Die Entwicklung des Wiener Walzers#
In der Zeit von 1750 bis 1815 hatte sich aus mehreren Vorstufen die Wandlung zum Wiener Walzer vollzogen. Der Tanz, dessen Wurzeln im bäuerlichen Volkstanz zu finden sind und der seine Gestalt zunächst in der Mittelschicht, dem neuen Bürgertum, erhalten hatte, erfaßte schließlich Ober- und Unterschicht im gleichen pulsierenden Rhythmus; er schien alle trennenden Unterschiede mit zentrifugaler Kraft aus dem gemeinsamen Vergnügen der berauschenden Drehbewegung zu entrücken - ein Phänomen in der Tanzgeschichte, das eingebettet in die spezifische historische Entwicklung in Wien seine volle Entfaltung im Wiener Walzer erfuhr und von hier aus auf ganz Europa austrahlte.
Einen wesentlichen Schritt zur Wiener Ballkultur setzte Kaiser Joseph II., als er im Zuge seiner Politik, die zu einem einheitlichen Untertanenvolk beitragen sollte, den ursprünglich nur für den Adel inszenierten Maskenball in den k.k. Redoutensälen der Burg allen Ständen öffnete.
Neben den großen Ballsälen boten die Gasthäuser in den Vorstädten und Vororten für den größten Teil der Bevölkerung Platz für das Tanzvergnügen. In einer Epoche des gesellschaftliche Wandels und Umbruchs erscheint die "Tanzwut” gleichsam als kollektiver Bewältigungsversuch der Unsicherheit. In der Zeitwende um 1800 war der Walzer weniger Flucht vor der Wirklichkeit, als deren Umwertung und Neuordnung im Medium des Tanzes. Der Walzer wurde zum Ausdruck einer gesellschaftlichen Revolution