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Albertina

27. Februar bis 31. Mai 2015#

Von der Schönheit der Natur. Die Kammermaler Erzherzog Johanns

Leopold Kupelwieser: Erzherzog Johann im Rock mit grünem Aufschlag, 1828

Mit der Ausstellung „Die Kammermaler Erzherzog Johanns“ zeigt die Albertina 150 Meisterwerke der österreichischen Aquarellmalerei. Auftraggeber dafür war Erzherzog Johann (1782-1859), der mehrere Künstler – unter ihnen Jakob Gauermann, Matthäus Loder und Thomas Ender – als „Kammermaler“ in seine Dienste nahm. Ihre Aufgabe war es, Darstellungen der alpenländischen Regionen, vor allem des Herzogtums Steiermark, anzufertigen. So entstand ab 1802 eine höchst qualitätsvolle Sammlung von annähernd 1500 Blättern. Sie beinhaltet vor allem Veduten aber auch Trachtendarstellungen und Ansichten von frühen Industrieanlagen. Von besonderem Reiz sind zusätzlich die bildlichen Schilderungen von Begebenheiten aus dem Leben von Erzherzog Johann.




Die Kammermaler:

Johann Kniep (1779-1809)

Johann Kniep: Admont mit dem Hochtor, 1808

Zum kaum dreißig Jahre währenden Leben von Johann Kniep gibt es nur wenige biografische Daten: Er wird 1779 in Wien als Sohn eines Gürtlers geboren und studiert ab 1793 an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Landschaftsklasse bei Johann Christian Brand und Friedrich August Brand. Frühe Zeugnisse von Knieps Tätigkeit als Vedutenmaler und - stecher zeigen ihn als direkten Nachfolger der Ansichtenkunst der Generation von Carl Schütz, Johann Ziegler und Laurenz Janscha, welcher an der Akademie die Stelle eines Korrektors innehat.

Kniep wird ab 1802 der erste Kammermaler Erzherzog Johanns und auch der erste Künstler, der den Prinzen auf Reisen durch die Steiermark begleitet. Von den steiermärkischen Ansichten, die Kniep angefertigt hat, haben sich annähernd dreißig Aquarelle im Besitz der Nachkommen des Erzherzogs erhalten. Vorwiegend sind es Landschaftsaufnahmen vor allem der Obersteiermark, die sich über Johanns Tagebuchaufzeichnungen den Reisen zuordnen und somit datieren lassen. Sie dienen der landeskundlichen Bestandsaufnahme und sollen das von Erzherzog Johann geplante statistisch-topografische Werk über Innerösterreich illustrieren.

Johann Kniep begleitet den Erzherzog aber auch auf zwei militärischen Dienstreisen: 1804 nach Krain, Venetien und in die Lombardei, 1806 in das kroatische Küstenland, nach Triest, in das Kanaltal und nach Kärnten. Die Zeugnisse dieser Unternehmungen, ursprünglich in zwei Klebebänden zusammengefasst, gelangten in den Kunsthandel.

Johann Kniep stirbt am 30. Juli 1809 in Wien. Das Totenprotokoll gibt als Todesursache Nervenfieber an. Der Künstler hat für seinen Auftraggeber insgesamt etwa 200 Werke geschaffen.

Johann Knieps früheste Werke für Erzherzog Johann stammen von einer 1802 unternommenen Reise. Sie zeigen vor allem Orte aus dem Mur- und Mürztal und bilden das visuelle Äquivalent zu einer geplanten "Beschreibung des sittlichen und politischen Zustandes der Bewohner des Thales Neuberg im Mürzthale Steyermarks", die Erzherzog Johann ab 1810 intensiv verfolgt, welche jedoch nie veröffentlicht wird. Obwohl Knieps Arbeiten für den Erzherzog in der nur kurzen Zeitspanne von sechs Jahren entstehen, zeigen sie künstlerische Fortschritte und ein zunehmendes Verständnis für die Ideenwelt des Auftraggebers. Während die ersten Aufnahmen noch ziemlich schematisch und im Kolorit eintönig erscheinen, sind die späteren Blätter von einer natürlicheren Farbigkeit und großzügigeren Landschaftsausschnitten geprägt. Bei aller dokumentarischen Genauigkeit in der Wiedergabe der Örtlichkeit erzielt Kniep durch seine Licht- und Farbgestaltung eine Verklärtheit, ja ein Entrückt-Sein der Natur, die unberührt und unverdorben erscheint. Damit kommt der Kammermaler dem Empfinden und dem Idealbild seines Auftraggebers entgegen.

Karl Ruß(1779-1843)

Karl Ruß: Leobnerinnen, 1810/11

Karl Ruß wird am 11. August 1779 als Sohn böhmischer Eltern in der Wiener Vorstadt Laimgrube geboren. Schon früh zeigt sich sein außergewöhnliches künstlerisches Talent, und er erhält Mal- und Zeichenunterricht bei unterschiedlichen Lehrern. 1794 wird er an der Akademie der bildenden Künste in Wien in die Klasse des Historienmalers Hubert Maurer aufgenommen und bekommt während seines bis 1810 dauernden Studiums immer wieder Förderstipendien. Von patriotischem Eifer erfüllt, verschreibt er sich zunehmend der Historienmalerei, strebt Erneuerungen in der Porträtmalerei an und befasst sich auch mit druckgrafischen Techniken.

Erzherzog Johann wird durch das Historienbild Hekuba auf den jungen Künstler aufmerksam und verpflichtet ihn in der Nachfolge von Johann Kniep als zweiten Kammermaler. Von 1810 bis 1818 begleitet Ruß seinen Auftraggeber auf dessen Reisen durch die Alpenländer. Seine Aufgabe besteht vor allem darin, die Trachten in den verschiedenen Regionen exakt festzuhalten. Seine Serie von 35 Trachtenbildern ist bis heute eine aufschlussreiche volkskundliche und kostümgeschichtliche Quelle und durch Reproduktionen auf Postkarten bekannt. Tagebuchaufzeichnungen des Erzherzogs lassen auf ein nahes Verhältnis der beiden beinahe gleichaltrigen Männer schließen. Bis tief in die Nacht unterhält man sich über Geschichte, die Völker der Antike und der Gegenwart und "allgemeine Weltgesetze".

Im Jahr 1818 wird Ruß auf Empfehlung Erzherzog Johanns zweiter Kustos an der k. u. k. Gemäldegalerie im Belvedere; 1821 avanciert er zum ersten Kustos und scheidet aufgrund dieser beruflichen Karriere als Kammermaler aus. Die Funktion des Kustos übt er bis zu seinem Tod am 19. September 1843 aus.
Besonderer Stellenwert im Rahmen der landeskundlichen Bestandsaufnahme der Steiermark kommt den Trachtenbildern zu. Aus Karl Ruß' Schaffensperiode als Kammermaler Erzherzog Johanns stammen über dreißig Trachtenblätter. In seinen monumental-statischen Trachtendokumentationen liegt der Fokus auf den Personen und deren Kleidung. Die Trachtenfiguren erscheinen groß und anschaulich im Vordergrund, in kennzeichnender Haltung und Adjustierung. Sie scheinen untereinander nicht in Verbindung zu stehen und blicken dem Betrachter meist frontal entgegen; einige sind im Profil, einige in Rückenansicht zu sehen, wohl auch zwecks Abbildung besonderer Zierelemente und der genauen Schnittführung der Trachten. Obschon die umgebende Landschaft von untergeordneter Bedeutung ist, sind in manchen Aquarellen topografische Einzelheiten enthalten, die regionale Zuordnungen ermöglichen.

Mit dieser Auftragsarbeit begibt sich Karl Ruß, ein zum Historienmaler ausgebildeter Künstler, auf Neuland. Und doch bedient Ruß mit seinen Abbildungen des "einfachen Volkes" eine Idealvorstellung, von der sein Auftraggeber beseelt war. Durch die exakte Modeliierung, den strengen Kontur und die isolierte Stellung verleiht Karl Ruß den Figuren Haltung und Würde. Sie repräsentieren das überschaubare Leben auf dem Land als wertvollen und schützenswerten Gegenpol zur Beliebigkeit und menschlichen Kälte des Großstadtlebens.

Jakob Gauermann (1773-1843)

Jakob Gauermann: Brunn bei Wildalpen, 1812

Jakob Gauermann wird am 3. September 1773 in Öffingen bei Stuttgart als Sohn eines mittellosen Landtischlers geboren. Schön früh reift in ihm der Wunsch, Maler zu werden. Als kaum Dreizehnjährigen schickt ihn sein Vater nach Hohenheim zu einem Vetter, der für Herzog Karl Eugen von Württemberg als Steinmetz tätig ist. Dort arbeitet Gauermann zunächst als Hilfsarbeiter, dann als Lehrling. Trotz der schweren Arbeit zeichnet er in der Freizeit und kann schließlich, protegiert durch einen Kammerherrn, als Stipendiat des Herzogs die Karlsakademie in Stuttgart besuchen. Allerdings erhält er dort nicht die ersehnte Ausbildung zum Maler, sondern jene zum Kupferstecher und Kupferdrucker, worauf er die Akademie 1792 freiwillig verlässt.

Für seinen frühen Gönner Carl Lang, einen Verleger aus Heilbronn, entstehen 1794 die ersten Arbeiten, und dieser ermöglicht es ihm auch, zur weiteren künstlerischen Ausbildung nach Wien zu reisen. Nach dem baldigen Bankrott seines Förderers bestreitet Gauermann seinen Lebensunterhalt mit druckgrafischen Arbeiten und als Zeichenlehrer. Den ersten Erfolg erzielt er ,809 mit seinem Beitrag zum topografisch-kulturhistorischen Ansichtenwerk des Grafen Alexandre de Laborde.

1811 begleitet Gauermann Erzherzog Johann erstmals auf einer Reise durch die Steiermark. Damit beginnt seine umfangreiche Tätigkeit für den "Steirischen Prinzen", der ihn zunächst mit der Anfertigung von .Steyrischen Prospecten" beauftragt und erhält den Status eines Kammermalers mit regelmäßiger Entlohnung, den er bis zu seinem Tod 1843 innehat. Gauermann hat für Joharin annähernd 200 Werke geschaffen, davon zwei Drittel Landschaften und ein Drittel figurale Darstellungen.

Jakob Gauermann: Ansicht von Bad Aussee, 1821

Als Erzherzog Johann 1811 das .Jnnerösterreichlsche Nationalmuseum Joanneum" in Graz gründet, intensiviert er gleichzeitig die Bemühungen um eine umfassende statistische Landesbeschreibung der Steiermark. Auch Jakob Gauermann soll mit seinen Bilddokumenten dazu beitragen.

Angesichts eines solchen Auftrags würde man nüchterne, realistische Aufnahmen von Land und Leuten erwarten. Doch dies lässt der damalige Stand der Kunstentwicklung noch nicht zu: Auch Jakob Gauermann ist einerseits an die Bildmuster der idealen Landschaft, andererseits an jene der Vedute gebunden. Zudem gehen die Erwartungen des Erzherzogs über eine reine Dokumentation hinaus. Die Bilder sollen - neben der Wiedergabe topografischer Gegebenheiten - auch seine schwärmerische Sicht auf "die Alpen" und "das Gebirgsvolk" zum Ausdruck bringen. Idealisierte und überhöhte Schilderungen hat Gauermann bereits in seinen frühen Werken umgesetzt. Als er 1811 mit der Ausführung von .Steyrischen Prospecten" beauftragt wird, ist er prädestiniert für diese Aufgabe, die er ganz im Sinn Erzherzog Johanns erfüllt. Bei den Aufnahmen von Industrie- und Gewerbebetrieben richtet sich das Interesse des Erzherzogs eher auf die genaue Darstellung der Einrichtungen. Entsprechend nüchterner ist das Erscheinungsbild der Arbeiten Gauermanns, die sich diesem Thema widmen.

Neben den ausgearbeiteten Aquarellen von Jakob Gauermann befinden sich in der Sammlung Erzherzog Johanns auch zahlreiche Zeichnungen. Es handelt sich dabei vor allem um Kompositionsentwürfe, an denen sich der Vorgang der Bildfindung sehr gut nachvollziehen lässt. Zudem hat er auf jenen Zeichnungen, die als Vorlage für Aquarelle dienten, oft sehr genau vermerkt, wann und für wen diese ausgeführt wurden. So ermöglichen die Blätter zusammen mit dem von ihm selbst verfassten CEuvreverzeichnis genaue Datierungen seiner Werke und geben auch Auskunft über seinen Kundenkreis.

Gauermann hat diese Motive zunächst oft mit einem Rötelstift zart skizziert, dann zur Festlegung der Konturen mit schneller Feder in Bistertusche gearbeitet und schließlich sehr differenzierte Lavierungen angebracht, die die Helligkeit des Papiergrunds als Licht einsetzen und den Werken Lebendigkeit verleihen. Die darunterliegende mit Bleistift gezogene Rasterung erleichterte die Übertragung ins Aquarell. Durch die meisterhafte Beherrschung dieser spätbarocken Laviertechnik gehören die Kompositionsentwürfe sicherlich zu den besten Leistungen des Künstlers.

Matthäus Loder (1781-1828)

Matthäus Loder: Der Ankogel bei Bad Gastein, 1827
Matthäus Loder wird am 3. Mai 1778, als Sohn eines Tapezierers in Wien geboren. 1795 tritt er in die Manufakturschule für Blumenmalerei ein, kann aber, gefördert durch die Professoren Heinrich Friedrich Füger und Hubert Maurer, bald in die Maler- und Bildhauerklasse der Akademie übertreten, wo er bis ,8'0 studiert. Schon früh entwirft er Theater- und Geschäftsdekorationen und liefert Buchschmuck, Karikaturen und Billetts für Verleger. Zusätzlich nimmt er Unterricht in .Conversationsmalerey",

Im Jahr 1813 dokumentiert Loder, der sich zum ersten Mal im Gefolge Erzherzog Johanns auf einer Revisionsreise durch die Brucker Gegend befindet, die industrielle und bäuerliche Arbeitswelt. Wenig später überträgt man ihm die ehrenvolle Position des Zeichenmeisters von Marie-Louise, der Gattin Napoleons. Im Frühjahr 1816 folgt er ihr an den Hof von Parma, kann Florenz und Livorno besuchen, muss aber schon Ende des Jahres aus gesundheitlichen Gründen seinen Abschied nehmen.

Das Angebot, anstelle seines Freundes Karl Ruß in den Dienst Erzherzog Johanns zu treten, erweist sich als Glücksfall. Die Vorgabe seines Auftraggebers, die Alpenregionen mit ihrer Schlichtheit des Alltäglichen festzuhalten, lässt nun "wahre" Inhalte in Loders ursprünglich rein dekorative Kunst einfließen: Er schafft Kunstwerke, die Johanns Ideenwelt entsprechen. Schließlich wird Loder zum Chronisten der Liebesgeschichte des Erzherzogs. Sein Fleiß und Einfühlungsvermögen tragen ihm in den nächsten Jahren eine spürbare Bevorzugung von Seiten des Erzherzogs gegenüber Jakob Gauermann ein.

Im Herbst 1827 erkrankt Loder schwer und verstirbt am 4. September 1828. Er wird in Vordernberg, wo er mit seiner Frau im Amtshaus des Erzherzogs zahlreiche Sommermonate verlebt hat, begraben. Seinen künstlerischen Nachlass hat er Erzherzog Johann vermacht. Als Erzherzog Johann 1813 zu einer Revisionsreise nach Eisenerz aufbricht, befindet sich erstmals Matthäus Loder in seinem Gefolge, um fehlendes Bildmaterial zur statistischen Erfassung der Steiermark zu liefern. Es entsteht eine Fülle von Skizzen aus der Arbeitswelt, die über die Jahre dazu dient, die frühesten Dokumente der steirischen Eisenindustrie in Aquarellen auszuarbeiten. Für den jungen Historienmaler, der bis dahin nur grazile, leicht manierierte Buchillustrationen und Ritteridyllen geschaffen hat, sind diese Sujets zunächst ungewohnt. Doch schon bald eignet er sich eine neue Bildsprache an, mit der er die Kühnheit der Technik ebenso wie die Arbeitsabläufe detailgenau schildert. Arbeiter spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Sie werden zwar in Studien zunächst detailgetreu skizziert, in den ausgeführten Werken jedoch als winzige Staffage an den Rand gerückt oder als Rückenfiguren eingesetzt.

Obwohl Erzherzog Johann die soziale Not der ländlichen Bevölkerung beklagt und viel zur Verbesserung von deren Arbeitsbedingungen unternimmt, werden die körperliche Anstrengung und die Mühsal des Broterwerbs als nicht darstellungswürdig befunden. Die Arbeit der Knappen, Hochofenarbeiter oder Holzknechte wird mit der Tätigkeit von Jägern, Fischern, Bauern und Hirten gleichgesetzt und damit als natürlich und gottgegeben angesehen.

Neben Darstellungen der Eisenindustrie und der Holzwirtschaft, die für die Erzschmelze von immenser Bedeutung ist, soll Loder für seinen Auftraggeber auch Viehhaltung, Milchwirtschaft, Jagd, Fischerei, Transport, ländliches Wohnen, Gerät und Kleidung, ja selbst Spiele und Freizeitvergnügen der Region des .Brucker Kreises" dokumentieren. Ab 1817 folgt er einer Marschroute, die Erzherzog johann für ihn zusammengestellt hat. Er zeichnet die Ausrüstung und Kleidung der Holzknechte, jäger, Fischer und Bauern, beobachtet Sennerinnen beim Buttern und stellt die Ergebnisse schließlich in Wien in zart und detail reich ausgeführten Aquarellen zu wertvollen Dokumenten zusammen. Die Ansicht selten vorkommender gemauerter Hütten auf der Aflenzer Hochalpe oder die riesige gemauerte Feuerstelle im Inneren der Engelmannshütte auf der Sonnschienalm sind noch heute von großem volkskundlichem Wert.

Loder liefert auch Trachtendarsteilungen. Im Gegensatz zu den Ruß'schen Werken dieses Themas sind die Dargestellten hier nicht anonym, sondern porträthaft wiedergegeben. Auf diese Weise verleiht er den "Dokumenten" einen anekdotischen Reiz.

Matthäus Loder: Erzherzog Johann und Anna Plochl im Boot (I.), um 1824/25

Erzherzog Johann besucht alljährlich das Ausseerland, wo er unter den Bürgern und Beamten einen Kreis Gleichgesinnter findet. Als er im August 1819 wieder in die Gegend kommt, entsenden seine Ausseer Freunde vier junge Mädchen in festlicher Tracht an das Ufer des Toplitzsees, um ihn willkommen zu heißen und an den Grundlsee zu begleiten. Dort besteigen sie ein Boot, das zum Gasthof Ladner übersetzt. Anna Plochl, die kaum fünfzehnjährige Tochter des Ausseer Postmeisters, gehört zum Empfangskomitee. johann weicht nicht mehr von ihrer Seite. Er macht ihr diskret den Hof und nimmt unglücklich Abschied: Nicht nur der unüberwindbare Standesunterschied, sondern auch seine finanziellen Verhältnisse lassen eine Verbindung völlig unmöglich erscheinen.

1822 ändert sich die Situation, als Herzog Albert von Sachsen-Teschen johann ein Legat von 200.000 Gulden hinterlässt, das ihn in die Lage versetzt, ein Radwerk (einen Hochofen) in Vordernberg zu erwerben. Als Radmeister mit Wohnhaus, Waldbesitz und Höfen kann er Anna eine angesehene bürgerliche Existenz bieten, und so hält er im August bei Irdning um ihre Hand an. Mit der Erlaubnis des Kaisers wird im Frühjahr 1823 eine Hochzeit auf Burg Strechau geplant. Doch der Wien er Hof leistet massiven Widerstand, und johann wird gezwungen, von einer Vermählung Abstand zu nehmen. Ab Herbst 1823 kann er Anna nur als "Hausfrau" auf seinen Besitzungen ein Zuhause geben. Es dauert sechs jahre, bis der Kaiser schließlich nachgibt und die Trauung ,829 auf dem Brandhof in aller Heimlichkeit vollzogen werden kann.

Die Schilderung der Liebesgeschichte der Postmeisterstochter Anna Plochl und Erzherzog Johanns greift Matthäus Loder in kleinerem Format für Annas Stammbuch noch einmal auf. Die Folge der kostbar montierten Aquarelle zeigt eine annähernd vollständige Darstellung der Ereignisse: die Fahrt des Prinzen über den Toplitzsee, die Ankunft beim Gasthof Ladner und den wehmütigen Abschied bei der Traunmühle. Die Zusammenkunft in der Rosenlaube auf Burg Strechau erinnert an die aufkommenden Schwierigkeiten der Beziehung des sozial so ungleichen Paares. Die Zukunft wird in der gemeinsamen Betrachtung des Erzberggipfels angedeutet. Hier haben die beiden ihr Verlöbnis erneuert. Schließlich sieht man als Abschluss der Reihe das Paar zusammen im Alpengärtchen des Brandhofs sitzen.

Weitere Blätter aus dem Stammbuch zeigen Glückwunschbillets, Vignetten oder allegorische Darstellungen: Anna als Hüterin des einfachen Lebens, der Treue und Beständigkeit beim Gießen einer Zirbe, des zähen Baumes des Hochgebirges, den der Prinz als Inbegriff steten Durchhaltens zum Wappen des Brandhofs erwählt hat. Neben den Schilderungen der Liebesgeschichte von Erzherzog Johann und Anna Plochl widmet sich Loder in vielen Blättern Begebenheiten aus dem Leben des Erzherzogs, die er als steter Begleiter des Prinzen miterlebt hat. So schildert er etwa ein Eisstockschießen auf dem Leopoldsteiner See oder einen plötzlichen Schneeeinfall im Mai 1826 in Vordernberg, wo Loder und seine Frau auf Einladung des Erzherzogs seit 1824 jeden Sommer verbringen und im Amtshaus einquartiert werden, in dem Anna Plochl als "Hausfrau" lebt. Immer wieder speist der Erzherzog mit den "braven Loderischen" zu Abend und preist die beiden als ein "Muster der Lieb und Treu". Auch jagdausflüge, die zu johanns größtem Vergnügen gehören, sowie Bergbesteigungen hält Loder in sogenannten .Erinnerungsblättern" für seinen Auftraggeber fest. Auch anekdotische Schilderungen befinden sich darunter, zum Beispiel die Abfahrt vom Ankoge/, die sich auf die Besteigung im August 1826 bezieht. Beim Abstieg hatten der Prinz und seine jäger auf ihren Mänteln eine Schneefahrt gemacht. Wir sehen Loder - wie üblich mit Frack und Zylinder - zusammen mit seinem Herrn ins Tal rutschen. Dies gibt insofern Rätsel auf, als der Maler in Wirklichkeit bei einer Hütte zurückgeblieben ist, um zu zeichnen. Auch seine Lungenkrankheit hat ihn daran gehindert, den Prinzen auf seiner waghalsigen Abfahrt zu begleiten.

Der Aufgabenbereich des Kammermalers erweitert sich, als der Prinz die Abbildung der eigenen Besitzungen für Erinnerungsalben beauftragt. Die Darstellung des Brandhofs mit den neuen Stallungen steht am Beginn dieser Reihe. Matthäus Loder versteht es, seine künstlerischen Fähigkeiten gänzlich der Ideenwelt Erzherzog Johanns anzupassen. Im Gegensatz zu den Arbeiten jakob Gauermanns, an denen der Erzherzog vieles als "gewaltig gehudelt" beanstandet, bestechen Loders Blätter durch höchste Sorgfalt. In akribischer Detailtreue zeichnet er nicht nur Gebäude, Wege, Zäune oder Saatbeete, sondern auch die Kleidung und Ausrüstung der oft nur wenige Millimeter großen Szenerien. Unter Anwendung der "Micropsie", die auch entfernter Liegendes in einer Schärfe darstellt, die eigentlich große Nähe voraussetzt, umgeht er die Gesetze der Perspektive. Auf diese Weise erscheinen die Darstellungsgegenstände bis tief in den Hintergrund in kristalliner Klarheit. Gleichzeitig entwickelt Loder ein breites Repertoire formelhafter Versatzstücke, die er für Bäume, Wald, Felsen oder Wasser zur Anwendung bringt. Die Staffage erinnert an die zarten, eleganten Figuren seiner Buchillustrationen. Dabei ersetzt Loder die für die Idylle typischen Hirtenszenen oft durch Darstellungen des Paares: Erzherzog loharm als Jäger, Anna Plochl als Sennerin oder Gärtnerin. "Sein Ernst ist mein bester Gesellschafter" notiert Erzherzog Johann in sein Tagebuch, als er sich mit Matthäus Loder im August 1826 in Gastein aufhält. Oft reisen sie im einspännigen offenen Wagen unter dem Jubel der Bevölkerung durch das Land. Es muss Ehre und Ansporn für Loder gewesen sein, zum engsten Gefolge des beliebten Prinzen zu gehören. In den vier Wochen, die dieser Aufenthalt dauert, begleitet der Kammermaler seinen Herrn auf Ausflügen zu Gipfeln, Bergwerken oder Aussichtspunkten der spektakulären Alpenregion. Hier entstehen die Vorarbeiten für die kostbaren Landschaftsansichten, die im Winter und in den folgenden Jahren ausgeführt werden.

Um der ungewohnten Thematik von Schluchten und Wasserfällen gerecht zu werden, verlässt Loder die reine Aquarellmalerei, experimentiert mit Deckfarben auf getöntem Papier und entwickelt Formeln für sprudelndes Wasser und feine Gischtwolken. Die eindrucksvolle Lage des Badeortes fordert allerdings auch im Bildaufbau neue Lösungen. Hat Loder bereits bisher dem Vordergrund nur geringe Bedeutung beigemessen, so lässt er ihn auf den Gasteiner Blättern oft völlig unbeachtet und. erhebt das ferne Panorama allein zum Darstellungsgegenstand. Wenn der Auftraggeber im Zusammenhang mit diesen Arbeiten notiert, nun könne man endlich "Wahrheit" in den Landschaften sehen, so bezieht sich dies nicht allein auf die sachliche Genauigkeit im Detail- vielmehr entspricht die Überhöhung der Gebirgslandschaft zum idyllischen Ort einer Wirklichkeit, wie sie im Weltbild des Erzherzogs existiert.

Thomas Ender (1793-1875)

Thomas Ender : Ansicht von Brixen, 1845
Thomas Ender wird am 3. November 1793 als Sohn des aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Johann Ender in der Wiener Vorstadt St. Ulrich geboren. 1806 tritt er in die Wiener Akademie ein und studiert bei Hubert Maurer, Laurenz Janscha und Josef Mössmer. Fürst Metternich, seit 1810 Präsident der Akademie, wird früh zu seinem Förderer und ermöglicht ihm, als Bildchronist die österreichische Brasilien-Exkursion 1817/18 mitzumachen, Kaiser Franz I. 1819 auf dessen Italienreise zu begleiten und ein vierjähriges Romstipendium anzutreten.

Nach dem Tod Matthäus Loders 1828 wird Ender dessen Nachfolger als Kammermaler. Ab 1829 bereist er die Besitzungen Erzherzog Johanns in der Steiermark, malt bei Aussee und begleitet seinen Auftraggeber nach Gastein und auf einigen Gebirgstouren. Mit seinen realistischen Darstellungen der Salzburger Gletscher, des Venedigermassivs und des Großglockners erreicht er eine neue Dimension der Landschaftsmalerei, die das Bild der Alpen in aller Welt prägen wird. Ab 1833 vermehrt alleine unterwegs, berichtet Ender in seinen Briefen an Erzherzog Johann detailliert von seinen Reisen. Er konzentriert sich auf die Darstellung der schönsten Landschaften Innerösterreichs, vorrangig der Alpengebiete Salzburgs und Tirols, und begleitet den Erzherzog 1837 auf dessen diplomatischer Reise auf die Krim, nach Konstantinopel und Griechenland. Im selben Jahr wird er zum Professor an die Akademie berufen.

Die Revolution 1848 bedeutet das Ende des Kammermaler-Projekts und auch von Enders Professur. Der Künstler verstirbt am 28. September 1875 in Wien. Seine im Auftrag von Erzherzog Johann im Zeitraum von über zwanzig Jahren geschaffenen Arbeiten - mit rund 500 Werken ist er der am besten vertretene Künstler in dieser Sammlung - zählen zum Hauptwerk des Künstlers.

Mit Thomas Enders Berufung zum Kammermaler tritt die von Erzherzog Johann ursprünglich verfolgte Idee der systematischen Erfassung der Steiermark in den Hintergrund. Steirischen Gegenden widmet sich der Künstler vornehmlich nur in Zusammenhang mit den Besitzungen des Erzherzogs: So entsteht eine Serie von Arbeiten, die den Brandhof und dessen Umgebung, etwa die Seebergalpe, zeigen. Die Erbschaft nach Herzog Albert von Sachsen- Teschen ermöglicht Erzherzog Johann den Ankauf eines weiteren steirischen Anwesens: 1822 erwirbt er ein Weingut in Pickern bei Marburg, das zu einem Musterweingut mit nachhaltigem Einfluss auf den steirischen Weinbau werden soll und auf dem er ab 1827 ein herrschaftliches Winzerhaus errichten lässt. Seinen lang gehegten Wunsch nach einem Landsitz bei Graz erfüllt sich Johann 1840, als er das in der Weststeiermark gelegene ehemalige Augustinerchorherrenstift Stainz kauft. Es wird zum eigentlichen Familiensitz der Grafen von Meran, der Nachkommen des Erzherzogs. Mit Schloss Schenna bei Meran besitzt Erzherzog Johann ab 1845 schließlich auch ein Tiroler Anwesen. Hier wird er nach Überführung seiner sterblichen Überreste aus Graz in dem ab 1860 im neogotischen Stil erbauten Mausoleum 1869 seine letzte Ruhestätte finden.

Der Brandhof bei Mariazell wird für Erzherzog Johann der wichtigste Besitz. Er erwirbt den ehemaligen Bauernhof am 22. Juli 1818. Hier entsteht eine Musterwirtschaft, die auf die rauen obersteirischen Verhältnisse ausgerichtet ist.

Nach Zuerkennung einer großen Summe aus dem Testament seines Onkels Herzog Alberts von Sachsen-Teschen, des Gründers der Albertina, wird der Brandhof ab 1822 erweitert und kunstvoll ausgestattet. Den Speisesaal lässt Johann von Joseph Daniel Böhrn mit Statuen der habsburgischen Ahnen schmücken. Dargestellt sind Erzherzog Ferdinand von Tirol (der mit Philippine Weiser vermählt war und ein ähnliches Schicksal wie Erzherzog Johann mit Anna Plochl nahm), Karl von Innerösterreich, Maximilian I. und Rudolf I. Die Hauptgruppe zeigt in der Mitte Kaiser Leopold II., der seinen Sohn, Kaiser Franz I., segnet. Die Glasfenster, gefertigt von Anton Kothgasser nach Entwürfen von Matthäus Loder, zeigen Besitzungen des Erzherzogs. Auch das Jägerzimmer wird mit kostbaren Glasgemälden, diesmal von Gottlob Samuel Mohn, ausgestattet. Jakob Gauermann und Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld liefern entsprechende Entwürfe für Szenen, die unter anderem ländliches Arbeitsleben und Industrie zum Thema haben. Zudem wird das Jägerzimmer mit Porträts der Kaiser Franz 11. (I.) und Maximilian I. sowie mit einem Bildnis Andreas Hofers versehen. Die Integration von Szenen aus Johanns Biografie und aus dem Land- und Arbeitsleben in die Ausstattung des Brandhofs ist als Innovation zu werten.

Als Matthäus Loder im Herbst 1828 verstirbt, tritt der bereits arrivierte Künstler Thomas Ender die Nachfolge als Kammermaler Erzherzog Johanns an. Nachdem er sich zunächst der ungewöhnlichen Aufgabe zu widmen hat, die von Loder unvollendet hinterlassenen Arbeiten fertigzustellen, entstehen ab dem Frühjahr 1829 die ersten eigenständigen Werke für seinen neuen Auftraggeber. Im Sommer reist er - wie vor ihm Loder - im Gefolge des Erzherzogs nach Gastein, wo dieser am liebsten seine Sommer verbringt und die umliegenden Berge besteigt. Ender begleitet ihn auf vielen Wanderungen, so auch auf den Gamskarkogel zur feierlichen Eröffnung der Hütte, die der Erzherzog auf dem Gipfelplateau hat erbauen lassen. Zahlreiche Ansichten von Gastein und Umgebung folgen im Laufe seiner Tätigkeit als Kammermaler. Während die früh entstandene idyllische Ansicht des Englischen Kaffeehauses einen lebendigen Eindruck des Gasteiner Fremdenverkehrs der Biedermeierzeit vermittelt, zeigen die späteren Werke deutlich Enders Hinwendung zum reinen Landschaftsbild, das für seine weiteren Arbeiten für Erzherzog Johann bestimmend wird. Wie präzise der Künstler bei solchen Aufnahmen die topografischen Gegebenheiten berücksichtigt hat, belegt die Aussicht vom Kree-Törl ins Großarltal mit den Beschriftungen am oberen Blattrand.

Im August 1828 startet Erzherzog Johann, der als "Pionier des Alpinismus in den Ostalpen" in die Geschichte eingehen wird, den kühnen Versuch, den bis dahin unberührten Gipfel des Großvenedigers zu besteigen. Das Unternehmen scheitert nur 300 Meter unter dem Gipfel dramatisch, als eine Lawine den Führer der Gruppe mit sich reißt. Erst Jahre später,gelingt die Erstbesteigung, an der Erzherzog Johann allerdings nicht beteiligt ist. Der unbezwungene Berg übt eine große Faszination auf den Erzherzog aus. Es gehört daher zu Enders wichtigsten Aufgaben gleich zu Beginn seines Dienstes als Kammermaler, das Venedigermassiv im Bild festzuhalten. Er fertigt beeindruckende Aufnahmen dieser Hochgebirgsregion an, die gemeinsam mit den rund um Gastein entstandenen Arbeiten zu seinen frühesten Gletscherbildern gehören. Erzherzog Johann findet großen Gefallen an diesen Werken, führen sie ihm nicht nur die Schönheit der österreichischen Gebirgswelt vor Augen, sondern auch mit ihr verknüpfte persönliche Erlebnisse. Er entscheidet vermutlich nicht zuletzt aufgrund der Großvenediger-Aufnahmen, dass Ender ihn auf seiner nächsten großen Expedition begleiten soll. Sie führt auf die Glocknergruppe und bedeutet für Enders künstlerische Entwicklung im Rahmen seiner Kammermaler-Tätigkeit einen ersten Höhepunkt.

Thomas Ender Ausguss des oberen Sulzbacher-Venedigers, 1829

Erzherzog Johanns alpinistischer Eifer ist durch die gescheiterte Erstbesteigung des Großvenedigers keineswegs gedämpft: Im Jahr 1832 folgt der Versuch, die Glocknergruppe zu bezwingen. Johann bricht mit einem größeren Gefolge, dem auch Thomas Ender angehört, am 8. August 1832 von Heiligenblut aus auf und wanderte durch das Mölltal Richtung Kaprun. In der Gegend des Schwarzköpfls wird die Expedition abgebrochen; den "hohen breiten Eiskopf, den niemand zu nennen wusste", wie Erzherzog Johann vermerkt, besteigt die Gruppe nicht mehr. Dieser Firngipfel, der die Pasterze im Hintergrund abschließt, erhält schließlich von dem Botaniker David Heinrich Hoppe zu Ehren des Erzherzogs und dessen versuchter Erstbesteigung den Namen .Johannisberg" und erinnert so bis heute an den berühmten Alpinisten aus dem Hause Habsburg.

Die Gletscherdarstellungen, die im Zuge dieser pionierhaften Expedition entstehen, markieren einen ersten Höhepunkt in Enders Schaffen für Erzherzog Johann und demonstrieren in ihrer malerischen Erfassung der Wirklichkeit seine Meisterschaft auf dem Gebiet der Landschaftskunst. Kaum eine Darstellung des Künstlers ist so bekannt geworden wie die des Großglockners mit der Pasterze, die - in vielen weiteren Fassungen in Aquarell und Öl von ihm ausgeführt - gemeinsam mit den Ansichten der Venedigergruppe zu den frühesten realistischen Hochgebirgsdarstellungen zählt.

Erzherzog Johann fühlt sich dem Land Tirol, in dem er ab 1801 als Generaldirektor des Genie- und Fortifikationswesens tätig ist, aufs Engste verbunden. Als Tirol im Pressburger Frieden an Bayern abgetreten werden muss und der Erzherzog sich für den aufständischen Alpenbund engagiert, wird er von Fürst Metternich mit einem Betretungsverbot für Tirol belegt, das erst 1833 aufgehoben wird. Tirol tritt sofort wieder in den Blickpunkt seines Interesses und erschließt auch seinem Kammermaler Ender ein neues Betätigungsfeld. Dessen intensive Auseinandersetzung mit Tirol beginnt mit einer Reise im Jahr ,839 nach Südtirol. Tirol wird auch für seine weitere Tätigkeit als Kammermaler das bestimmende Thema bleiben. Auch hier widmet sich Ender in erster Linie den Alpengebieten und Gletschern und ist stets bemüht, die Ansichten so weit wie möglich vor der Natur auszuführen - ein angesichts wechselhafter Wetterlagen nicht immer einfaches Unterfangen. Ein besonders beeindruckendes Werk ist das fast zwei Meter lange Panorama, das Ender dank rz Tagen anhaltend guten Wetters direkt vor Ort im Stubaital vollenden kann. Durch seine intensive Beschäftigung mit Tirol teilt Ender bald Erzherzog Johanns Leidenschaft: "Ich habe Tirol so lieb gewonnen wie ein geborener Tiroler; eine größere Sehnsucht nach den Bergen dieses schönen Landes kann wohl niemand haben als ich."

Als Thomas Ender zum ersten Mal nach Salzburg reist, prägt sich der Anblick der Salzburger Berge tief in sein Gedächtnis ein und begründet seine Passion für die Gebirgsmalerei: "Dieses reiche Land an malerischen Bildern belebte mich mit seinen großen Gebirgsszenen, dass ich glaube, erst hier lernte ich die Natur zuerst sehen" schreibt er später in seiner Autobiografie. Seine Salzburger Ansichten sind ausschlaggebend dafür, dass Fürst Metternich zu seinem ersten wichtigen Förderer und Protektor wird.

Auch für Erzherzog Johann ist der neu erwählte Kammermaler im Salzburgischen unterwegs. Den Auftakt bilden die Aufnahmen von Gastein und Umgebung, die auf den meist mit dem Erzherzog gemeinsam unternommenen Wanderungen und Touren entstehen. Ab den ,830er- Jahren ist der Künstler vermehrt allein unterwegs. Bevor sich sein Interesse gänzlich auf Tirol verlagert, entstehen im erzherzoglichen Auftrag bis ,842 zahlreiche Salzburger Ansichten, darunter die hier gezeigten von Salzburg, Werfen, Radstadt und Saalfelden, die belegen, dass auch bei Enders Stadtansichten stets die Landschaft das eigentliche Hauptsujet ist.

Im Sommer 1837 arbeitet Ender an einer Serie von Donauansichten, als er die Anweisung des Erzherzogs erhält, nach Odessa zu reisen, um ihn als Bildchronist auf einer diplomatischen Mission auf die Krim, in die Türkei und nach Griechenland zu begleiten. Ender bricht seine Studienreise unverzüglich ab, kehrt nach Wien zurück und schifft sich Richtung Galatz (Galati) ein. Am 23. September trifft er mit einiger Verspätung auf der Krim mit dem Erzherzog zusammen und macht sich sogleich daran, Sewastopol und dessen Umgebung zu zeichnen. Auch Unternehmungen des Erzherzogs wie den Besuch mit der russischen Kaiserfamilie in Baktschi-Serai (Bachtschyssaraj), die Besichtigung der mittelalterlichen Festungsstadt Tschufut-Kale (Cufut Qale) oder die Besteigung des Tschatirdag (Chatyr-Dag) hält er in Bildern fest. Am 29. September erreicht die Reisegesellschaft das an der Südküste der Krim gelegene Jalta, wo bereits das Dampfschiff "Marianne" - das modernste Schiff der k. k. Kriegsmarine - bereitsteht. Von dort aus tritt man die Weiterreise Richtung Bosporus an. Als in der Nacht von 2. auf 3. Oktober ein gewaltiger Sturm aufzieht, entgeht die "Marianne" samt Besatzung nur knapp einer Katastrophe - ein Ereignis, das Ender in einem an Dramatik kaum zu überbietenden Blatt festhält. Schwer beschädigt erreicht das Schiff Konstantinopel und muss gründlich überholt werden. Während Erzherzog loharm sich seinen diplomatischen Geschäften widmet, malt Ender zahlreiche Ansichten, unter denen das detailreiche Panorama mit dem imposanten Blick über den Stadtteil Galata und auf das Goldene Horn Richtung Altstadt das beeindruckendste ist.

Im Oktober tritt die "Marianne" von Konstantinopel aus über Smyrna (Izmir) und Syra (Syros) die Weiterreise nach Athen an, wo zunächst Quarantäne gehalten werden muss. Mit einer Schifffahrt zum Isthmus von Korinth und der Besichtigung der Festungsanlage Akrokorinth verkürzt man sich die Wartezeit. Nach Aufhebung der Quarantäne wird Athen erkundet. Der Anblick der Akropolis hinterlässt einen tiefen Eindruck bei Erzherzog Johann: "Ich trennte mich schwer von dem Parthenon, es ist das Schönste, was Athen, was Griechenland aus der Vorzeit zu zeigen hat, dazu noch alles, was die Akropolis enthält, und die herrliche Lage derselben, die ferne Aussicht über den Piräus und das Meer." Zahlreiche Ansichten Enders entstehen, die den Zustand der antiken Stadtfestung vor den Freilegungen und Wiederherstellungen des späteren 19. Jahrhunderts zeigen.

Die Heimreise führt entlang der dalmatinischen Küste Richtung Triest, wo die gesamte Delegation einen Monat in Quarantäne bleiben muss. In dieser Zeit arbeitet Ender an der Fertigstellung seiner Aquarelle der Krimreise.ln der Sammlung Erzherzog Johanns haben sich über 220 Werke, die im Zusammenhang mit dieser denkwürdigen Tour entstanden sind, erhalten. Es sind kulturhistorische Dokumente, die aufgrund der virtuosen Aquarelltechnik, in der Ender die unterschiedlichsten Motive in charakteristischen Lichtstimmungen festgehalten hat, von besonderem Reiz sind.

Die erste Reise nach Südtirol, die Thomas Ender 1839 im Auftrag Erzherzog Johanns unternimmt, hinterlässt bei ihm einen bleibenden Eindruck. Er ist, wie seinen ausführlichen Briefen an den Auftraggeber zu entnehmen ist, regelrecht verzückt von der Vegetation und schwärmt von den fruchtbaren Ebenen, den schönen Weinpflanzungen und ungewöhnlichen Gebirgsformationen.

Auf seinen in den Sommer- und Herbstmonaten unternommenen Reisen der folgenden Jahre entstehen Ansichten von Städten, Gebirgspässen und pittoresk gelegenen Schlössern, Burgen und Ruinen, die die Südtiroler Landschaft prägen. Die Blätter zeigen deutlich Enders immer stärkere Hinwendung zu kräftigen, satten, vorzugsweise braun-grünen Farbtönen, zu einem malerischer werdenden Pinselstrich und zu größeren Formaten. Es sind die Arbeiten eines versierten Künstlers in der Hochblüte seines Schaffens, der die Technik des Aquarells souverän beherrscht.

Ein besonderes Zeugnis seiner letzten für seinen Auftraggeber unternommenen Reise im Jahr 1847 ist ein Panorama, das Ender am Gardasee aufnimmt. Es steht am Ende der überaus produktiven Tätigkeit des Kammermalers für Erzherzog Johann, die er in seinem Bericht an diesen mit den programmatischen Worten zusammenfasst: "Meine Aufgabe ist, das Ganze zu erfassen, ich fühle mich recht glücklich, die Schönheit ... durch mein Kunststreben für meinen gnädigsten Herrn in Bildern der Zukunft aufbewahren zu dürfen."