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Votivkirche#

Die Votivkirche verdankt ihre Entstehung (und ihren Namen) einem gescheiterten Attentat auf Kaiser Franz Joseph (1830-1916). Am 18. Februar 1853 hatte der ungarische Schneidergeselle Johann Libenyi versucht, ihn zu ermorden. Auf Initiative von Erzherzog Maximilian (1832-1867) erfolgte der Bau des Gotteshauses, für den ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben wurde. Sieger wurde das neogotische Projekt von Heinrich Ferstel (1828-1883), der auch in der Umgebung mehrere Gebäude plante.

Am 22. April 1856 fand die Grundsteinlegung statt, die Einweihung geschah am Tag der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares am 24. April 1879. Als Baumaterial verwendete man den wenig widerstandsfähigen Wöllersdorfer, Mannersdorfer und Mühldorfer Kalkstein. Die Fassade zieren Werke der Bildhauer Johannes Benk, Hanns Gasser und Franz Melnitzky. Die Votivkirche war als österreichische Ruhmeshalle gedacht - ein Gegenstück zur Londoner Westminsterabtei. Es blieb jedoch beim Renaissance-Grabmal von Niklas Graf Salm (1459-1530), dem Verteidiger Wiens während der Ersten Türkenbelagerung. Kaiser Ferdinand I. (1503-1564) hatte es seinem obersten Feldhauptmann in der Wiener Dorotheerkirche setzen lassen. Nach deren Auflassung 1782 brachte die Familie Salm das Kunstwerk auf ihr Familiengut nach Raitz /Rájec-Jestřebí in Mähren. 1879 wurde es dann in der Votivkirche aufgestellt.

Im rechten Seitenschiff wird eine Kopie der Madonna von Guadelupe (Mexiko) verehrt. Clemens Holzmeister (1886-1983) schuf eine Gedenk-Stele für Angehörige der Exekutive. Die Kirchenfenster wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und nach den vorhandenen Zeichnungen von Eduard Steinle wieder hergestellt. Die Neuverglasung der Fenster in der Größe von 1.200 m2 illustriert auch die jüngste Geschichte Österreichs. Neu sind das Mauthausen-Fenster und das Jägerstätter-Fenster (Franz Jägerstätter wurde als Kriegsdienstverweigerer hingerichtet und 2007 selig gesprochen).


Das Jägerstätter-Fenster#

Das Fenster ist dreigeteilt. Im obersten Teil, in der Fensterarkade, sind einerseits die Schiefertafeln des Moses dargestellt. Sie können als Zeichen gelesen werden, daß ein Mensch auch in schwierigster und gefährdetster Situation den Geboten Gottes gehorchen soll. Aber auch als Anklage, daß das Hitler-Regime gegen diese Gebote verstoßen hat. Ebenso kann man darin sehen, daß die Gebote Gottes über allem Weltlichen stehen. Die brennende Stadt, bestehend aus Häusern und Straßen und einem behelmten Totenkopf, stellt die Situation des Krieges und dessen Destruktivität dar. In der Bildmitte schaut Franz Jägerstätter, demonstrativ und anklagend eine Hakenkreuzfahne zerreißend, fest und gerade aus dem Bild. Es scheint, als wolle er den Betrachter daran erinnern, daß es nur diesen Weg geben darf. Im untersten Teil des Fensters kniet die Witwe Jägerstätter betend an seinem Grab. Dadurch wird auch für Personen, die die Geschichte Jäger-stätters nicht kennen, diese und damit die Aussage des Fensters lesbar; die Handlung des Betens und das Grab macht erst den christlichen Kontext richtig sichtbar. Die künstlerische Komposition und die selbstbewußte Darstellung der Person Jägerstätters läßt das Fenster als Paradigma für den christlichen Widerstand erscheinen. Das Fenster wurde aus der Erbschaft von Frau Maria Nemeth und Herrn Josef Grünauer finanziert.

Das Mauthausen Fenster#

Dieses Fenster ist zweigeteilt. Der Hauptteil des Fensters stellt die wohlbekannte Todesstiege in Mauthausen dar. Leider ist die Stiege sehr schön dargestellt, denn die wirkliche Todesstiege in Mauthausen hat mit dieser sehr wenig gemein. Auf ihr wird in vier unabhängigen Darstellungen die Bildgeschichte erzählt. Am unteren Rand läßt sich eine Dreiergruppe Häftlinge erkennen. Einer liegt zu Tode erschöpft direkt auf der Bildkante. Die durchgewetzten Hosenbeine steigern den Eindruck des Leides. Gemäß der Fensterwidmung „ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten“ wird hier dargestellt, wie ein weiterer Häftling dem Erschöpften zur Hilfe eilt und ihm die Hände reicht. Die dritte Person trägt einen Stein. Durch seine physische Zugewandtheit zu den beiden Mithäftlingen, kann er als derjenige gedeutet werden, der den Stein kameradschaftlich für den Erschöpften trägt. Die Stiege stellt sich inmitten von Sträuchern gelegen dar. Neben dieser Dreiergruppe sind, sich im Strauchwerk versteckend, zwei weitere Häftlinge erkennbar. Der frontal aus dem Bild schauende Häftling läßt durch seine Handhaltung erkennen, daß er seinem Leidensgenossen, der gen Himmel schaut, die Absolution erteilt. Dadurch wird der Zusammenhang mit christlichen Verfolgten während der Nazi-Zeit hergestellt. Die beiden Gruppen sind in unmittelbarer Nachbarschaft dargestellt, sodaß Kameradschaft und Glauben in Notzeiten als unzertrennlich angesehen werden soll (Kameradschaft und christlicher Glaube sind natürlich auch als politische Aussage des Fenstersponsors ÖVP lesbar). In der Stufenmitte wird ein steinetragender Häftling von einem Wärter gequält. Und genau über dieser Gruppe am oberen Ende der Treppe befindet sich Jesus, kreuztragend und im strahlend weißen Gewand, inmitten der menschlichen Tragödie. Nikodemus hilft Jesus traditionsgemäß, das Kreuz zu tragen. Die kameradschaftliche Hilfe der Mithäftlinge am Fuß der Treppe hat in der von Nikodemus seine religiöse Entsprechung. Über der Todesstiege wurde ein stilisierter Himmel dargestellt, von dem der geistige, zum Himmel bereits aufgestiegene Jesus, der von zwei betenden Händen umgeben ist, leidvoll auf sein weltliches Pendant herabschaut, als würde er sich denken: „Siehst du, sie haben es noch immer nicht gelernt“.

Die beiden Fenster transportieren den Gesamtgedanken der Votivkirche als Ruhmeshalle von der monarchischen Zeit in die Zeitgeschichte als ein Kontinuum, welches durchaus auch wieder in Zukunft wirksam werden kann. Aus kunsthistorischer Sicht nehmen die Fenster Anleihen bei ihren mittelalterlichen Ahnen. Auch sie bestehen aus drei Komponenten; den durchgefärbten Glasteilen, die durch die Bleistege (die Hauptlinien des Bildes) verbunden sind und aus der graphisch wirkenden Schwarzlotmalerei für feinere Ausarbeitungen, wie z.B. Gesichter, Hände, Blätter, usw. Im Gegensatz zu den Fenstern der Steinhofkirche (Koloman Moser) die keine Schwarzlotmalerei aufweisen, wirken die Details feiner strukturiert. Entworfen wurden die beiden Fenster von Frau Christine Feldmann-Räntz und gemacht von der bekannten Glasmalereifirma Geyling. Die beiden angesprochenen Fenster ersetzten zwei in den Kriegshandlungen des Jahres 1945 zerstörte Vorgänger. Errichtet wurden sie während der Amtszeit von Probst Dr. Anton Maria Pichler (1962-1969), von dem zum Schluß noch ein Satz zitiert sei: „Kirchenfenster sollen zum andächtigen Gebet anregen. Mögen diese Fenster erzählen,wie Gott Menschen zur Heiligkeit führt und wie Er im Mitmenschen geliebt sein will“. Mit bestem Dank dem Probst der Votivkirche Dr. Josef Sarrugia, Herrn Dr. Weissensteiner vom Archiv der Erzdiözese Wien und Herrn Dr. Sallegger von der Österreichischen Galerie.

Quelle:
Carl-M. Piswanger in: Beiträge zur Geschichte und Gegenwart des IX. Bezirks (Heimatmusum Alsergrund) Nr. 141 (Oktober 1995)


Der um 1460 entstandene Antwerpener Passionsaltarbefindet sich seit 2000 im Museum der Kirche (im ehemaligen Hoforatorium oberhalb des Chorumganges). Der dreiteilige Altar gilt als das bedeutendste erhaltene Schnitzwerk mit originaler Polychromie aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Er gelangte nach mehrmaligem Besitzerwechsel in das Eigentum des - auch an der Votivkirche tätigen - Bildhauers Hanns Gasser, von dem ihn Kaiser Franz Joseph 1858 kaufte.

Der Platz vor der Votivkirche hieß bis 1918 nach dem Bruder von Kaiser Franz Joseph und Kaiser von Mexiko Maximiliansplatz, dann Freiheitsplatz, 1934 Dollfußplatz nach den ermordeten Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, 1938 Hermann Göring-Platz, 1945 wieder Freiheitsplatz und schließlich 1946 endgültig Rooseveltplatz.

Mehr über den "Dom des Alsergrundes" und seine Umgebung

Fotos: P. Diem

Votivkirche innen (mit Klick vergrößern!) © P. Diem
Votivkirche Innenansicht
Votivaltar (mit Klick vergrößern!) © P. Diem
Votivaltar

Die 20 Wappen der Kronländer#

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Windische Mark © P. Diem
Windische Mark

Weiterführendes#

Literatur#

  • M. Thausing, Die Votivkirche in Wien, 1879


Siehe auch Votivkirche

-- Graupp Ingrid-Charlotte, Freitag, 10. September 2021, 19:11


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