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Kernfusion: "So funktioniert jeder Stern"#

Durchbruch bei grüner Energie in beliebiger Menge, doch eine kommerzielle Nutzung liegt immer noch in der Ferne.#


Von der Wiener Zeitung (14. Dezember 2022) freundlicherweise zur Verfügung gestellt


In Sternen wie der Sonne wird bei großer Hitze und unter ungeheurem Druck Wasserstoff zu Helium fusioniert. Die frei werdende Energie versorgt die Erde mit Licht und Wärme.
In Sternen wie der Sonne wird bei großer Hitze und unter ungeheurem Druck Wasserstoff zu Helium fusioniert. Die frei werdende Energie versorgt die Erde mit Licht und Wärme.
Foto: https://pixabay.com

Grüne, klimafreundliche Energie in beliebiger Menge: Diesem Ziel scheint die Menschheit ein Stück näher. Dem US-Energieministerium zufolge ist Forschenden des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien erstmals eine Kernfusion gelungen, bei der mehr Energie abgegeben als verbraucht wurde. "Einfach ausgedrückt ist dies eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts", verkündete US-Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstag in Washington.

"Das beweist, dass das lang verfolgte Ziel, der "Heilige Gral" der Kernfusion, tatsächlich erreicht werden kann", erklärte dazu der Physiker Jeremy Chittenden vom Imperial College London. Damit könnte die Kernfusion als grüne und klimaneutrale Form der Energiegewinnung in erreichbare Nähe rücken. Allerdings sind sich Experten auch darüber einig, dass eine kommerzielle Nutzung der Technologie immer noch in weiter Ferne liegt.

Bei der Kernfusion werden Atomkerne verschmolzen - fusioniert. Dabei wird Energie frei. "Kernfusion ist die Mutter aller Energie im Universum", sagt der Physiker Markus Roth von der Technischen Universität Darmstadt: "So funktioniert jeder Stern." In Sternen wie unserer Sonne wird bei großer Hitze und unter ungeheurem Druck Wasserstoff zu Helium fusioniert. Die frei werdende Energie versorgt etwa die Erde mit Licht und Wärme.

In irdischen Fusionsreaktoren werden die Kerne der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium zu Heliumkernen verschmolzen. Deuterium und Tritium werden auch als schwerer Wasserstoff bezeichnet. Denn während gewöhnliche Kerne von Wasserstoff-Atomen nur ein Proton enthalten, hat Deuterium zusätzlich noch ein Neutron. Tritium hat sogar zwei Neutronen.

Normalerweise verhindert die Abstoßung gleichnamiger Ladungen - hier der positiv geladenen Protonen - die Vereinigung zu einem gemeinsamen Atomkern. Erst extrem hohe Temperaturen geben den Kernteilchen so viel Energie, dass sie beim Zusammenprall die Abstoßungsbarriere überwinden und fusionieren. Bei dieser Fusion entstehen freie, hochenergetische Neutronen. Deren Energie würde bei einem Fusionskraftwerk Wasser erhitzen und der Wasserdampf würde dann - ähnlich wie bei konventionellen Kraftwerken - eine Turbine antreiben.

Ebenso wie die Kernspaltung gewinnt auch die Kernfusion Energie aus den Bindungskräften von Atomkernen. Doch bei der Kernkraft werden große Atomkerne aufgespalten, was Risiken birgt - etwa die enorme Resthitze oder den Jahrtausende strahlenden Atommüll. Die Kernfusion dagegen ist sicher: Bei einer Störung würde die Temperatur fallen und die Reaktion abbrechen. Schädliche Nebenprodukte gäbe es nicht.

Unterschied zu Kernspaltung#

Für die nötigen Temperaturen sorgte bei dem am Dienstag präsentierten Erfolgs-Experiment die stärkste Laseranlage der Welt. 192 Laser hatten die nur wenige Millimeter große Brennstoffkammer, die winzige Mengen Wasserstoff enthielt, auf mehr als drei Millionen Grad erhitzt. LLNL-Direktorin Kimberly Budil zufolge benötigte die Anlage 300 Megajoule Energie, um zwei Megajoule Laserenergie zu liefern, die drei Megajoule Fusionsausbeute erzeugten. Und das ist auch der Haken an der Erfolgsmeldung: Insgesamt mussten zuallererst mehrere Hundert Megajoule Energie ins System gesteckt werden. Und auch innerhalb des Systems sei gerade einmal ein halbes Prozent mehr Energie abgegeben als eingesetzt worden, erläutert Tony Roulstone von der Universität Cambridge. Ziel der Entwicklung müsse allerdings sein, dass doppelt so viel Energie erzeugt wie für den Laser benötigt werde.

"Das Lawrence Livermore National Laboratory könnte diese Art Resultat prinzipiell etwa einmal pro Tag erzielen", meint Justin Wark von der Universität Oxford. "Ein Fusionskraftwerk müsste das zehn Mal pro Sekunde tun." Gleichwohl ist der Physiker optimistisch: "Die grundlegende Wissenschaft wird jetzt ziemlich gut verstanden, und das sollte weitere Investitionen ankurbeln." Und dies wiederum, sagt Mark Wenman vom Imperial College London, "bringt den Zeitpunkt näher, an dem wir ein Fusionskraftwerk ans Netz anschließen können". Es würde eine Ära von grüner, sicherer und unerschöpflicher Energiegewinnung einleiten.

Forschungsfeld in Bewegung#

Auch Roth ist optimistisch. "Das Experiment trifft auf ein Forschungsfeld, das gewaltig in Bewegung ist", sagte der Mitgründer des deutsch-amerikanischen Start-ups Focused Energy. Bis Ende des Jahrzehnts könne es möglich sein, zunächst mit einer Versuchsanlage zu zeigen, dass man die Fusionsreaktion zuverlässig zünden könne. Kommerzielle Kraftwerke, deren Leistung etwa der von Atomkraftwerken entspreche, seien bis Ende der 2030er-Jahre denkbar. Seine Zuversicht begründet der Physiker mit den Entwicklungen der letzten Jahre. Nachdem man jahrzehntelang versucht habe, durch Kernfusion Energie zu gewinnen, seien in den vergangenen eineinhalb Jahren Erfolge in immer schnellerer Folge gelungen.

Die Kernfusion kann ein Baustein zur Bekämpfung des Klimawandels sein, da praktisch keine CO2-Emissionen oder radioaktiven Abfälle entstehen. "Es handelt sich um eine äußerst wichtige Entwicklung, die im Kampf gegen den Klimawandel eine große Hilfe sein könnte", sagte ein Sprecher der Vereinten Nationen am Dienstag. "Es gibt eine Krise, die jetzt stattfindet" - deshalb dürften der Privatsektor und Regierungen in keiner Weise ihre Bemühungen bei der Einsparung von CO2 verlangsamen. Mit Kernfusion könnte klimaneutral und sicher Strom in riesigen Mengen erzeugt werden. Allerdings müssen noch zahlreiche technische Hürden überwunden werden, um sie in einem Reaktor dauerhaft am Laufen zu halten.(reuters/est)

Wiener Zeitung, 14. Dezember 2022

Kritische Anmerkung dazu #

Es gibt zwei Hauptmethoden, eine Kernfusion zu erreichen, nämlich das "Plasma", d.i. Wasserstoff, genügend zu erhitzen und unter Druck zu setzen: Das eine sind gebündelte Laserstrahlen (die Methode, die als Druchbruch gefeiert wird) und die zweite sind starke Magnetfeleder, die das Plasma unter Kontrolle halten, wie es etwa bei dem großen Versuchreaktor ITER geschehen wird.

Die Lasermethode hat u.a. das große Problem, dass man immer nur kleine Mengen von Plasma zur Fusion brignen kann. Für eine industrielle Produktion von Energie müsste man sehr schnell hintereinander immer wieder kleine Plasmaklumpen zur Fusion bringen, ein beachtliches Problem. Zudem war in dem "sensationellen Projekt" ja wi erwähnt doch insgesamt noch viel mehr Energie notwendig, um die Fusion zu erreichen, als dann die Fusion lieferte.

Die Magentfeldmethode hat das Problem, dass man Magnetfelder, die stark genug sind, nur mit Strom bei Supraleitfähigkeit ereichen kann, d.h. nahe beim absoluten Nullpunkt. Diese Abkühlung erfordert soviel Energie, dass wieder die Problematik ensteht, dass vergleichweise wenig oder kein Nettogewinn von Energie gelingt. Ein erster Versuchsbetrieb wir bei Iter zwischen 2025 und 2029 erwartet. ABER, und diese Sensation wurde in den Medien kaum berichtet, ist es am MIT gelungen Supraleitfähigkeit bei schon -70° (nicht -273°) zu erreichen. Wenn das in größerem Massstab möglich ist, dann kann man kleine Fusionsreaktoren bauen, d.h. man benötigt nicht so große Monster wie ITER. Ein Versuchreaktor SPARC soll 2025 in Betrieb gehen, ein Produktionsreaktor ARC einige Jahre später. Wenn diese Aussagen halten, wird vor 2060 Elektrizität in beliebigen Mengen ohne Klimanebenwirkungen erzeugbar sein. Dass man für den Klimawandel immer vom Jahr 2100 spricht, zeigt nur, wie wenig sich viele Klimaredner mit neuen Entwicklungen beschäftigen.

Nur am Rande sei erwähnt: Zur Fusion benötigte man nicht normalen Wasserstoff, sondern Isotope davon: Deuterium (mit einem zusätzlichen Neutron) und Tritium (zwei zusätzliche Neutronen). Letzteres kann aus der Natur nur schwer und in kleinen Mengen erhalten werden. Aber: Ein Fusiosnreaktor gibt Neutronen ab, d.h. er kann selbst diese Isotope erbrüten, wenn er in Betrieb ist.

Siehe auch den Beitrag Kernfusion im AEIOU und die Links dort.