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Notiz 053: Nacht und Tag#

von Martin Krusche

Unter meinem Bürofenster breitet sich der Kundenparkplatz einer Steuerberatungskanzlei aus. Da werden meist nur unerhebliche Bürgerkäfige bewegt. Manchmal kommt was Exotisches auf den Platz. Renault Alpine, Bentley Coupé, Volvo Amazone, sowas hat’s schon gegeben. Gelegentlich schiebt ein LKW im Retourgang herein, um an den Altpapiercontainer zu kommen. Das piepst und rumpelt erheblich. Und winters wird im Anlaßfall sehr früh der Schnee geräumt, was auch rumpelt und weihnachtlich blinkt. Alles recht gesellig.

Suchbild mit Haflinger. (Foto: Martin Krusche)
Suchbild mit Haflinger. (Foto: Martin Krusche)
Für geübte Augen: Haflinger-Schemen: zum Vergrößeren anklicken! (Foto: Martin Krusche)
Für geübte Augen: Haflinger-Schemen: zum Vergrößeren anklicken! (Foto: Martin Krusche)

Manchmal, wenn es in der Innenstadt Veranstaltungen gibt, breitet sich da unten eine andere Art von Gemütlichkeit aus. Es wird geplaudert, auch gestritten. Ich kann mich daher in diesem Winkeln kaum je einsam fühlen. Als ich kürzlich noch bei der Arbeit war, hörte ich plötzlich den unverkennbaren Klang des kleinen, luftgekühlten Boxers, dieses typische Singen.

Ich hatte nur mein Mobiltelefon griffbereit, um den vom Platz huschenden Haflinger eventuell zu erwischen. Der war leider unglaublich schnell um die paar Kurven geflitzt und die Rathausgasse runter, so daß ich nur mehr ungefähr draufhalten konnte.

Eigentlich blamabel für einen über Jahrzehnte routinierten Automobil-Paparazzo, der ziemlich alles erwischt, was an bemerkenswerten Fuhren vorbeihuscht, nicht auch mitten im eigenen Büro für eine relevante Erscheinung gerüstet zu sein.

Wer den Haflinger kennt, erkennt ihn freilich auch noch schemenhaft. So hab ich die Stelle etwas vergrößert und hervorgehoben. Gibt's im Nahverkehr was Passenderes, wenn so eine Hitze auf der Stadt hockt, wie wir das nun Ende August erleben? Die Marke Puch hat die letzten Jahren bezüglich Alltagserscheinungen ganz gut zugelegt. Nachkriegsmotorräder erweisen sich als ebenso populär wie die Puch Mopeds, von denen natürlich weit mehr unterwegs sind.

Piaggo trifft Puch. (Foto: Martin Krusche)
Piaggo trifft Puch. (Foto: Martin Krusche)

So war eben erst mitten in Gleisdorf eine quasi geschichtsträchtig Aufstellung zu finden, eine alte 250er Puch neben einer neuen Vespa, an deren Produzenten Piaggo in den späten 1980er Jahren der gesamte Zweiradbereich von Puch verkauft worden war.

Ich hab diese Tage wieder etliche Benzingspräche geführt. Besonders interessant fand ich die Ansichten von Karl Haar, einem Schrauber und Sammler, der wochenends in seinem Cadillac Doppelphaeton aus dem Jahr 1921 daher kam. Er ist überzeugt, daß generell bei Vorkriegsfahrzeugen und speziell bei Steyr-Automobilen in absehbarer Zeit die Preise einbrechen werden.

Haar meint, daß es sich jetzt nicht lohnt, einen zu kaufen, der womöglich noch hergerichtet werden müsse. Da sei es in den meisten Fällen eher unmöglich, irgendwann auf dem Markt angemessene Preise zu erzielen, die dem Aufwand entsprechen, der durch Teilebeschaffung und Arbeitszeit entstanden ist.

Der einleuchtende Grund für diese Entwicklung: Etliche Besitzer sind auf dem Weg zu ihrem Achtziger und werden uns in absehbarer Zeit verlassen. Viele Erben sind gewiß ohne Leidenschaft für so anspruchsvolle Fahrzeuge und werden sie zum Verkauf anbieten.

Karl Haar beim Ärmel-Training, um den 1921er Cadillac im Schritttempo um die Kurve zu bekommen. (Foto: Martin Krusche)
Karl Haar beim Ärmel-Training, um den 1921er Cadillac im Schritttempo um die Kurve zu bekommen. (Foto: Martin Krusche)

Das kam übrigens auch zur Sprache, als Haslinger und Thaler kürzlich besucht hab, siehe die Notiz 052: In der Laube! Die beiden sind sich einig, daß wir das Ende einer Ära erleben, was sich in den kommenden Jahrzehnten übrigens auch massiv im Straßenbild zeigen werde. Um es hier noch einmal zu betonen, wir haben den Beginn dieser Geschichte erlebt, die Volksmotorisierung, als es plötzlich in Familien pro erwachsener Person je ein eigenes Auto geben konnte, wir erleben das Ende dieser Phase.

Die 1:43er Miniatur des Steyr 100. (Foto: Martin Krusche)
Die 1:43er Miniatur des Steyr 100. (Foto: Martin Krusche)
Der lesenswerte Reisebericht. (Foto: Martin Krusche)
Der lesenswerte Reisebericht. (Foto: Martin Krusche)

Amüsantes Detail: der Weltreisende Max Reisch war noch Student, als er schon seine ersten großen Fahrten Absolviert hatte. Die Steyr-Daimler-Puch AG bot ihm für ein kommendes Abenteuer an, vom Motorrad auf ein Auto umzusteigen. In der Planungsphase erhielt er den damals neuen Steyr 100, um sich mit diesem Typ vertraut zu machen. (Dieser Steyr wurde ab 1935 produziert.)

Mit dem Buch „Im Auto um die Erde“ hat Reisch den gesamten Prozeß dokumentiert, unter anderem das Detail, wie er „die schöne Limousine“ bei seinen Fahrübungen immer etliche Gassen von der Universität entfernt geparkt hatte, um „nicht den Neid oder zumindest die Missgunst der Dozenten und Professoren“ zu erregen. Reisch notierte: „Das Auto kostete damals ÖS 7.000,- und nur Schwerverdiener konnten es sich leisten.“ Daraus folgte: „Ich erinnere mich genau, daß kein einziger Professor ein Auto besaß.“ (Siehe dazu: "Max Reisch: Momente")