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"QBits sind Sensibelchen" #

Der Quantencomputer ist eine neue Art zu denken, sagt der deutsche Informatiker Frank Leymann im Interview über die Marktreife und Sicherheit der superschnellen Rechner, die eine technische Revolution darstellen sollen.#


Von der Wiener Zeitung (6. Februar 2023) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Eva Stanzl


"Wiener Zeitung": Wie lässt es sich erklären, warum man zwar Quanten, aber nicht größere, sichtbare Objekte, wie einen Krug Wasser, einen Schreibtisch oder einen Menschen "beamen" kann?

Frank Leymann: In der sichtbaren Realität können sich zwei Ereignisse, die hinreichend weit auseinander sind, nicht abstimmen. Quanten lassen sich jedoch verschränken und das kann man experimentell nachweisen. Nehmen wir an, wir beide hätten einen Würfel, die Würfel wären verschränkt und Sie fliegen zum Mond. Dort werfen Sie den Würfel, es kommt die Fünf - und bei mir auf der Erde im selben Moment ebenfalls. Das ist ein Phänomen der allerkleinsten Teilchen. Frank Leymann, geboren 1957 in Bochum, ist Professor für Informatik an der Universität Stuttgart und Direktor des Instituts für Architektur von Anwendungssystemen (IAAS). Er studierte Mathematik, Physik und Astronomie an der Uni Bochum, war leitender Softwarearchitekt von IBMs Geschäftsprozessmanagement und ist Inhaber zahlreicher Patente. Frank Leymann ist Kurt Gödel Visiting Professor an der TU Wien.

Frank Leymann, geboren 1957 in Bochum, ist Professor für [Informatik|Thema/Informatik] an der Universität Stuttgart und Direktor des Instituts für Architektur von Anwendungssystemen (IAAS). Er studierte Mathematik, Physik und Astronomie an der Uni Bochum, war leitender Softwarearchitekt von IBMs Geschäftsprozessmanagement und ist Inhaber zahlreicher Patente. Frank Leymann ist Kurt Gödel Visiting Professor an der TU Wien.
Frank Leymann, geboren 1957 in Bochum, ist Professor für Informatik an der Universität Stuttgart und Direktor des Instituts für Architektur von Anwendungssystemen (IAAS). Er studierte Mathematik, Physik und Astronomie an der Uni Bochum, war leitender Softwarearchitekt von IBMs Geschäftsprozessmanagement und ist Inhaber zahlreicher Patente. Frank Leymann ist Kurt Gödel Visiting Professor an der TU Wien.

Somit ist das Beispiel mit dem Würfel zwar anschaulich, aber falsch?

Genau, man kann große Würfel nicht verschränken. Es ist ein Phänomen des Mikroskopischen.

Warum geht das nicht? Wir Menschen müssten doch ebenfalls winzige Teilchen im Körper haben.

Ja schon, aber es sind viel zu viele! Das Missverständnis kommt daher, dass der Name "Quanten-Teleportation" verwirrend ist. Durch die Verschränkung wird keine Materie übertragen.

Und was passiert tatsächlich bei der Quanten-Teleportation?

Was die zugrunde liegende Verschränkung eigentlich ist, verstehen wir nicht. Anders als Philosophen fragen Physiker nicht "warum", sondern nur "wie" etwas funktioniert. Um Quanteninformation zu übertragen, brauchen wir zwei verschränkte Teilchen: Eines haben Sie und eines habe ich. Ich fahre weg. Sie denken sich ihre Quanteninformation aus und wollen sie mir übermitteln. Dazu genügt es, mir zwei klassische Bits zu schicken. Diese beiden Bits sagen mir, was ich mit meinem verschränkten Teilchen anstellen muss, um den Quantenzustand, den Sie mir mitteilen wollen, bei mir herzustellen.

Sie teleportieren also nicht die Quanteninformation, sondern nur die beiden klassischen Bits. Man nennt das "Quanten-Teleportation", weil man durch Übertragung klassischer Information einen Quantenzustand, der an einem anderen Ort existiert, herstellen kann. Der Begriff bezeichnet aber nicht, sich in ein Gerät hineinzustellen und im gleichen Moment ohne Jetlag in Amerika zu sein.

Was ist ein QBit?

Normalerweise verstehen wir unter der Informationseinheit Bit, dass etwas wahr oder falsch ist: ja oder nein, 0 oder 1. Ein QBit ist nicht bloß 0 oder 1, sondern auch jeder Zustand dazwischen, eine beliebige Überlagerung von 0 und 1. Das heißt: Das QBit befindet sich, wenn es unbeobachtet ist, in jedem Zustand von 0 und 1. Erst, wenn man misst, also draufguckt, entscheidet sich das QBit, was es ist. Das ist ein Ursprung der Mächtigkeit von Quantencomputern: Man kann sehr viel Information zugleich manipulieren, bevor man misst - das nennt sich Quanten-Parallelität. Erst wenn man misst, kommt ein bestimmtes Ergebnis mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit heraus. Ein Quantencomputer produziert Wahrscheinlichkeitsergebnisse. Das Ergebnis, das am häufigsten auftritt, ist das richtige.

Ich dachte, Quantencomputer sind wunderbar präzise.

Die berechnete Wahrscheinlichkeitsverteilung ist ja präzise. Häufig geht es um die Struktur der Verteilung. Zur Erzeugung und anschließenden Messung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung sind Quantencomputer idealst geeignet. Auch Berechnungen zu Optimierung, Simulation und Bestimmung der Eigenschaften von Molekülen sind geeignete Anwendungsgebiete, ebenso wie Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen. Da sind Quantencomputer so etwas wie Spezialrechner, die in bestimmten Problemklassen sehr gut funktionieren, die man aber als Ergänzung zu klassischen Computern sehen muss.

Sie machen also tausende Berechnungen und das häufigste Ergebnis ist dann das richtige?

Jein. Die Verteilung ist das Ergebnis. Anhand dessen, wie sich die Messergebnisse verteilen, kann man das eigentliche Ergebnis ablesen. Es ist eine neue Art, zu denken. Physiker können sagen: Dieses Problem führe ich darauf zurück, wie sich bestimmte Messergebnisse verteilen, und das Ergebnis ist ein Erwartungswert. Das ist eine neue Herangehensweise an Algorithmen. Heute arbeiten Computer so, dass man ihnen genau sagt, was sie berechnen sollen. Das sind wir gewohnt. Beim Quantencomputer ist man aber gewohnt, eine Kurve herauszubekommen, die zeigt, wie die Zahlen verteilt sind. Die Gestalt der Kurve ist das Ergebnis, das man voraussagen will.

Die Kurve in Worten?

Wollen Sie etwa Eigenschaften von Werkstoffen bestimmen, dann wissen Sie durch die Kurve, vereinfacht gesagt, was diese Eigenschaften sind. Der Quantencomputer berechnet, wie sich ein Molekül verhält, wenn Sie bestimmte Atome zusammenschrauben. Eine Anwendung ist individuelle Medizin - Wirkstoffe, die für Sie anders als für mich wirken. Doch nicht nur die Pharmaindustrie, sondern auch Automobilhersteller stehen in Partnerschaft mit Herstellern von Quantencomputern. Etwa kommt in heutigen Batterien Kobalt zum Einsatz, damit die Kapazität hoch ist. Da die Kobalt-Vorräte für die Elektromobilität der Welt nicht ausreichen, versucht man, das Element durch andere Stoffe zu ersetzen, deren Zusammensetzung sich mit dem Quantencomputer schneller simulieren lässt als mit herkömmlichen Rechnern.

Was bedeutet die Volatilität der QBits für die Stabilität der Rechner?

QBits sind Sensibelchen. Man kann sie zum Beispiel durch Ionen, also geladene Atome, die in einem magnetischen Feld gefangen sind, realisieren. Man kann sie rumschubsen oder sie mit dem Laser bescheinen, dann kippen sie plötzlich um. Bei Höhenstrahlung aus dem Weltall kippen sie ebenfalls und machen Berechnungen falsch. Darin besteht die Fehleranfälligkeit von Quantencomputern.

Das ist aber etwas anderes als die Verteilung der Wahrscheinlichkeit, von der wir gesprochen haben. Selbst wenn es nicht die geringste Störung gibt, werden trotzdem die Ergebnisse Wahrscheinlichkeitsverteilungen sein.

IBM hat einen 433 QBits starken Quantencomputer entwickelt. Ihre Einschätzung?

Damit kann man schon tolle Dinge machen! Wenn Sie n QBits haben, können Sie 2 hoch n Informationspunkte machen. Das klingt erst mal wenig, aber wenn n gleich 80 ist, Sie also 80 QBits haben, können Sie so viel Information manipulieren, wie es Atome auf der Erde gibt. 433 QBits sind somit enorm viel. Sie ermöglichen eine Darstellungsmöglichkeit an Information, die man klassisch nicht machen kann.

Wie ist die Marktentwicklung?

Quantencomputer sind schneller mächtig geworden als von den Herstellern, die ihr Geschäft nicht einem Hype opfern wollten, vorausgesagt. Die Anzahl der QBits ist maßgeblich für die Größe der Probleme, die ich bearbeiten kann. Eine Million QBits erwarten die Hersteller bis 2030 und dann wird es auch Möglichkeiten geben, die gängige Verschlüsselung zu knacken. Es gibt zwar bereits einen Algorithmus, der das kann, aber er würde heute zwischen 100.000 und vielen Millionen QBits dazu benötigen, je nachdem, welche Spezialisten man fragt.

Daraus lässt sich schließen, dass der Quantencomputer in etwa zehn Jahren knackbar sein wird. Richtig?

Wenn wir alle Passwörter knacken könnten, sähe die Welt schnell anders aus. Es gäbe kein Online-Banking mehr und Sie können nicht mehr online einkaufen, da alles Gespeicherte gelesen werden könnte. Firmen, die Dokumente über Jahrzehnte aufbewahren müssen, kämen in Schwierigkeiten, weil jeder, der an diese Daten herankommt, geheime Informationen lesen könnte. Manche Hacker-Gruppen klauen heute schon verschlüsselte Dokumente, um sie später, wenn Quantencomputer mächtig genug sein werden, zu entschlüsseln und die Firmen zu erpressen.

Wie lässt sich das verhindern?

Wir müssen unsere Verschlüsselungsverfahren umstellen. Heute habe ich digitale Information. Das heißt, ich schicke einzelne Bits durch die Leitung, die sich abfangen lassen. Quanteninformationen ist schwerer abzufangen, doch um sie zu verschicken, reichen keine normalen Drahtkabel. Sondern es werden etwa Lichtleiter benötigt, in denen Photonen herumflitzen, oder Laserstrecken über Satelliten. Die EU und die USA beginnen, diese Infrastrukturen zu bauen, und die Chinesen sind schon weiter, doch der Bau der neuen Hardware-Infrastruktur dauert und kostet.

Wie kann denn ein Quantencomputer Schlüssel knacken?

Wenn Sie im Online-Banking ein Passwort verwenden, wird dieses Wort in eine Zahl umgerechnet. Das Passwort zu knacken verlangt, diese Zahl in Primzahlen zu zerlegen. Quantencomputer können viel besser Zahlen in Primzahlen zerlegen als herkömmliche Rechner und daher die heutige Verschlüsselung leichter knacken. Neue Verfahren sollen heutige Verschlüsselungstechniken ersetzen - es ist ein Rennen gegen die Zeit.

Wie funktioniert die Verschlüsselung von Quantencomputern?

Wenn wir beide kommunizieren, einigen wir - eigentlich die Software - uns jedes Mal auf einen Schlüssel, mit wir unsere Kommunikation schützen wollen. Weil dies nun Quanteninformation ist, kann man sofort feststellen, ob jemandes Dritter den Schlüssel abgefangen hat, ohne es uns beiden zu sagen. So kann man sichere Kommunikation mit Quantentechnologie erzielen.

Die heutige Verwendung?

Man kann heute Quantencomputer in der Cloud ansprechen. Unterschiedliche Firmen, etwa IBM, bieten die Rechenzeit an. Quantencomputer machen hochpräzise Portfolio-Analysen und auch im Maschinenlernen oder in der Qualitätskontrolle sind sie präziser als klassische Rechner.

Wiener Zeitung, 6. Februar 2023