen den Eindruck, als wollten sie dereinst mit all ihren Schätzen begraben werden, denn es soll sie sonst niemand haben. Die nächste Verwandtschaft solcher Flausen bilden jene, die wie Rottweiler über ihrem Zeug hocken und jede Annäherung mit bösem Knurren quittieren.

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Es könnte schließlich jemand aus ihren Preziosen diesen oder jenen Nutzen ziehen. Also zum Beispiel, wo es um Flachware geht, diese reproduzieren und teuer verkaufen, damit unermeßlich reich werden. Als die Grazer Puchwerke in Magna Steyr aufgingen, wurden leider Tonnen von Archivalien nicht gesichert, sondern in alle Winde verstreut. Das schuf eine interessante Situation.

Freilich wird etliches davon zu Geld gemacht, entweder in Form von Nachdrucken, oder als Originale in diversen Marktnischen. Kann man sich davon Häuser bauen? Kaum. Es ist auch bemerkenswert, was alte Puchianer, längst in Pension, aber immer noch Schuppen und Garagen aktiv, an Wissen haben und an Puch-Archivalien in ihren Kellern und Stuben verwahren.

Manches davon geht verloren, anderes kommt über Nachlässe an das Licht der Öffentlichkeit, landet auf Ebay oder in einem Aktionshaus. Das fördert allerhand Formen der Schatzsuche und kann viel Vergnügen bereiten. Es kann auch viel Geld kosten. Manches wird einem geliehen oder geschenkt, das gibt es auch.

Wo es Pharaonen gibt, finden sich Goldgräber und Jäger der verlorenen Schätze ein. Das ist klar. Andere gehen nach dem Motto „Fragen kostet nichts“. Ich hab zum Beispiel heuer einen Facebookie blockiert, weil ich mich nicht mehr mit seinem wachsenden Drängen beschäftigen wollte. Es war verblüffend, wie er bei mir Unterlagen anforderte, als wären wir alte Freunde oder ich sein Dienstbote.

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Ich kenne Leute, die geben sich freundlich. Denen habe ich bisher viele Megabyte an Dateien überlassen, was als ein Austausch gedacht war. Aber es kam nie was zurück, außer die unerfüllte Ankündigung, daß etwas zurückkommen werde. (Pharaonen-Komplex? Wegelagerer!)

Ich staune immer wieder, welche Ansinnen mir vorgetragen werden, wer alles was von mir haben möchte, ohne daß wir auch nur die Spur einer Geschäfts- oder Freundschaftsbeziehung haben. Vielleicht verhält es sich eben, wie manche mir sagen: So sind die Menschen. So ist die Welt. Mag sein. Und womöglich sollte man sich darüber nicht den Kopf zerbrechen, denn das Wasser ist naß, der Papst ist katholisch, der Himmel ist blau.

Es gibt freilich auch eine ganz andere Liga. Das sind in der Regel gleichermaßen selbstbewußte wie sachkundige Menschen, manche davon erfolgreiche Geschäftsleute. Sie kennen die Unarten der Branchen und schätzen einen achtsamen Umgang.

Nun werden Sie nicht überrascht sein, wenn ich erzähle: mit diesen Liebhabern unserer Themen brauche ich kein Absprachen zu treffen, keinen Modus zu verhandeln. Es scheint von sich aus klar zu sein, sich in einer respektvollen Art zu begegnen, auf daß man nicht bloß die eigenen Interessen bedient, sondern die Leidenschaft und Interessen des Gegenübers als gleichwertig erachtet und mitbedenkt.

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Das heißt, wenn ich von diesen Leuten Leihgaben erhalte und damit mein Wissen erweitern kann, auch meine Sammlung auf digitaler Ebene wächst, dann habe ich im Auge, was ihnen Freude machen kann und wie mit den Artefakten, Archivalien, Sammelstücken angemessen zu verfahren sei. Wir müssen das nicht diskutieren, verhandeln, darum ringen, es ereignet sich.

Ein Puchianer wie Altmeister Fredi Thaler. Ein Techniker wie Markus Rudolf. Ein Sammler wie Ferdinand Micha Lanner. Ein Puch-Pilot wie Martin Vormann. Ein Kulturwissenschafter wie Matthias Marschik. Es ist ganz unkompliziert und reichhaltig.

Das bedeutet, wir bündeln unsere Möglichkeiten, wir bringen unsere unterschiedlichen Ressourcen gemeinsam zur Wirkung. So gedeiht menschliche Gemeinschaft. So funktioniert Kultur über Jahrtausende. Die Pharaonen und die Grabräuber entziehen uns allen gleichermaßen wesentliche Exponate.

Ich muß wertvolle Güter nicht besitzen. Wenn ich sie betrachten und damit umgehen darf, ist viel gewonnen. Manche Mitmenschen zeigen sich übrigens in einer speziellen Angelegenheit begriffsstutzig: Wissen wird nicht weniger, wenn man es teilt, sondern mehr.

(Fotos: Archiv Martin Krusche)