Wozu „Rote Listen“? (Essay)#
Manfred A. Fischer
Rote Listen verzeichnen den Gefährdungsgrad wildlebender Organismen eines bestimmten Gebiets.
Üblicherweise werden fünf Stufen unterschieden: Ausgestorben (ausgerottet oder verschollen); vom Aussterben bedroht; stark gefährdet; gefährdet; potenziell gefährdet.
In Österreich sind von den Gefäßpflanzen (das sind alle Pflanzen außer den Algen und Moosen; also Farne, Gräser, Kräuter, Gehölze) rund 40% aller Arten und Unterarten gefährdet, etwa 1 % ist in den vergangenen 150 Jahren ausgestorben. Dazu kommen rund 20 %, die in einem Teil des Bundesgebiets bedroht sind.
Die meisten, nämlich fast ein Drittel, sind Arten von Feucht-Habitaten (Moore, Gewässer, Auen, Feuchtwiesen); am stärksten gefährdet sind hier Arten der Hochmoore, aber auch von nährstoffarmen Gewässern, Auenvegetation und Niedermoorwiesen.
An zweiter Stelle folgen mit fast einem Viertel die Pflanzenarten der Trockenrasen (vor allem im pannonischen Gebiet des östlichen Österreich).
Rund ein Zehntel sind Arten des Kulturlandes, insbesondere Ackerbeikräuter, bei denen übrigens der Prozentsatz der ausgestorbenen am höchsten ist. Die restlichen gefährdeten Arten verteilen sich auf die übrigen Lebensräume: Magerwiesen (ungedüngte Wiesen), Wälder und alpine Vegetation; in Letzterer ist die Zahl der ausgestorbenen am niedrigsten.
Noch schwerer als die Abnahme der Zahl der Pflanzen- und Tierarten wiegt der Verlust an Lebensräumen (Habitaten, Biozönosen).
Welche Faktoren bedrohen die Vielfalt der Lebensgemeinschaften und den Reichtum der Wildflora? An erster Stelle steht die Zerstörung naturnaher Biotope durch Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung wie Entwässerung, Düngung und Herbizideinsatz – paradox im Zeitalter landwirtschaftlicher Überproduktion!
Nicht unbeträchtlich ist der Stickstoffeintrag aus der industriell und durch die Abgase aus Verkehr und Intensivlandwirtschaft verunreinigten Luft; er bewirkt eine allgemeine Eutrophierung (Überdüngung) der Landschaft.
Weiters zu nennen sind Straßen- und Forstwegebau, Gewässerverbauungen, Aufforstung landwirtschaftlicher Brachen (vor allem heute nicht mehr benötigten Grünlandes) und Freizeiteinrichtungen wie Schipisten und Golfplätze.
Das allmählich zunehmende Bewusstsein der Zerstörung der Naturvielfalt, des Verlusts an ökologischen und ästhetischen Werten fördert Bestrebungen, diesen Prozessen Einhalt zu bieten: Naturschutzgebiete, Nationalparke, FFH-Schutzgebiete („Flora-Fauna-Habitat- Richtlinie“ der Europäischen Union), Förderungen der Landwirtschaft mit dem Ziel der Extensivierung und Erhaltung wertvoller Biotope (ÖPUL-Programme), aber auch die Touristikwirtschaft durch Schaffung von „Naturparken“ sind bemüht, dem Verlust an Landschaftsqualität entgegenzuwirken.
Werden sich die kommenden Generationen an der Vielfalt und Schönheit der Landschaft erfreuen können, oder werden sie uns verfluchen wegen unseres kurzsichtigen Materialismus?
Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch: