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Von Almhütten zu Palasthotels. Die touristische Transformation Salzburgs in der „Belle Époque“#

Wie hat der Tourismus Salzburg verändert? Wer waren die Akteure und Akteurinnen der Transformation von armen Alpinregionen zu wohlhabenden Destinationen? Wann traten die ersten Mahner vor der Naturzerstörung auf den Plan? Ist die Entwicklung in Salzburg vergleichbar mit anderen Alpenregionen? Solche Fragen untersucht die Salzburger Junghistorikerin Katharina Scharf in einer regionalgeschichtlichen Vergleichsstudie.#

Katharina Scharf
Katharina Scharf
Foto: Kolarik

Ein Fazit: Die Streitfrage „Bewahren oder Erschließen“ ist so alt wie der Landschaftstourismus. Das Dilemma zeigt sich von Beginn an in der ambivalenten Haltung des Alpenvereins als Förderer, Gestalter und Bremser des Tourismus.

Mit 28,1 Millionen Nächtigungen zwischen November 2016 und Oktober 2017 wurde im Bundesland Salzburg nun erstmals die 28 Millionen Marke überschritten. Ein Rekordergebnis, für das bedeutende Bausteine vor gut 150 Jahren gelegt wurden. 1860 wurde Salzburg an das internationale Eisenbahnnetz (Kaiserin-Elisabeth-Westbahn) angeschlossen. Das war der Ausgangspunkt des touristischen Take-offs und damit einer bis heute andauernden Kontroverse darüber, wie viel Tourismus die Natur verträgt. Katharina Scharf vom Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg untersucht in ihrer bis Ende des Jahres abgeschlossenen Dissertation die touristische Erschließung und Transformation Salzburgs von 1860 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 und vergleicht sie mit der in Savoyen. Und die Untersuchung zeigt, dass es - trotz jeweiliger Spezifika - viele Parallelen gibt.

Die Ausgangslage von Salzburg und Savoyen (mit Chamonix) ist ähnlich. Beide entwickeln sich von ehemals peripheren, agrarwirtschaftlich geprägten Gebieten zu florierenden Tourismusdestinationen. Für beide bedeutet 1860 eine wichtige Zäsur (Salzburg wird - wie erwähnt- an das internationale Eisenbahnnetz angeschlossen, Savoyen kommt mit dem Vertrag von Turin endgültig zu Frankreich). Und beide Regionen begleitet von Anfang die Streitfrage „Bewahren oder Erschließen“, stellt Katharina Scharf fest.

„Tourismus initiiert Modernisierung, Infrastrukturausbau und technische Innovationen bei gleichzeitiger Forderung nach dem Erhalt des vermeintlich Authentischen und Ursprünglichen, speziell im Alpentourismus. Wir haben es mit dem Widerspruch zu tun, dass wir für das wirtschaftliche Fortkommen einerseits Erschließung brauchen, die Erschließung andererseits aber die Natur oder das Landschaftsbild und damit den Tourismus gefährden kann. Der landschaftsgebundene Tourismus verbraucht quasi seine eigene wichtigste Ressource. Es geht hier um Konflikte, die dem Tourismus inhärent und bis heute prägend sind“, so Scharf.

Wie mit dem Dilemma umgehen, diese Frage führte schon bald auch innerhalb des Alpenvereins zu kontroversiellen Positionen. Ursprünglich gehörte der Alpenverein zu den deklarierten und wichtigsten Tourismusförderern. Möglichst viele Menschen sollten die Berge mit ihrer Fauna und Flora kennen- und schätzen lernen, so lautete das Argument. Doch bald schon sahen manche Alpenvereins-Vertreter wie zum Beispiel der Salzburger August Prinzinger die Schattenseiten des boomenden Alpintourismus und wurden zu Mahnern vor der Naturzerstörung. „Was Salzburg als prächtigstes Geschenk in die Wiege bekommen hat, ist seine Natur“, schrieb Prinzinger 1904 und fügte mit Bedauern hinzu, dass eben diese zerstört werde und „das Ziel nimmersatter Beutegier“ sei.

In der Belle Époque um 1900 entdeckten immer mehr Menschen aus der gehobenen Gesellschaft die Lust am Reisen. Bescheidene Almhütten auf den Gipfeln wurden ausgebaut zu prächtigen Palasthotels. 1865 wurde zum Beispiel das heute nicht mehr existierende Hotel Moserboden errichtet, samt extra Straßenzufahrt. Die karge Kesselfallhütte wurde in eine Luxusunterkunft verwandelt. In Bad Gastein entstanden aus kleinen Unterkünften Grand Hotels.

„Was mich bei der Studie überrascht hat, war, dass das Naturschutzthema schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr präsent war. Salzburg war in der Hinsicht ein Vorreiter. Man geht ja davon aus, dass die Umweltschutz- und Naturschutzbewegung erst in den 1970er Jahren stark wird“, sagt Katharina Scharf und ergänzt, dass man vor dem historischen Hintergrund aktuelle Diskussionen um das UNESCO Weltkulturerbe besser verstehen könne. „Bei den Auseinanderansetzungen, die wir zum Beispiel in Salzburg um das umstrittene Bauvorhaben Dr. Franz- Rehrl -Platz haben, geht es ja genau auch um das Thema Bewahren oder Erschließen. Da sieht man, wie schwierig es ist, diese Konflikte zu lösen.“

Die Grundlage von Katharina Scharfs Untersuchung für die Wechselwirkungen zwischen Tourismus und Infrastruktur sowie deren Auswirkungen auf wirtschaftliche, sozioökonomische, sozial-ökologische und kulturelle Verhältnisse bilden viele unterschiedliche Quellen wie Zeitungen, Vereinsakten, Subventionsansuchen für Infrastrukturerschließungen, Verträge für Bahnbauten, Protokolle von Landtagssitzungen, Reiseberichte, Werbematerialien etc.

„Interessant ist, dass beim Ausbau der Gastronomie und Hotellerie relativ viele Frauen beteiligt waren. Weibliche Unternehmerinnen waren keine Seltenheit, vor allem als Gastwirtinnen.“ Für Salzburg fand Scharf viel statistisches Material in den jährlichen Statistikbänden der Handelskammer. Diese war einer der wichtigsten Akteure für den Wandel des Landes in Richtung Tourismus. Anders als heute interessierte sich die Politik damals noch kaum für den Tourismus, das war primär Sache der Handelskammer. Sie setzte sich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts für den Eisenbahnbau und die Infrastrukturerschließung ein. Salzburg war als bettelarmes Land zu Österreich gekommen (1816) und der Tourismus erschien vielen als Ausweg aus der wirtschaftlichen Not. Der Ausbau der Infrastruktur ging Hand in Hand mit dem Aufblühen des Tourismus und umgekehrt. Das gilt auch für Savoyen.

„Komparatistische Projekte werden in der Forschung sehr geschätzt, in der Praxis sind sie aber schwer durchzuführen“, sagt Martin Knoll, Universitätsprofessor für Europäische Regionalgeschichte an der Universität Salzburg und Betreuer der Dissertation. „Man muss sich auf eine vergleichende Arbeit wirklich einlassen“ und das leistet Katharina Scharf in einem sehr überzeugenden Maß, nicht nur, weil sie für die Vergleichsstudie den Französisch-Spracherwerb nachgeholt hat, sondern auch weil sie die regionalen Eigenheiten sowie die Parallelen scharf herausarbeitet.

„Mich interessiert an der Geschichtsforschung, dass es in jeder Epoche spannende Facetten mit Bezügen zur Gegenwart gibt“, sagt die 1988 in Moosbach bei Braunau geborene Tochter eines Nebenerwerb-Landwirts und einer Landwirtin. „Ich habe schon in der Volksschule gewusst, dass ich studieren will, bald war klar, dass es Geschichte sein wird, mein Herz hat dafür gebrannt, und meine Eltern haben das sehr unterstützt, obwohl es nur bedingt zu ihrer Welt gehörte,“ so die Innviertlerin.

Katharina Scharf hat neben Geschichte Germanistik studiert. Seit 2014 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg beschäftigt. 2016 wurde sie für ihre Masterarbeit über Frauen im Nationalsozialismus („Von Kartoffelschaukochen und Krieg“) mit dem Erika Weinzierl-Peis ausgezeichnet. Seit 2016/17 ist sie Mitglied im Doktoratskolleg „On The Move“, in dessen Fokus die Mobilitätsforschung steht. Als Impuls für die Nachwuchsförderung und zur besseren Vernetzung der Dissertanten und Dissertantinnen sowie der verschiedenen Fachdisziplinen hat die Universität Salzburg 2016 unter dem Dach der Doctorate School PLUS zahlreiche neue Doktoratskollegs eröffnet.

Dissertation#

„Von alpinen Peripherien zu Tourismusregionen. Die touristische Erschließung und Transformation Salzburgs und Savoyens (Savoie, Haute Savoie) im Vergleich (1860-1914).

Kontakt#

Katharina Scharf, MA, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg, Rudolfskai 42, 5020 Salzburg, t.: 0662 8044-4738, katharina.scharf@sbg.ac.at;


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