Die Entwicklung des Wiener Walzers#
Fortsetzung
(J.Gerining, Reise durch Österreich und Italien, Frankfurt/Main 1802, 1.Teil., S.30)
Zur Zeit des Wiener Kongresses hatte der Wiener Walzer als neuer Modetanz alle Ballsäle erobert. Eine rauschende Ballnacht folgte der anderen und nicht zuletzt verbildlicht das spöttische Bonmot "Der Kongress tanzt wohl, aber er schreitet nicht voran" die Tanzleidenschaft, die zu dieser Zeit einen Höhepunkt erreichte. Schnell wurde nun der Wiener Walzer auch in Paris Mode, er fand Übernahme in Opern und etablierte sich mit den Werken Schuberts, Brahms, Chopins als Konzertwalzer.
Nicht nur in den Ballsälen feierte der Wiener Walzer Triumphe, sondern er fand zur Wiener Ringstraßenzeit auch Eingang in die Traumwelt der Wiener Operette. Der Wiener Walzer hatte seinen phänomenalen Durchbruch auf alltagskultureller Ebene vollzogen, das Europa des 19. Jahrhunderts befand sich in einem Walzerrausch, verbunden durch die Musik von Johann Strauß, die alles zuvor Dagewesene an ekstatischem Ausdruck übertraf.
Auch wenn der Wiener Walzer als vermeintlich bereits disziplinierter Gesellschaftstanz, angesichts der heutigen Tanzkultur, kaum mehr als Träger einer gesellschaftlichen Revolution empfunden wird, so hat er doch als Ausdrucksmittel ekstatischer Freude und Ausgelasssenheit kaum an Stellenwert eingebüßt: In seiner mitreißenden Beschwingtheit läßt uns der Walzer ins Neue Jahr tanzen, als krönender Abschluß und immer wieder Neubeginn in fortwährender Kreisbewegung.