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Ein Effekt namens Doppler #

Mit dem nach ihm benannten Effekt hat der Salzburger Christian Doppler vor 175 Jahren die Naturwissenschaften revolutioniert. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: DIE FURCHE (Mittwoch, 24. Mai 2017)

Von

Wolfgang Machreich


Christian Doppler#

Geboren am 29. November 1803 in Salzburg als Sohn eines Steinmetzmeisters, hinterließ der Mathematiker und Physiker eine Erkenntnis mit großen Auswirkungen: den nach ihm benannten Doppler-Effekt. Doppler starb am 17. März 1853 in Venedig.

Christian Doppler
Christian Doppler
Foto: imago/Leemage

Der eine ist rund und schmeckt nach Marzipan, Pistazien und feinstem Nougat. Der andere ist eckig und unter dunkler Kuvertüre lockt das obligate Nougat mit Champagner- und Vanille-Trüffel. Mozartkugel und Doppler-Konfekt – nach der ungeschriebenen Regel, dass es in Salzburg nur der wirklich geschafft hat, dem ein Bonbon gewidmet wird, sind beide Namensgeber ganz oben im Olymp angekommen. Spät aber doch.

Zu ihren Lebzeiten war die Salzachstadt für beide kein leichtes Pflaster. Im richtigen Leben konnten sich Christian Doppler und Wolfgang Amadeus Mozart nicht begegnen. Der Physiker wurde 1803, elf Jahre nach Mozarts Tod geboren. In der zeitgenössischen Oper „Doppler – Über das farbige Licht der Doppelsterne“ trifft Doppler aber im ersten Akt auf die Mozart-Witwe Constanze von Nissen – was von den Lebensdaten her möglich gewesen wäre. Im Libretto fordert eine Figur: „Was man nicht sehen kann, muss man denken.“ Für den Librettisten Friedrich Danielis ist das Besondere an diesem Physiker nämlich, „dass Doppler aufgrund eines Irrtums die richtige Lösung gefunden hat“.

Glücksfall der Wissenschaftsgeschichte #

Schwäche in Stärke verwandeln: Das muss der Sohn eines Steinmetzmeisters von klein auf. Für den Beruf des Vaters ist er zu wenig robust, den Familienbetrieb wird sein älterer Bruder weiterführen. Was also tun mit dem zarten Knaben Christian? Da passiert, was der steirische Wissenschaftshistoriker und Doppler-Spezialist Peter M. Schuster „einen der großen Glücksfälle der Wissenschaftsgeschichte“ nennt. Ein Gymnasialprofessor entdeckt die mathematische Begabung des Buben. Er überzeugt den Vater vom Wert höherer Bildung und Christian Doppler wird zum Vorzugsschüler, der sich „durch seinen außerordentlichen Fleiß und sein vorzügliches moralisches Betragen besonderer Anerkennung würdig“ macht.

Trotz der Bestnote „Eminente“ im Abschlusszeugnis 1829 gestaltet sich die Jobsuche schwierig. Salzburg ist kein reiches Erzbistum mehr, sondern zur zweitärmsten Region der Donaumonarchie gerade noch vor Istrien verkommen. Damit scheidet die Heimat als Karrieresprungbrett für den Physiker aus. Auch Bewerbungen in Triest, Laibach und Görz scheitern. Doppler verdient sich seinen Lebensunterhalt als Buchhalter in einer Baumwollspinnerei.

Die Lektüre des Romans „Lederstrumpf“ bringt ihn auf die Idee, sein Glück in den USA zu versuchen. Doppler ist dabei, die finanziellen und konsularischen Notwendigkeiten für die Emigration zu klären, als ihn 1835 der Ruf der „Ständischen Realschule“ in Prag für eine Stelle als Professor für Arithmetik, Algebra und Geometrie erreicht. Als Bestgereihter von 15 Bewerbern wird Doppler aufgenommen. Beim Hearing gibt es nur eine Kritik: Der Salzburger rede „mit österreichischem Akzent“ – ein Manko, nehmen die Prager doch für sich in Anspruch, das sauberste Hochdeutsch zu sprechen.

Doppler-Effekt Illustration
Foto: imago/Leemage

Dieses Schmankerl und viele andere Details aus dem Leben Dopplers hat der Salzburger Journalist Clemens M. Hutter für sein Buch „Christian Doppler – Der für die Menschheit bedeutendste Salzburger“ (Verlag Anton Pustet 2017) zusammengetragen. So erfährt man auch, dass Dopplers Reise von Salzburg nach Prag fünf Tage dauerte und umgerechnet 140 Euro kostete, was drei Wochenlöhnen eines Arbeiters entsprochen hat. Mit vielen solcher Querverbindungen bereichert Hutter seine lebendige Doppler- Biographie noch um eine breit gefächerte Beschreibung der damaligen Lebensverhältnisse. Was die wissenschaftliche Bedeutung der Hauptperson betrifft, gibt Hutter mit dem Untertitel seines Buches eine eindeutige Wertung ab, die Doppler auf einen Sockel hebt, auf dem gemeinhin ein anderer steht. Damit möchte Hutter aber keineswegs Mozart schmälern, oder die beiden gegeneinander aufrechnen: „Denn Musik löst im Gegensatz zu Physik unmittelbar ein Glücksgefühl aus, und ihr Wert hängt nicht von ihrer Reichweite ab.“ Hutters Buch ist ein Gerechtigkeits- Plädoyer für Doppler. Und Hutter macht das Musik-Genie nicht kleiner, wenn er dem Physik-Genie die Bedeutung zuschreibt, die ihm zusteht und die ihm zeitlebens verwehrt wurde und teilweise bis heute nicht zugestanden wird. Deswegen setzt sich Hutter auch für die Umbenennung des Makartstegs über die Salzach in Christian-Doppler-Steg ein, damit der Genius auch im Salzburger Stadtzentrum eine sprichwörtlich tragende Rolle zugesprochen erhält.

Christian Doppler selbst wäre besagter Superlativ im Buchtitel und Hutters Eloge auf sein Leben und Werk – so inhaltlich richtig beides ist – wahrscheinlich gar nicht recht gewesen. Denn sowohl Hutter als auch andere Biographen beschreiben ihn als bescheidenen und dienstbeflissenen Akademiker mit „vorzüglichen Fähigkeiten, eifrig, untadelig und lobenswert“. Aus Salzburg holt Doppler seine Frau Mathilde nach Prag. Das Paar wird fünf Kinder haben und eine harmonische Ehe führen. Auch finanziell sind sie abgesichert. Alle Ingredienzen für ein sorgenfreies Leben scheinen vorhanden zu sein. Und doch schimmert in Dopplers strahlender Biographie eine gewisse Schwermut durch. Grund dafür ist ständige Überforderung, die von Dopplers Pflichtbewusstsein angetrieben wird. Typischer Burnout-Kandidat würde man heute diagnostizieren, der noch dazu von seinen akademischen Vorgesetzten in der Lehre verheizt wird, anstatt ihm in seinem eigentlichen Metier der Forschung Freiraum und Luft zum Atmen zu geben. Das ist wörtlich gemeint, Doppler stirbt, noch keine 50 Jahre alt, am 17. März 1853 in Venedig, in das er zur Kur gereist ist, an Lungenschwindsucht.

Bahnbrechende Idee #

Die bahnbrechende Idee, die er der Physik hinterlassen hat, lässt sich hingegen als Großtat bezeichnen. Quantenphysiker Anton Zeilinger adelte den Doppler-Effekt sogar zum „Jahrtausend-Effekt“. Und bei Hutter ist nachzulesen, dass bislang 14 Nobelpreise an Wissenschafter vergeben wurden, deren Erkenntnisse in Medizin, Technik und Naturwissenschaft der Doppler-Effekt ermöglicht hat. Insofern ereignete sich am 25. Mai 1842 im patriotischen Saal des Prager Carolineums tatsächlich eine wissenschaftliche Sternstunde, als Doppler vor der mathematischen Klasse seinen Vortrag „Über das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels“ gehalten hat. Dass sich Doppler dabei in einem Detail seiner Ausführungen irrte, ist als Fußnote abzutun. Entscheidend ist, dass er richtig und mit bahnbrechenden Auswirkungen dachte: Ist entweder die Quelle oder der Empfänger von Wellen in Bewegung, verändert das die empfangene Frequenz. Wären damals Fledermäuse im Raum gewesen, hätten sie das Gesagte als alten Hut abgetan. Ihnen dient der Doppler-Effekt immer schon als Jagdmethode. Doch der Menschheit konnte Dopplers Entdeckung eine Tür aufstoßen, die den Eintritt in das heutige High-Tech- Zeitalter erst ermöglichte.

Doppler stirbt, wie er gelebt hat: bescheiden. Als hätte er das geahnt, hat er lange davor sein Gedicht „Zufriedenheit“ mit den Versen beschlossen: „Keine Pyramide / deutet auf mein Grab, / und auf meiner Bahre / glänzt kein Marschallstab. / Aber Friede währet / um mein Leichentuch, / ein paar Freunde weinen, / und das ist genug.“ Doch die Sterbematriken der venezianischen Pfarre San Giovanni Battista zeigen, dass sich zumindest der zum Begräbnis gekommene kleine Kreis des Lebenswerks Christian Dopplers bewusst gewesen ist: Alle Priester der Pfarre nehmen an der Beisetzung auf dem Friedhof der Insel San Michele teil.

Bild 'Buchcover'


Christian Doppler. Der für die Menschheit bedeutendste Salzburger.

Von Clemens M. Hutter.

Anton Pustet 2017. 144 S., geb., €19,95

DIE FURCHE, Mittwoch, 24. Mai 2017


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