Der ökosoziale Visionär wird 70#
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der FURCHE (31. Oktober 2008)
Von
Franz Fischler
Der ökosoziale Weg gibt Antworten auf die Herausforderungen und Krisen unserer Zeit. Drastisch wird uns heute angesichts von Finanzkrise und Klimawandel vor Augen geführt, dass der Markt klare Regeln braucht, das heißt, dass die „unsichtbare Hand“ zeitweise auch selbst an der Hand genommen werden muss. Als Josef Riegler vor 20 Jahren als Parteivorsitzender der ÖVP erstmals seine Idee der Ökosozialen Marktwirtschaft zur Diskussion stellte, musste er gegen den Strom schwimmen und sich manchmal auch als Träumer bezeichnen lassen. Es war die Ära von Margaret Thatcher und Ronald Reagan – Wachstum, Gewinnmaximierung und Technologiegläubigkeit waren die Dogmen der Zeit.
Josef Riegler war mit seiner Schöpfung der Zeit so weit voraus, dass die Qualität seines Modells erst 20 Jahre danach in vollem Umfang erkannt wird. Doch für seine Überzeugung und seine Vision von einer Wirtschaft, in der sich das ökonomisch rechnet, was auch ökologisch und sozial nachhaltig ist, bewies er langen Atem. Und die Umsetzung der Ökosozialen Marktwirtschaft wurde ein Marathon, den der engagierte 70er nach wie vor bestreitet: als Ehrenpräsident des Ökosozialen Forums, durch seinen Einsatz in der Global Marshall Plan Initiative für eine weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft oder im Netzwerk Christen für den Global Marshall Plan. Mittlerweile wird sein Modell, das auf der Sozialen Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard aufsetzt, von vielen propagiert und als elementarer Lösungsansatz in Partei und Zukunftskonzepte aufgenommen.
Landesrat, Minister und Vizekanzler#
Josef Riegler wurde am 1. November 1938 als Sohn von Bergbauern in Judenburg in der Steiermark geboren. Nach dem Studium an der Universität für Bodenkultur in Wien war er Fachlehrer und später Direktor einer Landwirtschaftlichen Fachschule. 1971 begann er seine agrarpolitische Laufbahn als Direktor des Steirischen Bauernbundes, danach wurde er Direktor des Österreichischen Bauernbundes. Zehn Jahre lang war er Agrarsprecher der ÖVP im Parlament. In seiner Zeit als Agrar- und Umweltlandesrat in der Steiermark und als Landwirtschaftsminister entwickelte er die ökosoziale Agrarpolitik als Konzept für die österreichische Landwirtschaft. Von 1989 bis 1991 war er Vizekanzler und Bundesparteiobmann der ÖVP. Damals holte er mich als Nachfolger ins Landwirtschaftsministerium von Tirol nach Wien. Viele Jahre später, 2005, sollte ich ihm erneut in eine Funktion nachfolgen – als Präsident des Ökosozialen Forums, der Plattform für Ökosoziale Marktwirtschaft.
Die aktuelle Krise auf den Finanzmärkten zeigt deutlich, wie visionär ein Wirtschaftskonzept ist, das ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit verfolgt. Preise müssen die Wahrheit sagen. Und in einer globalisierten Wirtschaft ist ein globaler Ordnungsrahmen notwendig, um fehlgeleitete Kräfte des Marktes zu zügeln. Es braucht einen Weltvertrag auf Basis von Klimagerechtigkeit, die Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit zur Erreichung der Millenniums- Entwicklungsziele, soziale und ökologische Mindeststandards für die Wirtschaft sowie Transparenz auf den Finanzmärkten unter anderem durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Als Gründer des Ökosozialen Forums Europa und Mitinitiator der Global Marshall Plan Initiative hat Josef Riegler auch in den vergangenen Jahren nach seiner politisch aktiven Zeit versucht, diese Ziele in der EU zu verankern.
Franz Fischler ist Präsident des ökosozialen Forums, war zuvor Mitglied der Europäischen Kommission in Brüssel und Landwirtschaftsminister in Wien.