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Unteres Belvedere

20. Februar bis 21. Juni 2015#

Europa n Wien - Der Wiener Kongress 1814/15

Thomas Lawrence, Klemens Lothar Wenzel Fürst von Metternich, um 1815\© Fürst von Metternich Winneburg´sche Domäne Schloss Johannisberg –Rheingau, Foto: Stanislaw Chomicki, Wiesbaden

In der europäischen Geschichte zählt der Wiener Kongress zu den bedeutendsten internationalen Großereignissen. Vor 200 Jahren war Wien mehrere Monate lang das politische, kulturelle und gesellschaftliche Zentrum Europas. Gastgeber war Kaiser Franz I. von Österreich. Alle großen Mächte Europas sandten ihre Delegierten, um gemeinsam über die Neuordnung des Kontinents, der durch die Napoleonischen Kriege seine politische Stabilität verloren hatte, zu beraten. Österreich wurde durch Fürst von Metternich repräsentiert, der auch als Präsident des Kongresses fungierte. Das erklärte Ziel war, durch einen Ausgleich der Machtverhältnisse Frieden und Ordnung in Europa zu schaffen und dauerhaft zu sichern. Begleitet wurden die diplomatischen Verhandlungen von gesellschaftlichen Ereignissen und Vergnügungen verschiedenster Art, deren ungeheure Prachtentfaltung in zahlreichen schriftlichen und bildlichen Dokumenten festgehalten ist. Wien blühte als Zentrum des kulturellen Lebens auf, zahlreiche Künstler kamen in die Kaiserstadt, und alle Sparten der heimischen Kunstproduktion wurden angeregt. Mit EUROPA IN WIEN. Der Wiener Kongress 1814/15 zeigt das Belvedere in den Räumen des Unteren Belvedere und der Orangerie vom 20. Februar bis 21. Juni 2015 eine umfassende Ausstellung, die sowohl die politischen als auch die gesellschaftlichen Aspekte dieses außergewöhnlichen Ereignisses, das ganz Europa mehrere Monate hindurch in Atem hielt, beleuchtet. Zu wohl kaum einem anderen politischen, diplomatischen und gesellschaftlichen Geschehen des 19. Jahrhunderts existiert so viel unterschiedliches Material wie zum Wiener Kongress, der die Donaumetropole für eine kurze Periode zum Mittelpunkt Europas machte. Die Aufbereitung der Exponate für eine Ausstellung stellte die Kuratoren Sabine Grabner und Werner Telesko vor die Herausforderung, ein diplomatisches und historisches Ereignis, das vor allem als ein gesellschaftliches wahrgenommen wird, anschaulich zu präsentieren. Von der Reportagegrafik und der Karikatur über Historienbilder bis hin zu Porträts in mannigfachen Formaten vom Miniaturformat über die Skulptur bis zum lebensgroßen Ölbild reichen die aus vielen Ländern stammenden Ausstellungsstücke. Die Breite des Phänomens Wiener Kongress in seinen gesellschaftlichen und künstlerischen Verästelungen wird vor allem anhand von Hauptwerken aller Kunstgattungen dargestellt. Das Themenspektrum trägt sowohl der spannenden Chronologie der Ereignisse von den Befreiungskriegen über die zweimalige Besetzung Wiens (1805 und 1809) bis hin zur Völkerschlacht bei Leipzig 1813 als auch einer adäquaten Darstellung des Anteils der Protagonisten in Adel und Bürgertum Rechnung.

"Für das Belvedere war es von besonderer Wichtigkeit, das epochale Ereignis des Kongresses so breit wie möglich darzustellen, also sowohl seine historisch-politischen als auch seine gesellschaftlich- kulturellen Implikationen", so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere und 21er Haus. "Für uns war es wichtig , den kulturellen Niederschlag des Kongresses und die Stimmung der damaligen Zeit auch durch private Leihgaben erfahrbar zu machen. Fündig wurden wir vor allem im Umfeld von direkten Nachfahren der damals beteiligten Diplomaten und Adeligen. Neben persönlichen Erinnerungsstücken wie Medaillen und Tabatieren werden nun auch das Porträt der Dorothea Prinzessin von Kurland, Herzogin von Dino, Talleyrand-Périgord und Sagan von François Gérard oder jenes des Siegers der Völkerschlacht bei Leipzig, Karl I. Philipp Fürst von Schwarzenberg, von Johann Peter Krafft zu sehen sein. Besonders freut es mich, dass wir die Partitur der Eroica von Ludwig van Beethoven aus dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien für die Ausstellung gewinnen konnten, ebenso wie die prächtig gestaltete Schlussakte des Wiener Kongresses, die natürlich das Kernstück der Ausstellung bildet," so Agnes Husslein-Arco weiter. Zu den weiteren Besonderheiten in der Ausstellung zählen das Porträt des damaligen Außenministers und späteren Staatskanzlers Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich und das überlebensgroße Porträt Alexander I. von François Gérard aus Schloss Malmaison bei Paris, das sonst kaum auf Reisen geschickt wird.

Der Wiener Kongress als Schnittstelle zwischen Politik und Kultur

Ballkleid, 1810/1830 © Les Arts Décoratifs, musée de la Mode et du Textile, Paris

Der Wiener Kongress als diplomatisches und historisches Ereignis mit Folgewirkungen für ganz Europa wird von der der Öffentlichkeit vor allem als ein gesellschaftliches wahrgenommen. Dabei war den Verantwortlichen und der Regie des Wiener Hofes von Anfang an bewusst, dass zwischen der politisch-diplomatischen Dimension einerseits und der dichten Folge unterschiedlicher höfischer Festlichkeiten (Feuerwerke, Redouten, Maskenbälle, Karussells, Turniere, Völkerfeste, Jagden, Schlittenfahren, Theatervorstellungen u. v. m.) und privater Feiern andererseits ein enger Zusammenhang bestand, der letztlich darauf hinauslaufen musste, dass handfeste politische Ergebnisse schneller zu erzielen waren, wenn man sich hinter den Kulissen im entspannten Ambiente ohne Zwang über noch ungeregelte und heikle Fragen verständigen konnte. "Die besondere Herausforderung beim Thema Wiener Kongress liegt im Ineinandergreifen von Historie und Ereigniskultur. Erschwerend ist dabei, dass man damals keinen mit heute vergleichbaren Sinn für die Dokumentation hatte, was bedeutet, dass viele Begebenheiten zwar als Erzählung vorliegen, jedoch nicht durch Ansichten visualisiert werden können ," so Kuratorin Sabine Grabner.

Charakteristisch im Zusammenhang mit der bildmedialen Präsenz des Geschehens ist der Umstand, dass es nicht das Bild oder die Bilder des Kongresses gibt mit Ausnahme des berühmten Stichs nach Jean-Baptiste Isabey (1819), der noch in den Schulbüchern unserer Tage als die Illustration des Wiener Kongresses herhalten muss, obwohl er eigentlich eine fiktive Versammlung der Delegierten imaginiert.

Der Wiener Kongress als gesellschaftliches Großevent

Josef Schütz, Ansicht des k.k. Redoutensaals während eines Masquen-Balles, um 1815\© Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Das offizielle Unterhaltungsprogramm des Wiener Kongresses war zunächst vor allem von militärischen Festakten geprägt. Die diversen Militärparaden, militärischen Kirchenparaden und Manöver hatten auch den Zweck, die Stärke und Pracht der kaiserlichen Armee vor den hohen Gästen zu demonstrieren. Daneben fanden allerdings auch zahlreiche höfische Feste statt. Das Programm umfasste Bälle und Konzerte, die in der Hofburg oder in Palais einflussreicher Vertreter des Hochadels wie etwa Rasumofsky oder Metternich stattfanden. Weitere Programmpunkte waren Jagden, Feuerwerke und Schlittenfahrten. Für die großen Redouten in der Hofburg, an denen bis zu 10.000 Gäste teilnahmen, wurde die Winterreitschule zu einem Ballsaal umgestaltet und durch eine Freitreppe mit den beiden Redoutensälen verbunden.

"Um den esserziellen Eigenschaften als historisch-diplomatisches Ereignis einerseits sowie als Attraktionspunkt der europäischen Gesellschaft andererseits gerecht zu werden, ist die Ausstellung bewusst an den zahlreichen Schnittstellen von Kunstgeschichte und Kulturhistorie angesiedelt," erläutert Gastkurator Werner Telesko, Direktor des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Der Wiener Kongress als epochales politisches Ereignis

Jacques Louis David, Napoleon am Großen St. Bernhard, 1801 © Belvedere, Wien

Zur Bedeutung des Kongresses für die Rezeption in der Nachwelt darf man vor allem die dramatische politische Entwicklung im Jahr 1815 nicht außer Acht lassen. Denn zum Erfolgszwang des Kongresses dürften in besonderer Weise die Flucht Napoleons von der Insel Elba sowie die unmittelbar darauf von allen europäischen Staaten getragene Achterklärung vom 13. März 1815 beigetragen haben. Ab diesem Zeitpunkt war in Form eines in der Geschichte bisher unbekannten Schulterschlusses der wichtigsten europäischen Nationen das politische Schicksal Napoleons besiegelt, das mit der berühmten Entscheidungsschlacht von Waterloo im Juni 1815 schließlich endgültig wurde.

Insgesamt gesehen war der Kongress ein beachtlicher politischer Erfolg. Die Grenzen der europäischen Mächte wurden auf lange Zeit festgelegt. Besonders das in Wien geschaffene Gleichgewicht der Mächte hatte für den Kontinent weitreichende Bedeutung. Mittels Verhandlungen wurde in der Folgezeit in zahlreichen Interessenkonflikten und Spannungen vermittelt. Fast 40 Jahre lang kam es aufgrund der in Wien geschaffenen Stabilität zu keiner weiteren kriegerischen Auseinandersetzung europäischer Dimension. Russland, Österreich, Preußen und Großbritannien hatten zunächst entschieden, dass Frankreich, Spanien und den kleineren Mächten kein Mitspracherecht bei den Entscheidungsprozessen zukommen sollte. Doch der äußerst erfahrene französische Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand verhalf Frankreich schließlich dennoch zur Teilnahme an den Beratungen der Großmächte und sicherte damit den politischen Einfluss.
Zur Konzeption von Ausstellung und Katalog

Ausstellungsansicht Foto: Eva Würdinger, © Belvedere, Wien

Die Intention der Ausstellung im Belvedere liegt darin, dem Besucher das epochale Ereignis des Kongresses im Rahmen des großen geschichtlichen Spannungsbogens, der vom Auftreten Napoleons auf der europäischen Bühne bis zur Schlacht bei Waterloo reicht, vor Augen zu führen. Somit wird anhand von Kunstwerken eine geschichtliche Erzählung mit hoher Dramatik und schillernden Persönlichkeiten präsentiert. Das Ausstellungskonzept sieht davon ab, die einzelnen Kunstgattungen und Themenbereiche separiert zu behandeln, sondern trachtet nach spannungsvollen multimedialen Ensembles. Erst auf dieser Basis kann die für den Kongress zentrale Verflechtung von gesellschaftlichem Leben und kultureller Blüte angemessen erlebt und nachvollzogen werden.Katalog und Ausstellung ergänzen einander und sind demzufolge als konzeptionelle Einheit zu verstehen. Die Beiträge der opulent gestalteten Publikation informieren über die Eckdaten der wichtigsten historischen und kunsthistorischen Zusammenhänge, die im Rahmen einer Ausstellung schwer oder gar nicht dargestellt bzw. vermittelt werden können, während die Ausstellung selbst die historische Entwicklung als Leitlinie nimmt und daran entlanggehend die Höhepunkte des gesellschaftlichen Lebens und der kulturellen Blüte veranschaulicht.

In dieser inhaltlichen Ausrichtung ist EUROPA IN WIEN die einzige Ausstellung, die sich anlässlich der Jubiläumsjahre 2014/2015 dem vielschichtigen Ereignis des Wiener Kongresses in seiner Gesamtheit widmet. "Sie kommen zurrechten Zeit, um große Dinge zu sehen. Europa ist in Wien." So begrüßte der französische Adelige Charles Joseph de Ligne den Grafen Auguste de La Garde, einen berühmten Chronisten des Kongresses. De Lignes Einschätzung ist keine nachträgliche Erfindung oder Rechtfertigung, sondern wird bereits durch zahlreiche zeitgenössische Quellen bestätigt. Seine Formulierung hat aufgrund ihrer unübertroffenen Prägnanz in der Verbindung von Europa und Wien der Ausstellung im Belvedere ihren Titel gegeben.