Notiz 069: Was ist was wert?#
von Martin KruscheIch mache alle Jahre kuriose Erfahrungen, wie Menschen die Leistungen anderer bewerten. Ich hab Paul Kretz auf dem Radar, weil er gleichermaßen in Theorie und Praxis zu den fundierten Kennern der Haflinger-Geschichte gehört. Kretz ist Geschäftsmann. Also bietet er Waren und Dienstleistungen gegen Geld an.
So nun, saisonbedingt, ein Haflinger-Modell (1:43) und das Haflinger-Buch im Set für 137,00 Euro. Klar, das ist kein Kleingeld, wie ja auch der Hafi heute nicht im Billigpreis-Segment herumsteht. Dieses Set quittierte Herr D. T. auf Facebook mit den Worten: „Finde den Preis verrückt... 😆😆aber man muss es ja nicht kaufen...“ Was ist daran verrückt? Das erfahren wir nicht.
Ein anderer Facebookie notierte: „Nö. Kauf ich einfach nicht“, nachdem eine Frau bemerkt hatte: „teure weihnachten“. Ein interessantes Fallbeispiel, wie gelegentlich debattiert wird, was einem Dinge wert sind. Sie wissen vermutlich, daß wir im Alltag ständig Entscheidungen treffen. Was ist der Warenwert eine Sache, was ihr Handelswert und was ihr Gebrauchswert? Wie sehr will ich etwas und weshalb?
Schauen wir uns das Kretz-Paket im Detail an. Hauen Sie doch einfach einmal „Haflinger 1:43“ in die Suchmaschine. Sie werden jenseits von gebrauchten Modellen vermutlich keinen Preis unter 85,00 Euro finden können. Ich kam auf eine Liste mit Beträgen wie diese: 84,50, 89,00 und 89,90 Euro. 94,00, 94,99, 95,00 und 96,00 Euro, zuzüglich Versandkosten. Kein Wunder, das sind detailliert gearbeitete Kleinserien in überschaubarer Auflage. Der gesamte Ertrag muß ja in irgendeinem vernünftigen Verhältnis zu den Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebskosten stehen.
Genau! Entwicklung. Produktion. Vertrieb. All das braucht Arbeitseinsatz. Die 1:43er Haflinger werden also nicht billiger angeboten. Nach ein paar Jahren könnten die Preise noch hinaufgehen, sobald die üblichen Anbieter nichts mehr auf Lager haben.
Das Buch kostet ab Verlag oder im Buchhandel 39,00 Euro. Seien Sie versichert, das ist ein Vernunftpreis, weil davon auszugehen war, daß in der Fangemeinde kein höherer Preis erzielbar ist. Sie dürfen mir glauben, damit läßt sich der konkrete Arbeitsaufwand von wenigstens drei Personen nicht angemessen abgelten. Das gibt bloß eine Pauschale für jeden der Beteiligten und die Sache hat sich. (Jede Putzfrau erzielt einen höheren Stundensatz.)
Warum macht man das dennoch? Ich will hier nicht von trüben Kategorien wie „Idealismus“ sprechen. Wir werden für unsere Arbeit in verschiedenen Währungen bezahlt. Geld ist nur eine dieser Währungen. Öffentliche Sichtbarkeit. Gute Kontakte zu spannenden Menschen. Freude an der Arbeit. Freude am Ergebnis und seine Folgen. Ein Zuwachs an Reputation.
Das sind übrige Währungen, in denen man bezahlt werden kann. Wer selber einen Haflinger besitzt, ihn fährt, daran schraubt, um ihn zu erhalten, kennt das auf seine Art. In Geld kommt nie mehr herein, was man über Jahre aufgewendet hat. Es lohnt sich eben in anderen Währungen. Es gibt auch immateriellen Gewinn.
Nun zurück zum „Kretz-Paket“. Nehmen wir den niedrigsten Preis, den ich für einen schlichten Hafi in 1:43 gefunden hab. Macht 85,00 Euro plus 39,00 für das Buch, ergibt 124,00 Euro. Das verlangt nun noch Rechnungswesen, Verpackung, Wegzeiten und Porto. Als ich privat einige meiner Belegexemplare des Buches an Freunde verschickt habe, war die Arbeit am Verpacken auch meine Privatsache und die Post nahm 4,20 Euro. Damit wären wir nun bei 128,20. So billig kann es der Profi nicht machen.
Im Set wird das wesentlich aufwendiger, zumal die Kundschaft erwarten darf, daß der Mini-Hafi unbeschädigt ankommt. Also mehr Verpackungsmaterial, mehr Handgriffe, größeres Packerl, höheres Porto. Klar? Klar! Und, wie erwähnt, das Rechnungswesen sowie alles, was sonst noch zu einer Firma gehört, was einem freilich egal sein kann, wenn man sein Leben als Angestellter genießt, der brutto von netto nicht zu unterscheiden weiß.
Das ändert nichts an der Tatsache: 140,00 Euro sind viel Geld, wenn man mit einem Durchschnittseinkommen auskommen muß. Also wird man eventuell auf so ein Vergnügen verzichten müssen.
Ich habe mir selbst bisher nur einmal eine derart üppige Ausgabe erlaubt, weil ich ein Modellauto unbedingt bekommen wolle. Es war der Gräf & Stift des Grafen Harrach, in dem Franz Ferdinand mit seiner Sophie saß, als sie in Sarajevo erschossen wurden. Der Sarajevo-Wagen in 1:43, vom Heeresgeschichtlichen Museum in Wien limitiert aufgelegt. Den mußte ich haben und sah über den hohen Preis dieser sehr fein ausgeführten Miniatur hinweg.
Ansonsten bleibt manches außerhalb meiner Reichweite, weil ich die Kosten dafür nicht aufbringen mag, oder nicht aufbringen kann. Doch es fiele mir nicht ein, deshalb die Bemühungen anderer Leute runterzumachen. Es käme mir freilich auch nicht in den Sinn, der Welt via Facebook mitzuteilen, daß ich von manchen Dingen keine Ahnung hab; zum Beispiel, daß etwas kostspieligere Dinge eben, naja, räusper, hüstel, kostspielig sind.
P.S.:
Ich hab nun seit weit mehr als 20 Jahren mit den alten Hacklern aus den vormaligen Puchwerken zu tun, auch mit ihren unmittelbaren Nachfahren, jenen Mechanikern und Ingenieuren, die heute zwischen Mitte 40 und Mitte 50 sind, die kompetent an diesen Themen arbeiten. Ohne diese Leute wäre meine Arbeit nicht möglich. Was sie allesamt auszeichnet, ist Großzügigkeit und Respekt vor den Leistungen anderer. Ich verstehe aber, daß das kein Breitensport ist.